NR ASFE

AU Scholz,R.

TI Zur Infektiosität der spongiformen Encephalopathien

IA http://bse.ts-ag.de/BSE_MAIN.htm (nicht mehr zugänglich)

VT Zur Infektiosität der spongiformen Encephalopathien
Phänomene, Spekulationen, Hypothesen, aber keine Beweise
BSE:
eine infektiöse Rinderseuche, die die menschliche Gesundheit bedroht, oder eine Erbkrankheit unter Rindern, deren Häufigkeit sich durch Inzüchtung scheinbar epidemieartig vermehrt hat ?
Professor Dr. med. Roland Scholz
vormals Institut für physiologische Chemie, Physikalische Biochemie und Zellbiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München
Dieser Text basiert auf der Tischvorlage für das Seminar "Unsere tägliche Nahrung - gesund und natürlich?" veranstaltet vom Ausschuss "Umwelt und Gesundheit" des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes München am 15.11.1997 im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und vom Ärztlichen Bezirksverband Mainfranken am 24.10.1998 in Würzburg, unter Verwendung eines Beitrages zur Podiumsdiskussion "Rinderwahnsinn - Gefahr für die menschliche Gesundheit?", am 27.09.1996 im Klinikum rechts der Isar der TU München, veranstaltet im Rahmen des Bayerischen Ausbildungsganges für Umweltmedizin (BAUM), sowie von Skripten der Vorträge zu diesem Thema im Rahmen der Ringvorlesung "Medizin und soziale Verantwortung" an der Ludwig-Maximilians-Universität München von WS 1996/97 bis SS1998, erstmals publiziert in "Arzt und Umwelt", Zeitschrift des Ökologischen Ärztebundes, Februar 1997 mit einem im November 2000 aktualisierten Nachtrag
Allgemeine Vorbemerkungen
1. zur Infektiosität
Nach gängiger Lehrmeinung werden Krankheiten von kranken auf gesunde Lebewesen durch Organismen übertragen, die die Information zur Synthese ihrer eigenen (für den befallenen Körper aber fremde) Proteine in Form von Nukleinsäuren mitbringen.
Viren enthalten nur den Informationsträger (als DNA oder RNA); sie zwingen befallene Zellen, anhand dieser Bauvorlage die Virusproteine herzustellen.
Bakterien haben sowohl die Information als auch den Syntheseapparat zur Herstellung der Bakterienproteine.
Ein befallener Organismus (Säugetier) wehrt sich gegen die fremden Proteine mit Hilfe seines Immunsystems.
2. zur Biochemie der Proteine
Die Funktion von Proteinen hängt ab von ihrer Struktur, die gegeben ist durch ...
(a) die Aminosäuresequenz (genetisch determinierte Primärstruktur) und
(b) die räumlichen Anordnung der Peptidketten in Form einer Helix (schraubenförmige Anordnung) oder eines Faltblattes (wellblechartige Anordnung).
Die Aminosäuresequenz ist die Voraussetzung für eine spezifische Raumstruktur.
In der Regel kann sie aber nur hergestellt werden und erhalten bleiben, wenn andere Proteine dabei mitwirken ("Faltungshelfer" oder "Chaperone")
zu (a): Geringfügige Änderungen der Primärstruktur (Austausch einer Aminosäure als Folge einer Punktmutation der DNA im zugehörigen Gen) können eine völlig andere Raumstruktur und damit andere Eigenschaften bedingen (z.B. Funktionsverlust, Resistenz gegenüber abbauende Enzymen, Neigung zur Aggregation mit anderen Proteinmolekülen).
zu (b): Proteine können anderen Proteinen eine bestimmte Raumstruktur aufzwingen. Diese Fähigkeit ist nicht auf Chaperone beschränkt.
Beispiel: Die intrazelluläre Übertragung von Signalen - z.B. die Fortleitung des Insulinsignals von der Plasmamembran zum Zellkern, wo die Information zur Synthese bestimmter Enzyme abgerufen wird, - geschieht durch sukzessiv erfolgende Konformationsänderungen von Signalübertragungsproteinen, die u.a. durch Protein-Protein-Wechselwirkungen ausgelöst werden.)
Vorbemerkungen zu spongiformen Encephalopathien (SE)
3. zum Vorkommen bei Mensch und Tier
SE sind seltene, in Inzucht-Populationen jedoch gehäuft auftretende, degenerative Erkrankungen des Gehirns mit Störungen der Bewegungskoordination, bei Menschen gefolgt von Demenz, beschrieben als CJD (Creutzfeld-Jacob Disease), GSS (Gerstmann-Sträussler-Scheinker Syndrom), Kuru (bei Eingeborenen in Papua-Neu-Guinea) und LFI (Letale familiäre Insomnie = Schlaflosigkeit); bei Tieren beschrieben als BSE (bovine spongiform encephalopathy), Scrapie (Traberkrankheit der Schafe), TME (transmissible mink encephalopathy in Nerzfarmen), CWD (chronic wasting disease in Elchgehegen).
4. zur Histologie
Alle Formen der SE sind histologisch gekennzeichnet durch ...
- löchrige, schwammartige (deshalb "spongiform") Gewebsstrukturen in bestimmten Hirnarealen (unterschiedliche Areale, je nach SE-Form, mit daraus resultierender unterschiedlicher Symptomatik) mit Vakuolen (Löcher) in den Nervenzellen des betroffenen Hirnareals
- "amyloide Plaques": mehr oder weniger dicke Auflagerungen auf Nervenzellen, die aus fibrillären Proteinen bestehen, mit der Plasmamembran assoziiert sind und gegenüber Proteasen (Eiweiß-spaltende Enzyme) weitgehend resistent (d.h. ihr intrazellulärer Abbau durch lysosomale Proteasen und extrazellulärer Abbau, z.B. durch Verdauungsenzyme, ist erschwert)
- Akkumulation von Eiweiß-Aggregaten in den Lysosomen der Nervenzellen (das sind cytoplasmatische Organellen, in denen der intrazellulären Abbau zelleigener Makromoleküle im Rahmen ihres normalen "turnover" aus Aufbau und Abbau stattfindet);
- Fehlen von Anzeichen einer Immunreaktion (außer der Aktivierung von hirnspezifischen RES-Makrophagen = Mikroglia, die zum Abräumen toter Zellen benötigt werden).
Wichtig: Es gibt bei den spongiformen Encephalopathien (SE) keine immunologische Abwehrreaktion gegen das Eiweiß eines fremden Organismus. Die Eiweiß-Aggregate auf den Zellen (Plaques) und in den Zellen (Vakuolen) bestehen aus körpereigenem Eiweiß.
5. zu den Proteinen der "amyloiden Plaques"
Prusiner (San Francisco) und andere haben Anfang der 80er Jahre gezeigt, dass die amyloiden Plaques aus Aggregaten eines normalen Glykoproteins der Plasmamembran von Nervenzellen bestehe. Die Funktion seiner nativen Form ist nicht sicher bekannt. Zuerst wurde vermutet, dass es ein Rezeptor für Neurotransmitter oder ein CAM-Protein ist.
Die Aminosäuresequenz des Plaque-bildenden BSE-Proteins entspricht zur Hälfte der (-Kette des Acetylcholin-Rezeptors. CAM-Proteine "verkleben" Zellen miteinander.
Das Protein bindet Kupfer. Daraus wird neuerdings geschlossen, dass es entweder die Funktion eines Kupfer-Transporteurs hat, der die Kupfer-haltigen Enzyme (Superoxid-Dismutase im Cytosol, Cytochrom-Oxidase in den Mitochondrien) mit dem lebenswichtigen Kupfer versorgt, oder dass es selbst die Funktion einer Superoxid-Dismutase hat, die gefährliche Sauerstoff-Radikale im Extrazellulärraum vernichtet.
In seiner normalen Struktur ist dieses Protein aus mehreren Helices aufgebaut (schraubenförmige Anordnung der Peptidkette), die paarweise angeordnet und über unstrukturierte Peptidketten (Schleifen) miteinander verknüpft sind.
Es ist der typische Aufbau eines Membranproteins, z.B. die (-Untereinheit der Rezeptoren für Acetylcholin, GABA und andere Neurotransmitter.
Nach neueren Modellvorstellungen sollen 4 paarweise angeordnete Helices auf der Außenseite der Plasmamembran liegen. Eine weitere Helix verankert das Protein mit der Membran. Eine zusätzliche Verankerung geschieht über die Veresterung einer Aminosäure im Schleifenbereich mit einem Inositol-Phospholipid der Membran.
Wie alle Membranproteine macht auch das zur Plaque-Bildung neigende Glykoprotein einen Kreislauf zwischen Membran und Zellinnerem durch.
Es wird im endoplasmatischen Retikulum synthetisiert, im Golgi-Apparat glykosyliert und von dort zur Plasmamembran transportiert und eingebaut. Abschnitte der Plasmamembran schnüren sich ab und bilden Endosomen, in deren Innenraum die extrazellulären Proteinanteile ragen. Endosomen wandern zurück zur Plasmamembran, wo die fraglichen Proteine erneut ihre Funktion ausüben (Zyklus aus Invagination, Endocytose, Exocytose und Fusion).
