Wege aus der Antibiotika-Krise
Roland Heynkes 13.11.2025, CC BY-SA-4.0 DE
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Aktive Impfungen und Antibiotika sind die wichtigsten Waffen moderner Medizin. Ihnen verdanken wir, dass heute so viele Menschen sehr alt werden. Ohne Antibiotika wären Operationen und viele bakterielle Infektionskrankheiten lebensgefährlich. Darum ist es wirklich schlimm, dass immer mehr Bakterien resistent werden gegen Antibiotika. Schon heute sterben deswegen jährlich mehr als eine Million Menschen. Und diese Zahl würde stark steigen, wenn wir die Ursachen nicht beseitigen. Verantwortlich für diese Antibiotika-Krise sind mehrere Fehler, die Menschen im Umgang mit Antibiotika immer noch machen. Aber wenn man die Fehler erkennt und damit aufhört, dann kann man die Antibiotika-Krise beenden. Dazu braucht es politische Entscheidungen und die wird es nur geben, wenn informierte Wählerinnen und Wähler das ebenso dringend verlangen, wie intakte Infrastrukturen, innere und äußere Sicherheit, effiziente Bürokratie und Klimapolitik sowie die nötigen Rahmenbedingungen für eine konkurrenzfähige und innovative Wirtschaft.
Darum müssen wir uns mit den Ursachen der Antibiotika-Krise und den jeweiligen Lösungsmöglichkeiten beschäftigen. Denn nur wer machbare Lösungen kennt, wird nicht durch Angst und Hoffungslosigkeit gelähmt.

Bakterien vermehren sich sehr schnell und bei jeder Zellteilung kann sich durch eine zufällige Mutation eine Antibiotika-Resistenz entwickeln. Normalerweise haben die Mutanten jedoch keine Vorteile, sodass sie sich kaum ausbreiten oder sogar wieder aussterben. Wird allerdings eine Bakterien-Population einem Antibiotikum ausgesetzt, dann können sich nur noch zufällig resistente Bakterien vermehren. Deshalb ist jede Anwendung eines Antibiotikums auch ein Experiment zur Züchtung resistenter Bakterien. Also müsste man die Anwendung von Antibiotika auf das wirklich Notwendige beschränken. Aber das Gegenteil passiert. Antibiotika werden hauptsächlich in der Massentierhaltung eingesetzt, wo sie als Mastbeschleuniger wirken und verhindern, dass sich wegen der großen Anzahl von Tieren auf viel zu engem Raum Seuchen ausbreiten. Und Patienten verlangen und bekommen Antibiotika auch bei Virus-Infektionen, obwohl Antibiotika keine Viren bekämpfen können. Diese Fehler aus Profitgier oder Unwissenheit können und müssen durch Verbote und Aufklärung vermieden werden, wenn wir nicht unzählige Menschenleben opfern wollen.
Wenn allerdings ein Antibiotikum angewendet werden muss, dann muss es unbedingt solange eingenommen werden, bis alle pathogenen Bakterien tot sind.

In Krankenhäuser kommen Patienten mit multiresistenten Keimen und stecken andere Patienten an, deren Immunsysteme schon geschwächt sind. In den Niederlanden und in Münster wurde dieses Problem weitgehend gelöst, indem man neu aufgenommene Patienten erst in Quarantäne untersucht und wenn nötig mit geeigneten Antibiotika behandelt. Wären unsere Kommunen nicht derart finanziell und personell überfordert und unsere Bundesregierungen nicht hauptsächlich mit kindischen Streitereien und der Verunglimpfung politischer Gegner beschäftigt, dann wäre diese lebensrettende Praxis längst bundesweite Routine. Aber es wird sich nichts zum Besseren wenden, wenn nicht aufgeklärte Wählerinnen und Wähler gewaltig Druck machen.

