Dokumentation: "Die Reise ins Innere der Zelle" (pdf)

Roland Heynkes, 11.1.2021, zuletzt angepasst am 17.8.22

Zur selbständigen Erarbeitung der Dokumentation oder meiner kritischen Zusammenfassung gibt es ein Lernmodul mit klausurähnlichen Aufgaben (PDF)

Außerhalb von Zellen können Viren nicht leben. Sie wissen nichts, wollen nichts und tun nichts. Trotzdem können sie Zellen erobern und in ihnen die Kontrolle übernehmen. Dabei wirken Viren nur durch ihre Baupläne (DNA oder RNA) und die Formen ihrer Proteine, denn die Form bestimmt die Funktion und die Funktionen viraler Proteine können verschiedene Wirkungen entfalten. Auch wenn ein Virus nicht lebt, kann eine durch die Struktur des Virus festgelegte Abfolge von Wirkungen verschiedener Proteine eine Vermehrung des Virus bewirken. Erst wenn der Virus-Bauplan von der Zelle kopiert, gelesen und realisiert wird, kann man von einem neuen einzelligen Lebewesen sprechen. Dessen Eigenschaften werden durch die Kombination der Baupläne von Zelle und Virus bestimmt. Die virale DNA kann jahrelang inaktiv bleiben oder sofort sämtliche Aktivitäten auf die Virus-Vermehrung konzentrieren. Virale Genome können sich in die Baupläne ihrer Wirtszellen integrieren und an deren Nachkommen weitergegeben werden. Einzelne virale Gen können sogar die Evolution einer Spezies entscheidend voranbringen.

Heute profitiert die Biologie von den wirtschaftlichen Erfolgen von Filmindustrie und Computerspielentwicklern. Vor allem deren Geld ermöglichte die Entwicklung der Computerprogramme, mit denen heute realistische Animationen produziert werden, die den Stand biomedizinischer Forschung durch Filme erfahrbar machen. Im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen kann man immer häufiger in Medizinsendungen und wissenschaftlichen Dokumentationen Abläufe betrachten, die im Inneren lebender Organismen oder Zellen gar nicht gefilmt werden können. Bei YouTube gibt es inzwischen viele Animations-Videos.

Diese Internetseite fasst zusammen, was man gelegentlich in der fantastischen Dokumentation: "Wie Viren Unseren Körper Angreifen - Abwehrkampf im Inneren der Zelle" oder: "Die Reise ins Innere der Zelle" sehen kann. Eine etwas längere und meines Erachtens etwas besser übersetzte Version zeigte mehrfach auch Servus-TV. Zu diesem Selbstlern-Hypertext habe ich ein "Arbeitsblatt" mit Aufgaben erstellt.

Zellen sind die kleinsten Einheiten des Lebens, ohne die keine aktiven Lebensvorgänge möglich sind. Aber obwohl Hunderte bis einige Tausend von ihnen nebeneinander auf einen Stecknadelkopf passen, enthält jede von ihnen einen Mikrokosmos von unvorstellbarer Komplexität mit etwa einer Milliarde winziger Biomaschinen. Deshalb ist es ein großes Geschenk für jeden an Zellen Interessierten, dass heute der neueste Stand der Zellbiologie durch ausgezeichnete Computeranimationen visualisiert wird. Solch einen Film (Die Reise ins Innere der Zelle) sendete N24 und stellte ihn in seiner Mediathek zur Verfügung, sodass wir ihn uns in Kursen der Jahrgangsstufen 9 und 10 ansehen konnten. Es geht in dem hier zusammen gefassten Film um die Strukturen einer Zelle, die einen Viren-Angriff abzuwehren versuchen oder vom Virus mißbraucht und schließlich zerstört werden. Und es geht um die unglaublich raffinierten Mechanismen, mit denen die winzigen Schnupfen-Viren (Adenoviren) der mehrstufigen Abwehr des Menschen oft tagelang alles abverlangen. Zwar sind die Kommentare nicht alle korrekt, aber die Bilder und Filmsequenzen sind phantastisch und lassen jedes gedruckte Lehrbuch alt aussehen.