Die Endosomen können auch mit Lysosomen verschmelzen, deren Verdauungsenzyme die Membranproteine zu Aminosäuren abbauen.
In der lebenden Zelle ist alles in Bewegung, nicht nur die Proteinmoleküle als Ganzes, auch ihre Raumstruktur verändert sich ständig. Zwei Helices des zur Plaque-Bildung neigenden Membranproteins können sich passager zu vier gegenläufigen Faltblättern umlagern. Das Gleichgewicht liegt aber weit auf der Seite der Helix-Form, die der energetisch günstigere Zustand ist.
Eine Besonderheit dieses Proteins scheint zu sein, das es immer dann, wenn es die Faltblatt-Form angenommen hat, mit einem anderen Protein der gleichen Art irreversibel aggregieren kann. Normalerweise verweilt es aber viel zu kurz in der Faltblatt-Form und die Wahrscheinlichkeit, dass das benachbarte Protein zufällig ebenfalls diese Form angenommen hat, ist gering, so dass die Aggregation ein äußerst seltenes Ereignis ist.
Aber auch die Folgen seltener Ereignisse können sich im Laufe des Lebens anhäufen und zur Alterung des Gehirns beitragen.
6. zum Polymorphismus des Plaque-bildenden Membranproteins der Nervenzellen
Das Umklappen in die Faltblatt-Form findet um so häufiger statt, je stärker infolge minimaler Änderung der Aminosäuresequenz die Helix-Form labilisiert ist (d.h. wenn sie nicht mehr der energetisch eindeutig günstigere Zustand ist) und dadurch das Gleichgewicht von der Helix- zur Faltblatt-Form verschoben ist. Vorausgegangen sein muss eine Punktmutation in der DNA des zugehörigen Gens, die entweder ererbt wurde oder die - weniger wahrscheinlich - aufgrund von mutagenen Noxen (cancerogene Schadstoffe und energiereiche Strahlung natürlichen oder anthropogenen Ursprungs) entstanden ist.
Eine erworbene Mutation müsste allerdings in einer sehr frühen Phase der Hirnentwicklung gesetzt worden sein, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem sich aus einer mutierten Nervenzelle noch ein Zellklon entwickeln konnte; denn eine beschleunigte Plaque-Bildung muss viele Zellen treffen, wenn die Veränderungen eine krankmachende Bedeutung haben sollen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit gibt es in einer Population Individuen, bei denen dieses Membranprotein verändert ist; denn nahezu alle Proteine zeigen einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Polymorphismus.
Der Polymorphismus der Proteine entsteht durch Punktmutationen, die zum Austausch einzelner Aminosäuren führen, ohne dass dadurch die Proteinfunktion gravierend beeinträchtigt sein muss. Zum Beispiel sind beim Hämoglobin bislang fast 500 Varianten aufgedeckt worden, die meisten mit normaler Hämoglobinfunktion. Bei der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase sind 200 Varianten bekannt; nur wenige führen spontan zu hämolytischen Anämien; viele schwächen allerdings den Erbmalsträger in seiner Auseinandersetzung mit bestimmten Umweltnoxen.
Je nach Art einer solchen Mutation kann daraus ein unterschiedlicher Grad der Gleichgewichtsverlagerung und eine unterschiedliche Neigung zur Plaque-Bildung resultieren.
Die genetische Disposition zu vorzeitigem Altern bis hin zu schweren Formen von degenerativer Encephalopathie lässt sich möglicherweise mit den vorstehend beschriebenen Vorgängen erklären.
7. zur Vererbung des zur Plaque-Bildung neigenden Proteins
Prusiner und Hsiao konnten 1988 erstmals zeigen, dass die fraglichen Membranproteine in der Tat mutiert waren, wenn es zur ausgeprägten Plaque-Bildung kam. Bei einem verstorbenen GSS-Patienten, in dessen Familie GSS mehrfach aufgetreten war, entdeckten sie im Gen für das Plaque-bildende Protein eine Punktmutation. Im Codon 102, das normalerweise die Aminosäure Leucin codiert, war die Base Thymin gegen Cytidin ausgetauscht, so dass es jetzt Prolin codierte.
Andere Forscher konnten später zeigen, dass das gegen Leucin ausgetauschte Prolin sich in einer der Schleifen befindet, und zwar unmittelbar benachbart einer Helix. Offensichtlich wird durch den Einbau von Prolin die helicale Struktur labilisiert und das Gleichgewicht auf die Seite der Faltblatt-Form verschoben.
Prolin gilt als "Helix-Brecher"; es bewirkt in der Peptidkette einen scharfen, haarnadelförmigen Knick, durch den die Ausbildung einer helikalen Struktur behindert wird.
Inzwischen wurden in mehreren Familien mit CJD- und GSS-Patienten ähnliche genetische Defekte mit Aminosäurenaustausch im Schleifenbereich der Plaque-bildenden Membranproteine gefunden (bis 1995 insgesamt 18 verschiedene Mutationen), desgleichen bei Scrapie-Schafen und bei BSE-Rindern.
Je nach Art der Anomalie in der Aminosäuresequenz ist die Neigung zur Plaque-Bildung unterschiedlich ausgeprägt und dementsprechend auch der Zeitpunkt des Auftretens, des Verlaufs und des Schweregrades einer spongiformen Encephalopathie.
Fazit: Spongiformen Encephalopathien liegt ein genetischer Defekt zugrunde.
8. zur Plaque-Bildung
Eine weitere Besonderheit dieses Membranproteins scheint zu sein, dass die Aggregate (Dimere oder Oligomere) andere Proteinmoleküle der gleichen Art zum Umklappen in die Faltblatt-Form zwingen, so dass diese sich dem bestehenden Aggregat anlagern. Die Plaque-Bildung wird somit allmählich beschleunigt. Es bilden sich immer mehr und immer schneller die unlöslichen, Protease-resistenten Fibrillen. Dementsprechend nehmen auch die Funktionsstörungen zu.
Die Faltblattstruktur ist die Ursache für Aggregation, Unlöslichkeit und Protease-Resistenz der Plaques sowie für die Vakuolen-Bildung.
"Wellbleche" lassen sich passgenau aufeinanderlagern und sind weniger gut verschieblich als "Schrauben", deshalb die Plaque-Bildung.
In "Wellblech-Strukturen" sind Peptidbindungen schwer zugänglich für die spaltenden Enzyme. Die Plaques können deshalb nur langsam durch intra- oder extrazelluläre Proteasen, z.B. in Lysosomen, verdaut werden.
Beim Kreislauf der Membranproteine zwischen außen und innen und dem lysosomalen Abbau der "ausgedienten" Proteine bleiben die aggregierten Proteine innen liegen. Sie häufen sich in den Lysosomen an, die sich vergrößern und eine Vakuole bilden, was schließlich zum Tod der Nervenzelle führt.
9. zur Prionen-Hypothese nach Prusiner
Die Umlagerung in die Faltblattstruktur mit nachfolgender Aggregation und Plaque-Bildung erfolgt zunächst spontan und wird dann durch Dimere oder Oligomere propagiert. Stabile Oligomere können sich von der Plasmamembran lösen, auf eine benachbarte Zelle übergehen und dort den Prozeß der Umlagerung und Aggregation auslösen. Gelangen stabile Oligomere in einen anderen Organismus (der gleichen oder einer nahe verwandten Art), so lösen sie auch dort den Prozeß der Umlagerung und Aggregation aus. Sie sind der Keim, von dem ausgehend die Plaque-Bildung aus körpereigenen Membranproteinen erfolgt.
Experimentell ist dies möglich, indem man Extrakte aus dem Gehirn von Tieren, die an einer spongiformen Encephalopathie erkrankt sind, direkt in das Gehirn gesunder Tiere injiziert (i.c. = intracerebrale Injektion). Nach mehr oder längerer (oftmals mehrjähriger) Inkubationszeit erkranken diese ebenfalls an einer SE. Offensichtlich haben einige Aggregate die richtige Größe, um im fremdem Gehirn ebenfalls die Umlagerung auszulösen. Einmal angestoßen, läuft dort der Prozess mit körpereigenen Proteinen weiter, bis nach langer Zeit die SE-Symptome auftreten.
Wegen der Fähigkeit, krankmachende Eigenschaften durch ein Fremdprotein nach intracerebraler Injektion zu induzieren, beschrieb Prusiner die auslösenden Moleküle als proteinaceous infectious organisms; daraus wurde " P r i o n ". Das körpereigene Protein, dessen Konformationsänderung ein Prion induzieren kann und das diesem nahe verwandt ist, nannte er P r i o n p r o t e i n (PrP , Prusiner, 1982, in Science 216:136).
Um zwischen der nativen, funktionstüchtigen und der umgelagerten, aggregierten Form zu unterscheiden, hat sich für das normale Protein das Kürzel PrPc (c für cellular) und für das körpereigene, aber in seiner Konformation veränderte Protein das Kürzel PrPscr (scr für scrapie) eingebürgert.
