Journal of Comparative Pathology 1999; 121: 55-63

Ingrid Schütt-Abraham, 14.07.2002

Gliederung


Bibliographische Angaben

van Keulen, L.J.M.; Schreuder, B.E.C.; Vromans, M.E.W.; Langeveld, J.P.M.; und Smits, M.A.: Scrapie-associated Prion Protein in the Gastrointestinal Tract of Sheep with Natural Scrapie - Journal of Comparative Pathology 1999; 121: 55-63

Meine Zusammenfassung des Artikels

Von 12 mit negativem Ergebnis auf Scrapie untersuchten Schafen mit zentralnervösen Störungen und von 55 Schafen mit klinisch und histologisch gesicherter Scrapie-Diagnose wurde der Hüftdarm (Ileum) histologisch und immunhistochemisch auf Ansammlungen krankhaft veränderter Prionproteine (PrPSc) untersucht (Gruppe 1). Darüber hinaus wurde der gesamte Magen-Darm-Trakt (Speiseröhre bis Mastdarm) von 7 Schafen mit gesicherter Scrapie-Diagnose, die 6 unterschiedlichen Genotypen in bezug auf Codon 136, 154 und 171 angehörten, auf das Vorhandensein von PrPSc untersucht (Gruppe 2).

Beprobt wurden der magennahe Teil der Speiseröhre, Pansen (dorsaler wie ventraler Pansensack), Reticulum, Omasum, Abomasum, Duodenum, Jejunum (jeweils bei etwa 1/4, 1/2 und 3/4 der Gesamtlänge), Ileum, Caecum, Mitte der Colonscheibe und das Rektum.

Als Negativkontrolle diente ein klinisch unauffälliges Schaf, das einem Scrapie-resistenten Genotyp angehörte (PrP-ARR-homozygotes Texel-Schaf). Als Positivkontrolle dienten Schnitte der Medulla oblongata Scrapie-infizierter Schafe, die den gleichen Aufbereitungsschritten unterlagen. Die Tiere wurden, sofern sie nicht an Scrapie verendeten, durch Entbluten in Barbituratnarkose getötet.

PrPSc wurde im enterischen Nervensystem (ENS) des Ileums aller Scrapie-infizierten Tiere gefunden, einschließlich eines Tieres, bei dem das lymphoretikuläre System (LRS) frei davon war. PrPSc akkumulierte sowohl im Plexus myentericus (Auerbach'scher Plexus) als auch im Plexus submucosus (Meissner'scher Plexus) und wurde gelegentlich auch im ENS der Muskelschicht oder Schleimhaut gefunden. Das Zytoplasma sowohl von Neuronen als auch von Gliazellen enthielt PrPSc, manchmal kam es auch zu Ablagerungen von PrPSc an der Zellmembran der in der Darmwand liegenden Neuronen. Die Zellen selbst schienen morphologisch unverändert. Demgegenüber wurde PrPSc weder in der Negativkontrolle noch den 12 Tieren gefunden, bei denen Scrapie aufgrund der histopathologischen und immunhistochemischen Untersuchung des Gehirns als Ursache der zentralnervösen Störungen ausgeschlossen werden konnte.

Bei allen Scrapie-positiven Tieren der Gruppe 2 fanden sich PrPSc-Ansammlungen in der Wand des Verdauungstraktes vom Blättermagen bis zum Mastdarm. Mit Ausnahme des ARQ/ARQ-homozygoten Schafes ließen sich PrPSc-Ansammlungen auch in der Haube und im dorsalen wie ventralen Pansensack nachweisen. Beim VRQ/VRQ-homozygoten Schaf fanden sich die krankhaft veränderten Prionproteine darüber hinaus auch im magenwärtigen Abschnitt der Speiseröhre. Der gesamte Magen-Darm-Trakt der Negativkontrolle erwies sich als PrPSc frei.

Die Ergebnisse belegen, dass sich der Erreger im Nervengewebe der Wand des Verdauungstraktes vermehrt, und zwar umso ausgebreiteter, je größer die genetische Empfänglichkeit der Tiere für Scrapie ist. Die Autoren schließen daraus in Anbetracht des zuerst vom Scrapie-Erreger befallenen Zielgebietes im Gehirn - dem motorischen Nervenkerngebiet des Nervus vagus - dass das enterische Nervensystem dem Erreger als Eintrittspforte dient und dieser über die Nervenbahnen des parasympathischen Nervensystems zum Gehirn aufsteigt.

Anmerkungen der Rezensentin

Da sich alle Scrapie-positiven Tiere bereits im klinischen Stadium der Erkrankung befanden, lassen die Ergebnisse offen, ob die ausgedehnte Besiedlung des enterischen Nervensystems, insbesondere der dem Darm vorgeschalteten Mägen und Vormägen sowie der Speiseröhre, bereits vor dem Nachweis der Erreger im Gehirn durch Ausbreitung im Nervengeflecht der Darmwand oder erst nach Befall des Zentralnervensystems auf vom Gehirn zum Magen-Darm-Trakt absteigenden Nervenbahnen erfolgte. Die Ergebnisse deuten an, dass Ausmaß und/oder Geschwindigkeit der Ausbreitung des Erregers im Körper von Schafen von deren Genotyp bestimmt wird. Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage sollte jedoch bei Scrapie-infizierten empfänglichen Schafen mit dem Vorkommen des Erregers im gesamten Verdauungstrakt gerechnet werden.

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