Schweizer Archiv für Tierheilkunde 2002; 144: 59-64

Dr. Ingrid Schütt-Abraham, 23.04.2002

Gliederung


Bibliographische Angaben

Gutzwiller, A. - Effect of colostrum intake on diarroea incidence in new-born calves - Schweizer Archiv für Tierheilkunde 2002; 144: 59-64

Meine Zusammenfassung des Artikels

Material und Methoden
In einem einjährigen Survey, der 22 erstgebärende und 51 ältere Kühe sowie ihre innerhalb dieser Zeit geborenen Kälber umfasste, wurde der Zusammenhang zwischen Durchfallrate, Kolostrumaufnahme und dem Gehalt an maternalen Antikörpern im Blut untersucht.

Die Kühe waren zwischen April und Oktober täglich auf der Weide, von November bis März im Stall. Die Kälber wurden unmittelbar nach der Geburt von der Mutter getrennt und während ihrer ersten 10 Lebenstage in Einzelboxen im Kuhstall aufgezogen. Sie erhielten innerhalb der ersten 6 Lebensstunden Kolostrum aus dem Erstgemelk und zwischen 8 und 12 Stunden später Kolostrum aus dem Zweitgemelk, danach täglich 2x Milch ihrer Mutter. Ermittelt wurden Kolostrum- und Milchaufnahme, Geburtsgewicht, Gewicht nach 10 Tagen sowie das Auftreten von Durchfall. Zusätzlich wurden Kolostrumproben vom ersten und zweiten Melken sowie Blutproben der zwischen zwei und vier Tage alten Kälber auf den Gehalt an Immunglobulin G untersucht.

Im Fütterungsversuch erhielten 60 Kälber, die in zwei aufeinanderfolgenden Winterhalbjahren geboren wurden, am ersten Lebenstag Kolostrum des Erst- und Zweitgemelks. Vom 2. - 10. Lebenstag erhielten 28 Versuchskälber zweimal täglich neben der Milch einen halben Liter des überschüssigen Kolostrums ihrer Mutter, die 32 Kontrollkälber nur Milch. Die insgesamt aufgenommene Milchmenge war in beiden Gruppen gleich. Kolostralmilchproben wurden unmittelbar nach dem Melken und nach zehntägiger Kühllagerung mit dem Radialdiffusionstestkit der Fa. Bindingsite/GB auf IgG und mittels HPLC auf den Gehalt an Vitamin A, E und ß-Carotin untersucht. Kotproben von 2 Versuchs- und 9 Kontrolltieren, die an Durchfall erkrankt waren, wurden auf enteropathogene E. coli, Rotaviren, Coronaviren und Cryptosporidien untersucht.

Ergebnisse
Survey
Mehr als ein Drittel der zwischen November und März geborenen Kälber litt innerhalb ihrer ersten 10 Lebenstage an akutem Durchfall, während bei zwischen April und Oktober geborenen kein solcher Fall auftrat. Die im Winter geborenen Kälber hatten geringere Gewichtszunahmen als die im Sommer geborenen. Demgegenüber unterschieden sich die IgG-Gehalte im Kolostrum und im Serum der Kälber sowie die Zahl der Kälber mit unzureichendem IgG-Gehalt im Sommer und Winter nicht.

Im Vergleich zu Kühen produzierten erstgebärende Kalbinnen Kolostrum mit signifikant niedrigeren IgG-Gehalten, und ihre Kälber wiesen dementsprechend niedrigere und signifikant häufiger unzureichende maternale Antikörpergehalte im Serum auf. Ihre IgG-Aufnahmefähigkeit war jedoch nicht reduziert und auch ihre Durchfallrate unterschied sich nicht von der Gruppe mit ausreichendem IgG-Gehalt. Kein Tier verendete innerhalb der ersten zehn Lebenstage.

Fütterungsversuch
Die gesammelte Kolostralmilch wies nach 10tägiger Lagerung bei 15 Grad C noch 90% des Ausgangs-IgG-Gehaltes, 85% des Vitamin A- Gehaltes und etwa 60% des ß-Carotin- und Vitamin E-Gehaltes auf. Im ersten Winterhalbjahr litten nur 2 der 17 Versuchs-, aber 8 der 18 Kontrollkälber an Durchfall, während im zweiten Winterhalbjahr bei keinem der 11 Versuchs-, aber bei drei der 14 Kontrollkälber Durchfall auftrat. Insgesamt wurde bei 2 der 28 Versuchs- und 11 der 32 Kontrollkälber Durchfall festgestellt, meist zwischen dem vierten und zehnten Lebenstag. Die Gewichtszunahme der Versuchskälber war signifikant höher als die der Kontrollkälber. Auch in diesem Versuch starb kein Tier in den ersten zehn Lebenstagen. In elf Kotproben von durchfallkranken Tieren konnten weder Rotaviren noch enteropathogene E.coli nachgewiesen werden. Neun Proben enthielten Cryptosporidien und drei Proben Coronaviren, in einer Probe wurden beide Erreger nachgewiesen.

Diskussion und Schlussfolgerungen

Der Survey konnte nicht belegen, dass die im Winterhalbjahr höhere Durchfallrate auf einen niedrigeren maternalen Antikörpergehalt im Kolostrum zurüzuführen wäre. Ursache scheint eher ein erhöhter Infektionsdruck im Winter aufgrund der Stallhaltung der Kühe und der Geburt der meisten Kälber zu sein. Die geringere Kolostrumqualität der Erstgebärenden führte bei ihren Kälbern zu einem niedrigeren Serumspiegel, erhöhte jedoch nicht die Durchfallrate.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass im Darm vorhandene Immunglobuline gegen virale Darminfektionen schützen und belegen, dass in der Praxis die überschüssige Kolostralmilch älterer Kühe bis zu 10 Tagen ohne wesentliche Qualitätsminderung gelagert und zur Durchfallprophylaxe bei neugeborenen Kälbern eingesetzt werden kann.

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


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