Nach einer neueren Abschätzung (Ron Sender, Shai Fuchs und Ron Milo - Revised Estimates for the Number of Human and Bacteria Cells in the Body. PLoS Biol 2016, 14(8): e1002533) besteht unser Körper aus schätzungsweise 30 Billionen (3x1013) Zellen, die mit ihren Nachbarzellen ständig kommunizieren. Den Killerzellen des Immunsystems präsentiert jede Zelle auf MHC-1-Präsentiertellern Bruchstücke (Peptide) aller Proteine, die sie gerade produziert. Dazu werden die Peptide auf den Präsentiertellern in Vesikeln zur Zelloberfläche transportiert und durch Verschmelzung des Vesikels mit der Zellmembran auf die Außenseite der Zelloberfläche gebracht. Wird eine Zelle von einem Virus zur Produktion viraler Proteine gezwungen, dann finden T-Killerzellen mit ihren langen Tentakeln auf den Präsentiertellern Eiweißbruchstücke, die in gesunden menschlichen Zellen nichts zu suchen haben. In solchen Fällen geben Killerzellen den infizierten Zellen den Befehl zur Selbstzerstörung (Apoptose).

Zwischen den meist mit einander verbundenen Zellen patrouillieren Y-förmige Antikörper, von denen jeder mit jedem seiner beiden Arme eine ganz bestimmte körperfremde Oberflächenstruktur binden kann. Hat unser Immunsystem einen speziellen Krankheitserreger schon einmal besiegt, dann produziert es bei einem erneuten Angriff sofort spezifisch gegen ihn gerichtete Antikörper. Die Antikörper können mit jedem Arm ein Virus binden und diese so verklumpen. Sie können Viren auch einfach als bevorzugte Beute der großen Fresszellen markieren und die Antennen blockieren, mit denen sich Adenoviren Einlass in Schleimhaut-Zellen verschaffen. Ohne diese nachgemachten Schlüssel können die Viren die Zellmembran nicht durchdringen. Leider können Antikörper selten alle Virus-Antennen blockieren. Nobody is perfect und nichts gelingt immer zu 100%.

Fast immer werden einige nicht blockierte Schlüssel von einem passenden Schloss in Form eines Rezeptors gefunden, der das Virus automatisch in die Zelle hinein zieht. Zu diesem Zweck beult sich die Zellmembran nach innen ein und bildet um das Virus herum ein Bläschen, welches sich von der Zellmembran abschnürt und in die Zelle hinein transportiert wird (Endozytose). Man nennt dieses Bläschen Vesikel. Man sieht, wie dreiarmige, großen Greiffüßen ähnelnde Clathrin-Proteine diese Abschnürung von der Zellmembran bewirken und sich anschließend vom Vesikel wieder zu lösen.

Die Vesikel verschmelzen miteinander zu Endosomen und pumpen Protonen in das Innere der Endosomen. Dadurch wird es im Inneren der Endosomen sauer. Das löst die Antennen von den eingefangenen Adenoviren. Später fusionieren die Endosomen mit Verdauungsenzyme enthaltenden Lysosomen zu Endolysosomen oder sekundären Lysosomen, die der Verdauung all ihrer Inhalte dienen. Doch nicht immer lassen es die Viren dazu kommen. Denn das Abfallen der Virus-Antennen setzt ein Protein frei, welches die Wände des Endosoms angreift und sprengt.

Die deutschsprachige Fassung von Servus-TV zeigt eine in der N24-Version fehlende Sequenz nach fast 18 Minuten. Darin wird erklärt, dass auf einem Virus gebundene Antikörper die Freisetzung der Befreiungs-Proteine und damit auch die Befreiung des Virus aus dem Endosom verhindern könnten.

Nach knapp 20 Minuten erwähnt eine weitere nur bei Servus-TV enthaltene Szene die Endosymbiontentheorie.