Antibiotika können relativ leicht und billig von vielen Unternehmen produziert werden. Dadurch entsteht Konkurrenz, die zu niedrigen Preisen führt. Außerdem müssen Antibiotika normalerweise nur für kurze Zeit eingenommen werden. Das ist gut für die Patienten, denn dadurch können auch arme Menschen gerettet werden. Aber für die forschenden Pharmakonzerne ist das ein Problem, denn für sie ist es extrem teuer, den gesetzlich geforderten Nachweis zu führen, dass ein neu entdeckter Wirkstoff wirksam und ungefährlich ist. Große Investitionen in Entwicklung und Zulassung stehen also kleinen Gewinnen gegenüber und das können sich Unternehmen nicht leisten. Darum werden schon länger praktisch keine neuen Antibiotika mehr zugelassen. Wenn aber die freie Wirtschaft eine lebenswichtige Leistung nicht erbringen kann, dann ist es eine staatliche Aufgabe. Und wenn Regierungen ihre Arbeit nicht machen wollen, dann brauchen sie den massiven Druck der öffentlichen Meinung. Wir brauchen ein staatliches Institut für die Entwicklung und Zulassung neuer Antibiotika, damit die Antibiotika-Krise gelöst werden kann.
Weil in Europa und besonders in Deutschland Energie, Arbeit, Bürokratie und Umweltauflagen die Produktion teuer machen, haben Pharmakonzerne ihre Produktionen in Länder verlagert, in denen sie wesentlich billiger produzieren können. Das hat uns nicht nur abhängig von nicht immer zuverlässigen Lieferketten gemacht, sondern aus den Produktionsstätten gelangen immer wieder Antibiotika ins Abwasser. Darin töten sie Bakterien, die noch nicht resistent sind. Und das verschafft den wenigen Bakterien einen großen Vorteil, die aufgrund zufälliger Mutationen bereits resistent sind. So züchten die Hersteller neuer Antibiotika zugleich resistente Bakterien, die ihre lebensgefährlichen Fähigkeiten unkontrolliert weitergeben können. Darum sollten wir politisch bereit sein, neue Antibiotika in Europa und möglichst auch in Deutschland nicht nur zu entwickeln und zuzulassen, sondern sie auch hier unter streng kontrollierten Bedingungen zu produzieren.

In geringeren Mengen geben allerdings auch Patienten Antibiotika in die Umwelt ab und können dadurch ebenfalls zur Entstehung von Antibiotika-Resistenzen beitragen. In unseren Klärwerken sollte daher nach der groben Reinigung und vor dem Abbau schädlicher Substanzen durch Bakterien möglichst alle Medikamente einschließlich Antibiotika zerstört werden. Die zugeleiteten Bakterien müssen nicht unbedingt getötet werden, denn in den Bakterien vermehren sich auch die passenden Phagen. Schon Ernest Hanbury Hankin hat gezeigt, dass die Belastung mit pathogenen Bakterien in Flüssen nach ihrer Einleitung schnell abnimmt [BABJ].

Viele Patienten erleiden Amputationen oder sterben an multiresistenten Keimen, obwohl sie durch die natürlichen „Feinde“ der Bakterien gerettet werden könnten. Denn seit Milliarden Jahren vermehren sich in den potentiell unsterblichen Bakterien Phagen genannte Viren und töten dabei meistens ihre Wirtszellen. Der geniale Forscher Félix d’Herelle erkannte das bereits im frühen 20. Jahrhundert und erfand die Phagentherapie [BAAF], die vor der Verfügbarkeit der Antibiotika bei verschiedenen Epidemien erfolgreich eingesetzt wurde. Aber im Gegensatz zu Antibiotika tötet jeder Phage nur eine bestimmte Bakterien-Spezies. Um aus den hauptsächlich in Osteuropa vorhandenen Phagen-Sammlungen den passenden auszuwählen, muss man also den bakteriellen Krankheitserreger kennen. Oder man muss wie damals d’Herelle aus natürlich genesenden Patienten die Phagen isolieren, durch welche die Patienten geheilt werden [BAAF]. Während einer Epidemie kann man die rettenden Phagen auch aus dem Abwasser einer betroffenen Stadt gewinnen, wie es bereits Ende des 19. Jahrhunderts Ernest Hanbury Hankin tat, ohne allerdings die Natur der Phagen zu erkennen[BABJ].

Die Phagentherapie erfordert also mehr Wissen, Aufwand und oft auch mehr Zeit als die Antibiotika-Therapie. Bei einer sehr schnell tödlichen Sepsis hat man diese Zeit nicht und wird auch in Zukunft auf Antibiotika angewiesen bleiben. Aber bei vielen mit Antibiotika nicht mehr behandelbaren chronischen Infektionen könnten Patienten gerettet werden, wenn die Bundesregierung endlich die Phagentherapie zulassen und die Krankenkassen sie auch bezahlen würden. Aber das wird nicht passieren, solange das Wissen um die Phagentherapie nicht verbreitet ist sich Reiche einfach im Ausland behandeln lassen.
Eine Stärke der Phagentherapie ist der Einsatz gegen bakterielle Epidemien, weil man dann die rettenden Phagen im Abwasser findet. Ein großer Vorteil gegenüber Antibiotika ist, dass die heilenden Bakteriophagen nur die krankmachenden Bakterien töten und das für unsere Gesundheit so wichtige Mikrobiom unbeschädigt lassen. Außerdem haben Antibiotika und insbesondere die lebenswichtigen Reserveantibiotika oft schwerwiegende Nebenwirkungen. Die in mehr als einem Jahrhundert insbesondere in Osteuropa gesammelte Erfahrung hat gezeigt, dass dies bei der Phagentherapie nicht der Fall ist.