10. zur Verwandtschaft von körper-eigenem Prionprotein (PrPc) und körper-fremden Prion (PrPscr)
Das Umlagern (PrPc -> PrPscreigen) durch ein Prion (PrPscrfremd) aus einem fremden Organismus gelingt umso leichter, je labiler bereits die helicale Struktur im Protein des Empfängers (PrPc) ist. Diese Labilität - für sich allein - muss nicht unbedingt das Gleichgewicht schon so stark verschieben, dass der Empfänger erkranken würde. Jedoch nach einem Anstoß von außen (z.B. durch intracerebrale Injektion von PrPscr fremd) kommt diese Labilität zum Tragen und der Empfänger erkrankt.
Das Umlagern gelingt um so leichter, je ähnlicher Prionprotein (PrPc) und Prion (PrPsc) in ihrer Aminosäuresequenz sind (also je größer die Verwandtschaft ist).
Das heißt:
(a) Innerhalb einer Art sind nahe Verwandte besonders empfindlich gegenüber intracerebral injizierten Hirnextrakten von erkrankten Tieren der gleichen Familie. In einer Rinderrasse sind es diejenigen Individuen mit dem gleichen Polymorphismus des PrPc.
(b) Bei experimenteller Übertragung über die Artgrenzen hinweg erkranken Tiere um so rascher, je enger die phylogenetische Verwandtschaft von Donor und Empfänger ist.
Dazu einige Beobachtungen und Experimente:
(1) Extrakte aus den Gehirnen von an Scrapie erkrankten Schafen wurden anderen Schafen intracerebral injiziert. Diejenigen, deren Genotyp in den Codons 136 und 171 homozygot war (Valin/Valin und Glutamin/Glutamin), erkrankten bereits nach 6 Monaten an Scrapie, die Heterozygoten jedoch erst nach 12 Monaten.
(2) Wurden BSE-Extrakte aus Rinderhirn in das Gehirn von Schafen injiziert, so erkrankten nach langer Inkubationszeit (2 Jahre und länger) nur die mit dem Genotyp Glutamin/Glutamin im Codon 171 an einer spongiformen Encephalopathie, während die Schafe mit dem häufigeren Genotyp Glutamin/Arginin auch nach 3 Jahren noch gesund waren.
(3) Von den 250 Aminosäuren des fraglichen Membranproteins unterscheiden sich Schafe und Rinder in 7, Primaten und Rinder in 16 Aminosäuren. Nach Injektion von BSE-Extrakten in Gehirne von Schafen und Primaten waren die Zeiten bis zum Ausbruch einer Encephalopathie bei Schafen kürzer als bei Primaten.
11. zur Herkunft der durch ein Prion-induzierten SE-Plaques:
Einmal durch ein artifiziell eingebrachtes Fremdprotein angestoßen, nehmen die entsprechenden körpereigenen Proteine nach und nach die abnorme Struktur an und aggregieren. Die Plaques, die dann sich ausbilden, bestehen ausschließlich aus körpereigenem, nicht aus dem fremden Protein.
Dazu wiederum einige Beobachtungen und Experimente:
(1) Nach intracerebraler Injektion eines Rinder-SE-Extraktes bestehen die Plaques im Hirn des Versuchstieres (z.B. Ratte, Maus, Schaf) aus körpereigenen Membranproteinen des jeweiligen Empfängers, nicht aus denen des Rindes (zu erkennen an der Nager- oder Schaf-typischen Aminosäure-Sequenz).
(2) Sog. knockout-Mäuse, denen das Gen für das fragliche Membranprotein entfernt worden war, bilden nach intracerebraler Injektion eines "infektiösen" Fremdproteins keine Plaques.
(3) Wenn man knockout-Mäusen das Gen für das menschliche Membranprotein einpflanzte, dann bilden sie nach intracerebraler Injektion eines Hirnextraktes von SE-Rindern Plaques aus menschlichem Protein.
(4) Transgene Mäuse, die mehrere Kopien des Gens für das fragliche Membranprotein haben, bekommen rascher eine SE als normale Mäuse.
"Infektiosität" bedeutet bei Prionen nicht die Synthese von Fremdproteinen entsprechend einer übertragenen Information (wie bei Viren und Bakterien), sondern die Umstrukturierung körpereigener Proteine entsprechend der Raumstruktur des übertragenen Fremdproteins.
"Infektiosität" der spongiformen Encephalopathien
12. zum "Krankheitserreger"
Ein Erreger für spongiforme Encephalopathien, der seine krankmachende Information mittels Nukleinsäuren überträgt, wurde bislang nicht gefunden.
Extrakte aus Gehirnen BSE-erkrankter Rinder behielten auch nach intensiver Vorbehandlung mit Nukleasen (Enzyme, die Nukleinsäuren abbauen) ihre Infektiosität.
Fazit: Eine Übertragung durch Bakterien oder Viren ist unwahrscheinlich.
13. zur Frage, ob spongiforme Encephalopathien Erb- oder Infektionskrankheiten sind
Der wissenschaftliche Streit, ob vererbt oder infektiös, schwelt seit Jahrzehnten.
In den 60er Jahren hieß es, "natural scrapie is a genetic disease that could be eradicated by proper breeding protocols" (Demnach wäre das gehäufte Auftreten in Schafherden ein Inzucht-Problem.) "A transmission by inoculation" (d.i. intracerebrale Injektion) "is of importance primarily for laboratory studies, but of little consequence in nature" (Parry 1962 in Scrapie Disease und 1983 in Heredity).
Andere Autoren vertraten die Ansicht, "natural scrapie is an infectious disease", jedoch mit der Einschränkung "the host's genes modulate the susceptibility to an endemic infectious agent" (Dickinson1965, in Heredity; zitiert nach S.B.Prusiner, 1991, Molecular Biology of Prion Diseases in Science 252:1515-1522).
14. zum "autoritären" Beweis:
Spongiforme Encephalopathien sind übertragbar; folglich sind sie Infektionskrankheiten
Der Streit "Vererbung oder Infektion" wurde gewissermaßen autoritär entschieden.
In seiner Nobel prize lecture 1976 erklärte D.C.Gajdusek die damals bekannten spongiformen Encephalopathien bei Mensch (Kuru, CJK, Alzheimer) und Tier (Scrapie u.a.) zu "slow virus infections", verursacht durch "unconventional viruses". Der Beweis war der angebliche Rückgang von Kuru, nachdem die Regierung von Papua-New-Guinea den Ureinwohnern den rituellen Kannibalismus verboten hatte. (D.C.Gajdusek, 1977, Unconventional Viruses and the Origin and Disappearance of Kuru in Science 197:943-960).
Kuru ist eine neurodegenerative Erkrankung ähnlich CJD, die bei den ca. 40.000 Ureinwohnern im zentralen Hochland von Papua-New-Guinea (Fore people) vorkommt und dort Menschen in jedem Lebensalter, auch Kinder, befällt. Kuru war zunächst als Erbkrankheit angesehen worden, weil es nur in bestimmten Dörfern und dort familiär gehäuft auftritt. Gajdusek, ein Virologe, brachte nach einem längeren Aufenthalt bei den Fore people Kuru in Zusammenhang mit deren kannibalische Riten. Um das Weiterleben eines Verstorben in seinen Kindern zu ermöglichen, aßen diese bei den Beerdigungsritualen sein Gehirn. Viele erkrankten später an Koordinationsstörungen (Unfähigkeit zu gehen etc.) und starben an der Krankheit, an der auch Vater oder Mutter verstorben waren. Nachdem er Gehirnmaterial eines an Kuru Verstorbenen einem Schimpansen intracerebral injiziert hatte, dieser nach 18 Monaten starb und histopathologisch die Zeichen einer SE hatte, war für Gajdusek der Beweis einer oral übertragbaren Viruskrankheit erbracht. Bei der Regierung von Papua-New-Guinea setzte er ein Verbot des rituellen Kannibalismus durch. Die Kuru-Krankheit trat daraufhin angeblich seltener auf.
Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit, staatlicherseits solch ein Verbot durchzusetzen und Sterbestatistiken (vorher/nachher) zu führen, drängen sich auf, wenn man die Bilder aus Gajduseks Stockholmer Vortrag sieht. Sie zeigen die Lebensumstände der Fore people, fernab einer modernen Zivilisation. Das Verbot, jahrhundertealte Riten fortzuführen, wird wohl auf Unverständnis gestoßen sein. Auch ist undenkbar, dass in den Dorfgemeinschaften ein Behördenvertreter Geburten und Todesfälle über Jahre hinweg registrierte. Was jedoch in einem Nobelpreis-Vortrag gesagt wird, ist sakrosankt und wird nicht hinterfragt.
Von nun an waren spongiforme Encephalopathien Infektionskrankheiten, die oral übertragbar sind, auch wenn der Erreger nicht gefunden wurde.
Die naheliegende Erklärung, dass hinter der familiären Häufung von Kuru sich eine Erbkrankheit verbirgt, so wie später Prusiner es für einen Fall von GSS zeigen konnte, wurde nicht mehr diskutiert. (Roma locuta, causa soluta! Dieser Satz gilt auch in den Naturwissenschaften. Mit der Entscheidung des Nobel-Preis-Komittees war auch ein wissenschaftlicher Streit entschieden!)