Ohne Antennen, aber immer noch mit intakter Virushülle treiben die Viren nun knapp unterhalb der Zellmembran ohne eigenen Antrieb herum und können so noch keinen Schaden anrichten. Sie können sogar vernichtet werden.

In unseren Zellen bilden Proteine ein Zytoskelett, das ihnen eine Form gibt, so wie Zeltstangen einem Zelt. Gleichzeitig dient es unzähligen Motorproteinen (Transportproteinen) als dreidimensionales Netzwerk von Transportwegen. Während der Kernteilungen zieht ein Spindelapparat genannter Teil des Zellskeletts die Chromosomen auseinander, aber in diesem Film kommt es wegen eines Viren-Angriffs nicht dazu. Immerhin sieht man als Vertreter einer weiteren wichtigen Klasse von Proteinen einige der unzähligen Enzyme, die fast alle chemischen Reaktionen in einer Zelle katalysieren.

Ausgerechnet zelleigene Motorproteine binden manche hilflos umher treibende Viren und übernehmen mit mehr als 100 Schritten pro Sekunde deren Transport in Richtung Zellkern. Dazu kommt es, weil Hüllproteine des Virus zelleigene Andockstellen der Motorproteine imitieren. Allerdings können sich diese Transporteiweiße nur in eine Richtung bewegen. Stoßen sie auf ein Hindernis, dann bindet zusätzlich eine weitere Art von Motorproteinen und zieht das Virus ein Stückchen zurück. Anschließend wird es seitlich auf die andere Seite des Transportweges bewegt und kann danach oft ungehindert seinen Weg fortsetzen. Wie Motorproteine sich seitlich bewegen können, konnte ich auch durch intensive Recherche nicht herausfinden.

Hat allerdings das Virus auf seiner Oberfläche irgendwo einen Antikörper gebunden, dann kann dieser von speziellen Verteidigungs-Proteinen entdeckt und markiert werden. Diese Markierung leitet die Zerstörung des Virus durch ein Proteasom ein. Eindrucksvoll wird gezeigt, wie tunnelförmige Proteasome defekte oder unerwünschte und als solche markierte Proteine oder sogar ganze Viren in einzelne Aminosäuren und Nukleotide zerlegen.

Von den vielen Organellen eukaryotischer Zellen sieht man zunächst die Mitochondrien als Kraftwerke der Zelle, in deren innerer Membran von außen nach innen fließende Protonen winzige Turbinen antreiben. Diese drehen sich mit 1000 Umdrehungen pro Minute und ihre Bewegungsenergie wird für die Produktion von ATP genutzt. ATP-Moleküle dienen als universelle mobile Energieliferanten für unzählige Prozesse in der Zelle.

Unten umgeben vom zugunsten der Übersichtlichkeit überwiegend entfernten Endoplasmatischen Retikulum sieht man im Film den Zellkern und in diesem die DNA als Trägerin des Bauplans der Zelle. Sie ist zunächst nicht leicht als solche zu erkennen, denn sie wird in ihrer 30 nm dicken Form der Chromatinfasern gezeigt. Nur in einem gerade abgelesenen/kopierten (genauer: transkribierten) Bereich ist die unverpackte DNA-Doppelhelix zu sehen, auf der eine RNA-Polymerase entlang fährt und eine RNA-Kopie synthetisiert. Deren Verarbeitung zu mRNA wird nicht gezeigt, aber man sieht die mRNA durch eine Kernpore den Zellkern verlassen und wie sie im Zytoplasma von einem freien Ribosom abgelesen wird.

In der Kernhülle gibt es Kernporen mit langen Greifarmen, die Ribosomen-Untereinheiten und andere nützliche Dinge in den Zellkern hinein ziehen. Das tun sie aber nur, wenn die zu transportierenden Teile eine Erkennungsstruktur auf ihren Oberflächen tragen. Adenoviren imitieren auch diese Erkennungsstruktur, aber sie sind zu groß, um die Kernporen passieren zu können. Leider kommen wieder seine überlisteten Motorproteine dem Virus zu Hilfe. Während die Fangarme der Kernpore an ihm ziehen, zerren die Motorproteine in die andere Richtung, um das vermeintliche Hindernis zu umgehen. Dadurch wird die Virushülle zerrissen und der Virus-Bauplan kann ungehindert durch die Kernpore in den Zellkern gelangen.