Als 1987 in Großbritannien die BSE-Epidemie sich abzuzeichnen begann, stand von Anfang an fest, dass es sich um eine Infektion handeln muss. Auf der Denkschiene "Erreger" wurde argumentiert und geforscht. Dass vor Gajduseks Nobel-Preis auch "Vererbung" zur Diskussion stand, schien vergessen zu sein. Doch kein Virus, auch kein "unconventional virus" war greifbar.
Da bot sich als Lösung Prusiners damals noch wenig beachtete Prionen-Hypothese an:
Die Infektion war erfolgt durch einen neuartigen Erreger, der kein Virus ist, sondern ein Protein. Zum infektiösen Agens wurde ein Protein im Futter erklärt, das "gesunden" Proteinen seine "krankmachende" Struktur aufzwingt. Die Information kommt nicht, wie sonst, als Nukleinsäure in den Körper, sondern als Raumstruktur.
Eine Sensation war geboren! Prionen waren in aller Munde und wurden bald in den Medien als nobelpreiswürdig gehandelt.
Niemand schien zu stören, was hier unter Mißachtung sämtlicher Erkenntnisse aus Proteinchemie und Physiologie spekuliert wurde: Das Prion-Protein behält auch nach Erhitzen und Passage durch den Magen-Darmtrakt seine krank-machende Struktur. Es wird also nicht bei Temperaturen über 80° denaturiert; es ist außerdem völlig resistent gegenüber Eiweiß-spaltenden Verdauungsenzymen, (allein die Spaltung einer einzigen Peptidbindung würde das Protein denaturieren). Es gelangt mit kompletter Aminosäuresequenz und, mehr noch, mit seiner nativen Raumstruktur ins Blut und von dort über die Blut-Hirnschranke ins Gehirn. Obwohl körperfremd wird es vom Immunsystem nicht erkannt.
Zugegeben, unser Wissen ist begrenzt und am Anfang großer Entdeckungen standen meist Phänomene, die sich zunächst nicht mit den bekannten Wissenstand erklären ließen. Dennoch sollte man munteren Spekulationen mit Skepsis begegnen. Im Falle der BSE-Epidemie hieße das: Zuerst überprüfen, ob das krank-machende Agens wirklich aus dem Futter kommt. Solange das nicht geklärt ist, sollte kein Anlass bestehen, sichere Erkenntnisse aus Proteinchemie und Physiologie über den Haufen zu werfen.
Anmerkung: Prusiner erhielt 1997 den Nobelpreis für seine Hypothese zur Entstehung altersdegenerativer Krankheiten (zwar noch eine Hypothese, aber dennoch eine brilliante Idee, inzwischen auch experimentell gut begründet), jedoch nicht für die Aufklärung der BSE-Epidemie als einer durch orale Übertragung entstandenen Erkrankung.
15. zur experimentellen Übertragbarkeit
Im Tierexperiment werden spongiformen Encephalopathien - innerhalb einer Art und über die Artgrenzen hinweg - durch Injektion von Extrakten aus Gehirnen erkrankter Tiere direkt in die Gehirne gesunder Tiere (intracerebrale Injektion) übertragen.
In der Literatur finden sich kaum Hinweis, welche Folgen diese brutale Art der Applikation hat und wie sie das Versuchsergebnis beeinflußt. Man bedenke: große Mengen eines Fremdproteins werden direkt in das Gehirn injiziert. Das muss neben Gewebsläsionen und Blutungen auch massive Immunreaktionen auslösen. Lediglich in einer Arbeit wird eingestanden, dass die Traumatisierung der Versuchstiere wohl erheblich ist, indem die Autoren anmerken, sie haben die Tiere, die in den ersten beiden Monaten "am Trauma der intrazerebralen Injektion verstorben" seien, nicht bei der Statistik berücksichtigt. Ob ein Tier 2 Jahre später an SE erkrankt, entscheidet das histologische Bild. Wie sicher aber lassen sich - angesichts solch einer Vorgeschichte - die morphologischen Veränderungen (amyloide Auflagerungen, vakuolisierte und abgestorbene Hirnzellen) durch Traumatisierung von denen unterscheiden, die man den Prionen anlastet.?
Die intracerebrale Injektion mag von wissenschaftlichen Interesse sein; für eine Anwort auf die Frage nach der Infektiosität spongiformer Encephalopathien ist sie jedoch irrelevant.
Relevant wären allein Experimente zur oralen Übertragung. Doch hierzu gibt es nur wenige Veröffentlichungen mit spärlichen Daten. Dennoch wird in Übersichtsarbeiten ständig behauptet, der orale Weg der oralen Übertragung sei bewiesen, sowohl durch die Erfahrungen bei den Eingeborenen in Papua-Neu-Guinea als auch tierexperimentell.
16. zur oralen Übertragbarkeit
In einer gewichtigen Publikation mit dem Titel "Transmission dynamics of BSE", erschienen in NATURE, August 96, veröffentlicht von 15 Autoren aus 5 Instituten, die seither oft als state of the art zitiert wird und auf die jeder sich beruft, der die gesundheitlichen Gefahren beim Verzehr von BSE-kranken Rindern beschwört, steht lapidar: "The oral route of infection has been demonstrated experimentally" unter Bezug auf 2 Literaturstellen (8,9), beide veröffentlicht in "Veterinary Records", 1993: Zitat (8): Verfütterung von Hirnmaterial aus den Gehirnen von 4 an BSE verstorbenen Kühen: 10 Mäuse vom Inzuchtstamm C57B und 8 Mäuse vom Inzuchtstamm CRH fraßen über 7 Tage hinweg je 9 g Rinderhirn. Von den 10 C57B-Mäusen starben 5 nach 14 bis 17 Monaten und hatten vakuolisierte Zellen im Gehirn; 5 hatten auch nach 2 Jahren keine histopathologischen SE-Zeichen. Die 8 CRH-Mäuse wurden 2 Jahre nach der Fütterung getötet; histologisch wurden keine SE-Zeichen entdeckt. Trotz dieses nicht eindeutigen Ergebnisses mit Hirnmengen, die annähernd dem Körpergewicht der Mäuse entsprachen (extrapoliert auf den Menschen wären es 100 kg Gehirn von BSE-Rindern gewesen), heißt es in Diskussion und Zusammenfassung: "The ingestion of infective brain material is likely to be the major mode of transmission of spongiforme encephalopathies." In der gleichen Arbeit wurde auch gezeigt, dass nach Verfüttern von Milch, Milz, Plazenta und Lymphknoten aus BSE-Rindern keine Maus mit SE-Zeichen verstarb.
Zitat (9): Verfütterung von Extrakten aus dem Gehirn von BSE-Rindern, entsprechend 0,5 g Gehirn, an Schafe: Von 6 Schafen einer Herde, in der gelegentlich Scrapie aufgetreten war, verstarb je ein Schaf nach 18 und 33 Monaten; sie hatten im histologischen Bild die Zeichen einer SE. Von 6 Schafen einer Herde, die 25 Jahre lang von Scrapie verschont worden war, verstarb nach 25 Monaten ein Schaf mit SE-Zeichen.
Wenn man bedenkt, wie häufig spongiforme Enzephalopathien bei Schafen auftreten, ist 2 von 6 bzw. 1 von 6, insbesondere nach 2 Jahren, kein überzeugend positives Ergebnis. Es ist nicht einmal ein Hinweis auf die Möglichkeit einer oralen Übertragbarkeit. Um Zufallsergebnisse auszuschließen, hätte man mindestens die zehnfache Zahl an Versuchstieren einsetzen müssen.
Fazit:
Die Übertragung spongiformer Encephalopathien ist ein artifizielles Phänomen (intracerebrale Injektion von Hirnextrakten). Eine Übertragung über den Nahrungsweg ist nicht eindeutig bewiesen und eher unwahrscheinlich.
Die Diskussion nach dem Vortrag eines Mitarbeiters Prusiners im Sommer 1997 in München mag illustrieren, wie wenig im Zentrum der Prionen-Forschung den Fragen (a) nach der Traumatisierung durch intracerebrale Injektion und (b) nach dem oralen Übertragungsweg nachgegangen wurde.
Frage zu (a): "Welche Immunreaktionen haben Sie in den ersten Wochen nach intracerebraler Injektion von Hirnextrakten bei den Mäusen beobachtet?" "Es gab keine Immunreaktionen."
Frage zu (b): "Konnten Sie die Mäuse auch auf oralem Wege mit Hirnmaterial infizieren?" "Selbstverständlich; das funktioniert genauso gut." "Mir ist entgangen, wo dar Arbeitskreis Prusiner das publiziert hat." "Ich glaube, wir haben das nicht publiziert. Das erschien uns zu trivial. Aber warum fragen Sie?" "Der Nachweis einer oralen Übertragung ist doch der crucial point für die Behauptung, die BSE-Epidemie sei durch Tiermehl-Verfütterung ausgelöst. Nur wenn bewiesen ist, dass eine orale Übertragung möglich ist, müssten wir uns sorgen, es könne durch Verzehr von britischem Fleisch zu einer menschlichen SE-Epidemie kommen." "Aber die Engländer haben doch bewiesen, dass man auch oral infizieren kann." Und dann verwies der Referent den Frager auf die beiden o.g. Literaturstellen (8,9).
17. zur Übertragung über die Artgrenzen hinweg
Eine SE-Übertragung durch intracerebrale Injektion bei Labortieren benötigt lange Inkubationszeiten (etwa 3 Monate bei Maus auf Maus); sie ist umso länger, je weiter voneinander entfernt Donor und Empfänger in der phylogenetischen Verwandtschaft sind (15 Monate bei Maus auf Hamster; mehr als 3 Jahre bei Rind auf Primaten). Die ohnehin schon schwierige experimentelle Übertragung innerhalb einer Art ist noch schwieriger und langwieriger, wenn eine Übertragung über die Artgrenzen hinweg versucht wird.
Die BSE-Epidemie in Großbritannien
18. zum Verlauf der Epidemie, zeitlich und räumlich
Nach sporadischen BSE-Fällen in Großbritannien (früher weniger als 20 pro Jahr) begann die Epidemie im Jahre 1987 mit 50 registrierten BSE-Fällen; sie erreichte ihren Höhepunkt 1992 mit 40.000 Fällen. Seit 1993 gehen die Erkrankungszahlen allmählich zurück. 1999 waren es aber noch mehr als 6000 Fälle. Der Rückgang wird mit dem 1988 erlassenen Verbot einer Verfütterung von Tiermehl an Rinder durch die britische Regierung erklärt. Seit der gleichen Zeit werden aber auch rigoros Rinder aus Herden, in denen BSE aufgetreten ist, ausgemerzt.
Nicht alle Rinderherden waren betroffen, sondern vorwiegend die Herden von auf Höchstleistung gezüchteten Milchkühen - und das nur in bestimmten Regionen des Landes. Betroffen ist vor allem Südengland, weniger Mittelengland, und fast nicht Wales und Schottland. Das Auftreten scheint an die County-Grenzen gebunden zu sein; denn Counties mit sehr hohem BSE Befall grenzen oftmals direkt an Counties mit sehr geringem Befall.
Nicht alle Herden sind befallen: Von den Milchkuh-Herden sind es 14%, von den Fleischrinder-Herden nur 0,3%. 92% aller BSE-Fälle traten in einer einzigen Rinderrasse auf (Frisian/Holstein) - obwohl alle Herden ausnahmslos mit Tiermehl gefüttert wurden, nicht anders als die Rinderherden auf dem europäischen Kontinent).
Anmerkung: BSE tritt nicht vor dem 3. Lebensjahr der Rinder auf; das Maximum der Erkrankungshäufigkeit liegt im 4. und 5. Lebensjahr - in einem Alter, das die auf Fleischproduktion gezüchteten Rinder nicht erreichen. Allerdings trifft das nicht zu für die Muttertiere der Fleischrinder, die ohne weiteres ein hohes Alter erreichen können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die BSE-Prävalenz der Milchkühe altersbedingt ist.
Wenn eine Herde betroffen war, dann erkrankten vorwiegend die Tiere aus eigener Zucht (d.h. Mutter aus der Herde, Vater ein Bulle aus der Besamungsanstalt), weniger die Rinder, deren Mütter aus anderen Herden zugekauft waren (deren Vater jedoch ebenfalls der Bulle aus der gleichen Anstalt war).
19. zur Verfütterung von Kadavern ("Tier- und Knochenmehl") als "Kraftfutter"
Die Praxis, tierische Kadaver an Pflanzenfresser zu verfüttern, ist kein Spezifikum für Großbritannien, sondern gängige Praxis in Europa und in den USA. Alle Tierkadaver (Hunde, Katzen, an Scrapie erkrankte Schafe etc.) und alle nicht verwertbaren Abfälle aus den Schlachthäusern (Knochen, Sehnen, Häute, Innereien) werden in Tierverwertungsanlagen aufbereitet: aus den extrahierten Fetten werden Kosmetika (Seifen etc.), aus Eiweiß und Knochen werden Futtermittel hergestellt.
Zusammen mit der Züchtung von Tieren, die eine rasche Fleisch- und hohe Milchproduktion garantieren, stieg der Verbrauch von Futtermitteln mit hohem Eiweißgehalt (aber unappetitlicher Herkunft); denn eine auf Höchstleistung getrimmte Eiweißproduktion (Milch, Fleisch) verlangt nach eiweißreichem Futter (Sojamehl, Tiermehl).
Mit der Tiermehlverfütterung an Wiederkäuer begann man bereits um 1900. Sprunghaft stieg die Produktion von Tiermehl nach dem ersten Weltkrieg an. Derzeit werden etwa 11 Millionen Tonnen pro Jahr in der EU produziert, davon 3,0 in Frankreich, 1,7 in Italien, 1,6 in Deutschland, 1,3 in Großbritannien, 1,3 in Benelux, 1,1 in Spanien, 0,7 in Dänemark. In Deutschland ist erst seit 1939 eine rigorose Vorbehandlung des Tiermehls (Erhitzung auf 130° 20 min bei 3 atü) vorgeschrieben; nur in Österreich und in der Schweiz gibt es ähnlich strenge Verordnungen. Für die 40 privatwirtschaftlich betriebenen Fabriken in Frankreich, zum Beispiel, gibt es keine Regelung. Oberste Devise ist dort lediglich: Es darf nicht stinken.
20. zum Tiermehl als angebliche Ursache der BSE-Epidemie in Großbritannien
Der Epidemie war um 1980 die Privatisierung der britischen Kadaverindustrie vorausgegangen. Aus Kostengründen wurde damals die Verarbeitungstemperatur gesenkt und ein Extraktionsschritt mit Lösungsmitteln eingespart. Dieser Umstand wurde zum Verursacher der Epidemie erklärt. Daraufhin wurde 1988 die Verfütterung von Tiermehl an Rinder verboten. Der Rückgang der Erkrankungszahlen 5 Jahre später wird heute als Beweis für die Tiermehl-Hypothese gewertet, für die - außer den zeitlichen Korrelationen - sich keine weiteren Argumente anführen lassen.
Der Rückgang nach 1993 kann dadurch verursacht sein, dass nach 1988 Herden, in denen BSE-Fälle aufgetreten waren, nicht mehr zur Zucht herangezogen bzw. dass BSE-verdächtige Kühe in großer Zahl getötet wurden.
Die Behauptung, die Tiermehlverfütterung sei die Ursache der BSE-Epidemie, weil auf diesem Wege der Scrapie-Erreger aus Schafen in die Nahrung der Kühe gelangt sei, wird in offiziellen Verlautbarungen und Übersichtsarbeiten regelmäßig mit 2 Publikationen von Wilesmith et al. aus The Veterinary Record, 1991 (p.199-203) und 1992 (p.90-94) belegt. Darin wird jedoch nur eine Vermutung geäußert und im übrigen dargelegt, wann und wie der Prozess der Tierkörperverwertung geändert wurde und wann die BSE-Epidemie (mit Zahlen, die über das ganze Land gemittelt sind) begann. Nicht angesprochen werden Lage, Einzugs- und Versorgungsgebiet der 19 britischen Kadaverfabriken und wie dies mit dem regionalen Auftreten von BSE korreliert.
Um zu beweisen, dass es wirklich das Tiermehl war, hätte man zum Beispiel eine Herde teilen und die eine Hälfte mit, die andere ohne Tiermehl bei sonst gleichen Bedingungen aufziehen und für einige Jahre beobachten müssen.
Das ist nicht geschehen!
Meines Wissens gibt es keine systematischen Fütterungsversuche von Subpopulationen in Rinderherden, zumindestens wurde darüber bislang nicht berichtet.
Frage: Wenn die BSE-Epidemie mit der Verfütterung von Tiermehl zusammenhängt, warum ist sie nicht schon viel früher aufgetreten und warum bislang vor allem in Großbritannien und warum dort nur in bestimmten Regionen?
In der Schweiz sind von den bislang erkrankten Rindern (bis 1996 insgesamt 220 Fälle) viele nach dem totalen Importverbot für britisches Tiermehl geboren, darunter etliche, die angeblich garantiert nicht mit derartigem Futter in Verbindung gekommen sind.
Seit 1998 werden Fälle von BSE auch in Frankreich registriert, mit rasch steigender Tendenz (fast 100 Fälle in 1999). Bei den strengen Importbestimmungen der französischen Regierung ist es unwahrscheinlich, dass britisches Tiermehl, das aus den Kadavern von (schottischen) Scrapie-Schafen hergestellt wurde, die Ursache ist.
Fazit: Die Korrelation der BSE-Epidemie mit der Kadaver-Verfütterung (Zeitpunkt von Auftreten und Abklingen der Epidemie, Senkung der Verarbeitungstemperatur, Verfütterungsverbot) kann zufällig sein. Eine Kausalität ist nicht zwingend.
BSE - ein Inzucht-Problem ?
21. zur BSE-Übertragung von Mutterkuh auf Kalb
Es wurde 1996 berichtet, dass Kälber von BSE-kranken Kühen später anfällig für BSE sind. Daraus wurde auf eine Infektion des Feten über die Plazenta bzw. des Kalbes über die Milch geschlossen. Von 300 Kälbern von Kühen mit nachgewiesener BSE waren nach 7 Jahren 42 ebenfalls an BSE erkrankt; bei 300 Kälbern von Kühen ohne BSE waren es nur 13 (The Lancet 348, p.393, 1996).