Die Strukturen ihrer Proteine bringen Viren zum Zellkern.

Im Zellkern sieht man am Promotor einer Virus-DNA eine RNA-Polymerase und unmittelbar hinter ihr einen ganzen Komplex von Transkriptionsfaktoren zur Aktivierung der Polymerase. Dieser Komplex schickt die RNA-Polymerase los. Sie liest die Virus-DNA ab und produziert eine mRNA, die durch eine Kernpore hinaus in das Cytoplasma gebracht wird. Dort scheinen zumindest bestimmte mRNAs große Ringe zu bilden. Auf jeden Fall wird die mRNA von zwei sich ergänzenden Ribosomen-Untereinheiten gebunden, und ihre Botschaft wird wiederholt übersetzt (Translation) in zahlreiche Aminosäureketten. Man sieht, wie eine Aminosäurekette zu einem fertigen Virus-Protein gefaltet wird. Meistens sind dabei sogenannte Chaperon-Proteine behilflich, aber die im Film an der Aminosäurekette zu sehenden Makromoleküle sind viel kleiner als Chaperone und daher für mich leider noch nicht identifizierbar.

Jedenfalls werden die frisch synthetisierten Virus-Proteine in den Zellkern transportiert, wo sie sich selbst zu leeren Virushüllen zusammensetzen. Einige Virus-Proteine scheinen nun die Transkription zellulärer Gene zu unterdrücken und damit alle Ressourcen der Zelle auf die Produktion neuer Viren zu konzentrieren. Im Film wird es zwar nicht gezeigt, aber selbstverständlich wird im Zellkern auch die Virus-DNA vervielfältigt. Die Kopien werden zu den Virushüllen transportiert und in diese hinein gepresst.

Um aus der langsam sterbenden Zelle hinaus zu kommen, wird nun ein Virus-Gen für ein Sabotage-Protein aktiv, das die Auflösung des Zytoskeletts und damit den Zusammenbruch der Zellform bewirkt. Ein zweites Sabotage-Protein des Adenovirus gräbt sich in die Membranen der Kernhülle und zerlegt sie. Nicht einmal 2 Tage nach der Infektion zerfällt jetzt auch die Zellmembran und die fertigen Viren überschwemmen den Raum zwischen den Nachbarzellen. Eine Schlacht hat damit das Virus gewonnen, aber gleichzeitig läuft normalerweise seine Zeit im infizierten Menschen langsam ab, weil dessen Immunsystem an der Produktion neuer, perfekt passender Antikörper arbeitet, die dem Virus kaum eine Chance lassen. Außerdem versammeln sich um die sterbenden Schleimhaut-Zellen durch verstärkte Durchblutung und angelockt durch T-Helferzellen viele Fresszellen, um möglichst viele Viren zu fressen. Und um den Viren keine neuen Wirtszellen zu geben, opfern sich sogar benachbarte gesunde Zellen. Bis zu seinem Sieg über das Virus hat allerdings der Mensch bereits unzählige Viren durch Niesen und Husten auf weitere Menschen übertragen, sodass es in den Kriegen zwischen Menschen und Viren selten endgültige Sieger gibt. Beide passen sich permanent aneinander an und für das Virus ist es das Beste, wenn es den Menschen nicht zu krank macht.

Diese Dokumentation bestätigt und verdeutlicht wichtige Prinzipien der Biologie:

meine kritischen Zusammenfassungen von Fernsehdokumentationen

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Kommentare und Kritik von Fachleuten, Lernenden und deren Eltern sind jederzeit willkommen.

Roland Heynkes, CC BY-SA-3.0 DE

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