"The study provides no indication as to how maternal transmission may have occurred. It could have been in utero, at birth or soon after birth. ... Thus, BSE is transmitted vertically as well through contaminated foodstuff."
Frage: Hätte es nicht näher gelegen, eine Vererbung der genetischen Disposition, an BSE zu erkranken, anzunehmen - statt eine Infektion des Kalbes durch die Mutterkuh?
Eine Vererbung der Anfälligkeit für BSE liegt nahe, weil es genügend Hinweise gibt, dass spongiforme Encephalopathien genetisch bedingt sind - zumindest eine starke genetische Komponente haben. Stattdessen wurde im Herbst 1996 diese Studie zum Anlass genommen, um vor dem Verzehr von britischen Milchprodukten zu warnen.
22. zur Rinderzucht
In der modernen Rinderzucht stammen die Rinderherden nur von wenigen Bullen ab. Mit dem Samen eines einzigen Bullen, der Hochleistungsmilchkühe als Töchter garantiert, wird dank künstlicher Befruchtung u.U. eine ganze landwirtschaftliche Region versorgt. Ein einziger Bulle kann Vater und Großvater der Rinderherden einer Region sein. Während die 19 britischen Kadaverfabriken privatwirtschaftlich betrieben werden und ihre Produkte breit über das Land streuen (geringe Transportkosten verhindern, dass Produkte nur in der Nähe des Produktionsortes verbraucht werden), ist die Kontrolle der Rinderzucht in staatlichen Händen. Das Versorgungsgebiet von Besamungsanstalten ist an das Gebiet der Verwaltungseinheiten gebunden. Das sind in Großbritannien die 80 Counties. Das zeitliche Auftreten, der Verlauf und die Intensität der BSE-Epidemie korreliert mit den Counties. Ist dies auch das Gebiet, in dem ein Bulle mit genetischer Disposition zur spongiformen Encephalopathie die Rinderherden mit Samen versorgt?
23. zur SE-Häufigkeit in Inzucht-Populationen
Falls eine Milchkuh-Herde mit BSE befallen ist, kann die Erkrankungshäufigkeit bis zu 1:30 (3%) pro Geburtsjahrgang betragen. Scrapie, die SE der Schafe, kann in den davon befallenen Schafherden sogar eine Häufigkeit von 1:3 (30%) haben.
Spongiformen Encephalopathien treten auch vermehrt in anderen Inzucht-Populationen auf, z.B. in Nerzfarmen, in Elch-Gehegen, bei Zoo-Tieren.
Dagegen sind spongiforme Encephalopathien bei Tieren in freier Wildbahn und bei Menschen extrem selten (CJD-Häufigkeit etwa 1:1 Million pro Jahr, d.h. 60 - 80 Fälle pro Jahr in Deutschland).
Eine menschliche Inzucht-Population sind die Fore people im abgeschlossenen Hochland von Papua-Neu-Guinea. Unter den 40.000 Eingeborenen ist in bestimmten Dorfgemeinschaften die Kuru-Krankheit häufig.
Schlussfolgerung:
Spongiforme Encephalopathien sind genetisch bedingte Krankheiten.
Äußere Einflüsse, wie Umweltfaktoren, Ernährung, Belastung ("Hochleistungsmilchkühe"), können möglicherweise den Ausbruch der Krankheit begünstigen. Erbkrankheiten aber stehen nicht im Verdacht, auf dem Nahrungswege übertragen zu werden.
Hypothese:
Durch gezieltes Herauszüchten einer genetischen Disposition zu hoher Milchproduktion (als einer vom Menschen gewünschten Eigenschaft) wurde gleichzeitig und zufällig die genetische Disposition zur spongiformen Encephalopathie herangezüchtet. Bei einem rezessiven Erbgang bedurfte es mehrere Rindergenerationen, bis das fragliche Gen in einigen britischen Herden so verbreitet war, dass es zur Epidemie kommen konnte.
Durch den Export des britischen Bullensamens wurde möglicherweise das BSE-Gen auch in andere europäische Rinderherden eingebracht. Die Schweiz war zuerst betroffen, gefolgt von Portugal.
Das legt die Fragen nahe:
Wurde von den Schweizer und portugiesischen Rinderzüchtern früher als anderswo britischer Bullensamen importiert?
War beim französischen Importverbot für britische Rinderprodukte der Bullensamen ausgenommen?
Schlussbemerkung:
Wir verdanken Prusiner die Erkenntnis, erstens, dass neurodegenerativen Erkrankungen ein genetischer Defekt eines Membranproteins auf Nervenzellen zugrunde liegt (als Spontanmutation beim erkrankten Individuum oder vererbt als Keimbahn-Mutation), und zweitens, dass das mutierte Membranprotein die Tendenz hat, eine andere (falsche) Raumstruktur anzunehmen und sie autokatalytisch anderen Proteinen der gleichen Art aufzuzwingen - nicht nur mutierten Proteinen auf benachbarten Zellen, sondern auch intakten Proteinen eines Fremdorganismus, wenn es direkt in das Gehirn injiziert wird. Darauf basiert seine Hypothese, dass bei der Übertragung von Krankheiten die krankmachende Information nicht nur als Bauplan für die Synthese körperfremder Proteine weitergeben werden kann, sondern auch als Proteinstruktur, die sich den körpereigenen Proteinen aufzwingt.
Es ist jedoch schwierig, sich vorzustellen, wie ein Fremdprotein mit definierter Raumstruktur unter realistischen Bedingungen unverändert ins Gehirn gelangen kann. Jede Proteinstruktur wird durch den Prozess der Nahrungszubereitung (Kochen, Braten) und dann durch das saure Milieu des Magensaftes verändert. Auch minimale Attacken der Verdauungsenzyme anschließend im Dünndarm lassen nichts von der nativen Struktur übrig. Falls einzelne Nahrungsproteine der vollständigen Verdauung zu Aminosäuren entgehen, dann sind es höchstens größere Bruchstücke, die resorbiert werden. Die können zwar groß genug sein, um immunogen zu wirken (d.h. um Abwehrreaktionen auszulösen, z.B. Allergien gegen Nahrungseiweiße). Für eine "Infektion als Prion" aber muss nicht nur die komplette Aminosäuresequenz vorhanden sein. Als "Prion" muss das Protein auch in einer ganz bestimmten räumlichen Anordnung seiner Peptidkette vorliegen. Diese "infektiöse Struktur" ist aber nicht durch kovalente Bindungen fixiert, sondern nur durch schwache Bindungskräfte (Wasserstoffbrücken), gegeben, die vom Milieu und von molekularen Nachbarschaftsbeziehungen abhängen.
Um den Einwand zu entkräften, die Magendarmpassage zerstöre bei Proteinen die Eigenschaft, als Prion zu wirken, wird angeführt, erstens, die amyloiden Plaques auf den Nervenzellen seien Protease-resistent und, zweitens, die Prionen würden durch lymphoide Organe (Rachenmandeln) resorbiert, dort von Leukozyten aufgenommen und via Blut und Bluthirnschranke ins Gehirn transportiert. Dagegen ist zu sagen: Erstens, die Resistenz eines Proteins gegenüber Verdauungsenzymen ist niemals absolut, sondern nur relativ, und sodann gilt die Eigenschaft "Protease-Resistenz" (auf der, nebenbei bemerkt, die sog. BSE-Schnelltests beruhen) nur für große Aggregate (Plaques); die aber sind erst recht nicht resorbierbar, geschweige, dass sie jemals die Blut-Hirn-Schranke passieren könnten. Zweitens, wenn Zellen in den Rachenmandeln tatsächlich Proteine aus dem Nahrungsbrei phagozytieren sollten, dann nicht, um sie zu transportieren, sondern um sie zu prozessieren, d.h. zu zerhäckseln, und die Peptidfragmente den T-Lymphozyten zu präsentieren.
Mit der Prionen-Hypothese lässt sich zwar eine experimentelle Übertragung der SE durch intracerebrale Injektion erklären, doch nicht die BSE-Epidemie, nicht die Übertragung von Schaf auf Rind via Tiermehl und von Kuh auf Kalb via Milch.
Erst recht ist die Prionen-Hypothese ungeeignet, um den Verdacht einer gesundheitlichen Gefährdung des Menschen durch Verzehr tierischer Nahrungsmittel zu begründen. Wenn es zutreffen würde, dass die SE der Schafe via Nahrung die Rinder erreicht hat und nun droht, vom Rind auf den Menschen überzugehen, dann muss man fragen: Warum hat sie nicht schon längst auf direktem Wege den Menschen erreicht? Seit Jahrhunderten ist Scrapie, die Traberkrankheit, in Schafsherden endemisch. Das hat unsere Vorfahren nicht davon abgehalten, das Fleisch von Schafen zu essen.
Mit Verlaub, aus der Sicht von Protein-Chemie und Biochemie ist die Hypothese einer Infektion auf dem Nahrungswege durch Prionen schlichtweg absurd.
In einem Zustand der Ratlosigkeit wurde aus der Frage nach den Ursachen der BSE-Epidemie ("Könnte es das Tiermehl gewesen sein?") eine bloße Vermutung ("Mögliche Infektionserreger sind bei der Kadaververarbeitung nicht abgetötet worden, weil man im Zuge der Privatisierung von Tiermehl-Fabriken einige Verarbeitungsschritte aus Rentabilitätsgründen eingespart hatte."), der dann eine spekulative Begründung ("Ins Tiermehl gelangten die Prusinerschen Prionen") nachgereicht und von den Medien hochgekocht wurde. Profilierungssüchtige Wissenschaftler schwammen auf dieser Welle mit.
Schließlich wurde eine "gewagte Hypothese geadelt", wie das Deutsche Ärzteblatt 1997 anlässlich der Verleihung des Nobelpreises an Prusiner schrieb. Damit wurde eine Spekulation zur unumstößlichen Wahrheit und die Politiker zu fragwürdigem Handeln gezwungen.
Die Vermutung einer Infektiosität von BSE und der Übertragbarkeit auf den Menschen wurde ungeprüft übernommen und als mögliches Risiko überbewertet. Die Warnung vor Gesundheitsgefahren wurde dramatisiert. Ein irrwitziges Tötungsprogramm von Millionen britischer Rinder wurde gefordert und zum Teil umgesetzt. Tierisches Leben und Volksvermögen wurden vernichtet.
Die Wettbewerbsvorteile, die so manch einer sich wohl erhofft hatte, waren jedoch trügerisch. Trotz aller Versicherungen der Unbedenklichkeit heimischer Produkte brach der Rindfleischmarkt zusammen. Was der Verbraucher, der sich nicht irritieren ließ, vielleicht an billigeren Fleischpreisen profitiert, wird er als Steuerzahler mehrfach für Subventionskosten zurückzahlen.
Nachtrag, aktualisiert im November 2000
24. zur Frage, ob die in Großbritannien in den letzten zehn Jahren aufgetretenen 88 Fälle einer ungewöhnlichen Form der Creutzfeld-Jacob-Krankheit (vCJD) und neuerdings die 3 Fälle, die in Frankreich für medienwirksame Aufregung sorgen, durch Verzehr von Fleischprodukten aus BSE-Rindern verursacht sind.
Bislang sind 88 Fälle dieser angeblich neuen SE-Form bekannt. Während die klassische CJD in der Regel Menschen jenseits des 6. Lebensjahrzehnts trifft, sind es bei "new variant CJD" (vCJD) junge Erwachsene, bei denen die Krankheit mit Verhaltensstörungen (Depressionen) beginnt (nicht mit progressiver Demenz, wie bei älteren Patienten) und die meist innerhalb eines Jahres nach Auftreten der ersten neurologischen Symptome sterben.
Ende Oktober 1996 schien der Beweis eines Zusammenhangs mit BSE erbracht zu sein. Collinge et al. publizierten in Nature ihre Untersuchungen von Hirnextrakten verstorbener CJD-Patienten; sie fassten ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen wie folgt zusammen:
"New-variant CJD has ... characteristics distinct from other types of CJD and which resemble those of BSE transmitted to mice ..., consistent with BSE being the source of this new disease."
Kein Wunder, dass bei solch vermeintlich klarer Aussage aus einer molekularen Analyse die Medien in reißerischer Aufmachung die Nachricht, eine Übertragung der Rinder-Epidemie auf den Menschen sei nun bewiesen, herausbrachten. Eine neue Welle der BSE-Panik brach aus. Als dann Cindy, ein in Deutschland geborenes, angeblich von einer britischen Mutter stammendes Galloway-Rind, auf dem Hofe eines Öko-Bauern an BSE verstarb, gerieten auch die Politiker in Panik. Mit Flankenschutz durch die Medien, in denen prophylaktisches Handeln gefordert wird, wird Tötung und Verbrennung aller Galloways angeordnet.
Die nächste Welle der BSE-Panik brach im November 2000 aus, als der französische Präsident (angeblich aus innenpolitischer Rivalität) BSE zum nationalen Problem erklärte. Drei jugendliche Patienten mit schweren neurologischen Symptomen wurden zu BSE-Opfern erklärt und ihr Leiden - mit Hilfe des Fernsehens - politisch instrumentalisiert. Nicht anders machte es eine bayerische Politikerin, die einen vermeintlich BSE-kranken jungen Mann der Presse präsentierte. Als dann der Zufall es wollte, dass man in Schleswig-Holstein bei einem anscheinend gesunden Rind die Anzeichen einer BSE-Erkrankung im sog. Schnelltest entdeckte, wurden BSE und vCJD auch in Deutschland zum politischen Wochenthema.
Ähnlich wie vor 14 Jahren mit AIDS wurde die Gefahr einer vCJD-Epidemie beschworen, die demnächst bei uns Tausende junger Menschen dahinraffen werde.
Dass vCJD die Folge einer Infektion mit BSE-Prionen ist, gilt allgemein als bewiesene Tatsache, die niemand mehr hinterfragen muss. Wenn die BSE-vCJD-Experten nach dem Beweis gefragt werden, berufen sie sich auf die Arbeit von Collinge, 1996, die mit molekularer Analyse zeige, dass vCJD die gleichen morphologischen Veränderung im Gehirn habe, wie die bei Mäusen, auf die BSE übertragen wurde. Das beweise, dass BSE der Ursprung dieser neuen Krankheit bei Menschen sei. (J.Collinge, K.Sidle, J.Meads, J.Ironside, A.F.Hill, 1996, Molecular analysis of prion strain variation and the aetiology of 'new variant' CJD, in Nature 383:685-690, 1996)
Doch wie wurde der Beweis erbracht? Worin besteht die molekulare Analyse? Was wurde untersucht? Was wurde gefunden? Wie sicher ist die Aussage, dass die neue Form von CJD durch BSE verursacht ist?
zur Methode:
20 mg Gehirn verstorbener CJD-Patienten, wurden mit einem Detergens versetzt und homogenisiert, dann mit einer Detergens-stabilen bakteriellen Protease inkubiert. Die im Extrakt enthaltenen Protease-resistenten Proteine bzw. Proteinfragmente wurden auf einem Detergens-haltigen Gel durch Elektrophorese nach ihrer molekularen Masse aufgetrennt und darunter diejenigen, die mit Antikörpern gegen Peptide aus amyloiden Plaques reagieren, angefärbt. Definierte Moleküle oder Strukturen (zu erwarten bei einer molecular analysis) wurden nicht nachgewiesen.
1. Anmerkung: Antikörper, erzeugt gegen amyloide Plaques aus Gehirnen mit Zeichen von spongiformen Encephalopathie durch Injektion in geeignete artfremde Tiere.
2. Anmerkung: Nach diesem Verfahren funktionieren die sog. BSE-Schnelltests: Homogenisieren von Hirnmaterial, Auflösung der Lipidstrukturen mit Detergens, Andauung mit bakterieller Protease, Auftrennung der unvollständig verdauten Peptidfragmente durch SDS-Gel-Elektrophorese, Anfärbung mit Antikörpern.
zum Ergebnis:
Die einzelnen Gele zeigten unterschiedliche Muster von Fragmentgrößen, uneinheitlich bei den älteren, etwas einheitlicher bei den jungen CJD-Patienten; die Muster der "new variant CJD" unterschieden sich von denen der meisten CJD-Patienten. Demnach wurden die Membranproteine nach Herauslösen mit Detergentien an unterschiedlicher Stelle durch die Protease gespalten, so dass unterschiedlich große Fragmente entstanden.
Gehirne von Mäusen, denen BSE-Extrakt intracerebral injiziert worden war und die nach langer Inkubationszeit mit den Zeichen einer SE erkrankten, wurden in gleicher Weise bearbeitet und aufgetrennt. Die Autoren behaupten, dass das Fragmentmuster dem Muster der "new variant CJD" ähnlich sei, was aber in den vorgelegten Abbildungen (Photos der angefärbten Gele) nicht zu erkennen ist.
Schwierig wird außerdem die Entscheidung, ob tatsächlich eine Ähnlichkeit besteht oder nicht, wenn versäumt wurde, die zu vergleichenden Extrakte auf demselben Gel aufzutrennen (zumindest wird ein derartiges Bild nicht gezeigt), - ein gravierender experimenteller Fehler, der Zweifel an der methodischen Kompetenz der Autoren weckt.
zur Interpretation:
Falls die Fragmentmuster in Hirnextrakten (a) von alten und jungen CJD-Patienten unähnlich und (b) die von jungen CJD-Patienten und BSE-Mäusen ähnlich sind, dann könnte dies als Hinweis für die Vermutung gedeutet werden, dass CJD bei jungen Patienten BSE-induziert ist. Man sollte sich aber klar machen, wie diese Fragmentmuster entstehen und wie weit entfernt von einer molekularen Analyse die Methode ist.
Welche Peptidbindungen in einem mit Detergentien behandelten Gewebshomogenat durch unspezifische Proteasen gespalten werden, hängt von vielen Variablen ab: Minimale Unterschiede in Dauer und Temperatur der Inkubation mit Detergentien und Proteasen, in den Strukturen der entnommenen Gewebe und in der Größe der amyloiden Plaques sowie alters- und speziesbedingte Unterschiede können Anzahl und Position der gespaltenen Peptidbindungen beeinflussen und damit auch die Größe der Fragmente. Aussagen über Art und Struktur der fraglichen Proteine sind nicht möglich, zumindest keine mit weitreichenden Folgerungen.Von einer molekularen Analyse, wie die Autoren behaupten, kann wahrlich nicht die Rede sein.
zur Rolle der Herausgeber von Nature:
Dass die vermeintliche Ähnlichkeit von new variant CJD und der auf Mäuse übertragenen BSE anhand der vorgelegten Materialien nicht überzeugend ist, haben wohl auch die Herausgeber von Nature erkannt. Doch anstatt die Arbeit zurückzuweisen, haben sie dem Collinge-Aufsatz ein Editorial vorausgeschickt, in dem den Lesern mit bunten Schaubildern erklärt wird, was sie in den teils grauen, teils schwarzen, unterschiedlich geformten, schwer voneinander abgrenzbaren, an unterschiedlichen Stellen auftretenden Flecken zu sehen haben. Ein dickes blaues Oval ist bei vCJD dort gemalt, wo man bei den übrigen CJD-Formen nur ein schmales, graues Oval findet. Bei BSE-Mäusen imponiert ebenfalls ein dickes blaues Oval, genau an der Stelle von vCJD. Ein ungewöhnliches Verfahren, die Leser zum richtigen Verständnis zu führen! Und wer aus dem Herausgeber-Gremium schreibt das Editorial?
Als Autor zeichnet der Molekularbiologe Charles Weissmann aus Zürich, Vorsitzender des Wissenschaftler-Gremiums, das die EU-Kommission bei ihren Entscheidungen über die Rinderseuche BSE berät, vom Spiegel als "Europas führender Vertreter für Prionen" bezeichnet, der kurz zuvor die Vernichtung des gesamten britischen Rinderbestandes (14 Millionen Rinder) gefordert hatte. In der Ausgabe von Nature, die dem Collinge-Aufsatz vorausging, beklagte er die ungenügende Bereitstellung von EU-Geldern für die BSE-Forschung.
Zuletzt zwei Fragen ...
1. Gibt es in den letzten Jahren tatsächlich mehr jüngere Patienten mit den Symptomen einer spongiformen Encephalopathie? Könnte bei den 88 Fällen in England (bei insgesamt 1000 CJD-Fällen in 10 Jahren) nicht auch der Zufall im Spiele sein oder der "geschärfte diagnostische Blick" aufgrund einer Erwartungshaltung? CJD ist in der Vergangenheit nicht ausschließlich in höheren Lebensaltern aufgetreten. SE gibt es ebenfalls bei jüngeren Menschen (siehe Kuru). "Verstorben an unbekannter Ursache" ist auch in der modernen Medizin immer noch das resignierende Eingeständnis unseres Nichtwissens. Und nicht jeder Verstorbene mit neurologischen Symptomen wurde in der Vergangenheit obduziert. Heute aber wird jeder Fall mit Verdacht auf eine Hirnerkrankung einer intensiven, zeitaufwendigen Untersuchung unterzogen.
2. Angenommen, die Häufung von vCJD-Fällen träfe zu, was könnte die Ursache sein?
... und der Versuch einer alternativen Erklärung
Spongiformen Encephalopathien sind die Folge eines genetischen Defekts.
Genetische Defekte müssen nicht unbedingt in der Keimbahn verankert sein und von Generation zu Generation vererbt werden; sie können auch in einem Individuum als Mutation des Erbguts einer Körperzelle entstehen. Krebs ist dafür ein Beispiel.
Voraussetzung für den krankmachenden Effekt einer solchen Mutation in einer einzelnen Zelle ist, dass daraus ein Klon von defekten Zellen entsteht, der sich rascher vermehrt als andere Klone.
Nervenzellen befinden sich aber in Teilungsruhe; folglich ist unwahrscheinlich, dass ein Klon aus Nervenzellen entsteht, die die Information zur Synthese eines defekten, zur Plaque-Bildung neigenden Membranproteins haben. Nach der Prionen-Hypothese Prusiners sollte aber ein mutiertes Protein mit stabiler Faltblattstruktur anderen Proteinen der gleichen Art auf derselben Zelle und auf Nachbarzellen seine Konformation aufzwingen. Die krankmachende Struktur würde sich über das Gehirn verbreiten; (das Protein selbst würde sich nicht vermehren).
Mutationen entstehen durch genotoxische Umwelteinflüsse; sie werden meist in früher Jugend gesetzt und bekommen erst nach Jahrzehnten einen krankmachenden Wert.
Könnte new variant CJK nicht die Folge der zunehmende Umweltbelastung mit genotoxischen Noxen (Umweltgifte und energiereiche Strahlung) sein?
Könnte man hier nicht eine Parallele zum Vorrücken des Krebs in jüngere Lebensalter sehen?
Zugegeben, eine Spekulation, -
aber mehr als Spekulation ist die Infektionshypothese, die die Bevölkerung verunsichert und die Regierungen zu hastigem Handeln zwingt, auch nicht !

IN Scholz: "Creutzfeld-Jacob Disease"
Kommentar:
Bevor sich diese falsche Schreibweise noch weiter verbreitet weise ich vorsorglich auf die korrekte Schreibweise "Creutzfeldt-Jakob-Krankheit" hin.
Scholz:
"Zwei Helices des zur Plaque-Bildung neigenden Membranproteins können sich passager zu vier gegenläufigen Faltblättern umlagern. Das Gleichgewicht liegt aber weit auf der Seite der Helix-Form, die der energetisch günstigere Zustand ist."
Kommentar:
Ich wüßte schon gerne, woher Prof. Scholz das weiß. Leider hält er es in diesem Artikel nur sporadisch für erforderlich, seine Behauptungen durch geeignete Literaturzitate zu belegen. Ich habe noch keine Arbeit über das thermodynamische Gleichgewicht zwischen der alphahelikalen und der Betafaltblattkonformation gefunden und vermute daher, dass Prof. Scholz in dieser Hinsicht schlicht phantasiert.
Scholz:
"Fazit: Spongiformen Encephalopathien liegt ein genetischer Defekt zugrunde."
Kommentar:
Man sollte nicht wilde Spekulationen wie Tatsachen darstellen und nur für Teilbereiche gültige Aussagen verallgemeinern. In dieser allgemeinen Form ist die Aussage von Prof. Scholz falsch.
Scholz:
"Beim Kreislauf der Membranproteine zwischen außen und innen und dem lysosomalen Abbau der "ausgedienten" Proteine bleiben die aggregierten Proteine innen liegen. Sie häufen sich in den Lysosomen an, die sich vergrößern und eine Vakuole bilden, was schließlich zum Tod der Nervenzelle führt."
Kommentar:
Auch dies ist reine Spekulation und wieder bleibt der Autor entsprechende Belege schuldig.
Scholz:
"CWD (chronic wasting disease in Elchgehegen)."
Kommentar:
Dieser Übersetzungsfehler setzt sich immer stärker als wissenschaftliche Legende durch. Wir sollten wirklich die Amerikaner bitten, ihre Wapitis nicht mehr "elk" zu nennen. Sonst werden am Ende noch die armen unschuldigen Elche verfolgt, weil man sie für verseucht hält.
Scholz:
"Alle Formen der SE sind histologisch gekennzeichnet durch ... - löchrige, schwammartige (deshalb "spongiform") Gewebsstrukturen"
Kommentar:
Das ist ein gefährlicher Irrtum. In Wirklichkeit findet man gerade nach Wirtswechseln auf andere Spezies nicht immer Löcher in den Gehirnen [AHBH].
Scholz:
"Eine erworbene Mutation müsste allerdings in einer sehr frühen Phase der Hirnentwicklung gesetzt worden sein, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem sich aus einer mutierten Nervenzelle noch ein Zellklon entwickeln konnte; denn eine beschleunigte Plaque-Bildung muss viele Zellen treffen, wenn die Veränderungen eine krankmachende Bedeutung haben sollen."
Kommentar:
Das ist reine Spekulation.
Scholz:
"9. zur Prionen-Hypothese nach Prusiner"
Kommentar:
Von Prusiner ist nur der Phantasiename "prion", der unglücklicherweise auch noch dem eines Seevogels entspricht. Die protein-only-Hypothese ist von Griffith (Griffith,J.S. - Self-replication and scrapie - Nature 1967 Sep 2; 215(105): 1043-4) und stammt damit aus einer Zeit, in der Prusiner noch gar nichts mit der Prionforschung zu tun hatte.
Scholz:
"Wegen der Fähigkeit, krankmachende Eigenschaften durch ein Fremdprotein nach intracerebraler Injektion zu induzieren, beschrieb Prusiner die auslösenden Moleküle als proteinaceous infectious organisms; daraus wurde " P r i o n ". Das körpereigene Protein, dessen Konformationsänderung ein Prion induzieren kann und das diesem nahe verwandt ist, nannte er P r i o n p r o t e i n (PrP , Prusiner, 1982, in Science 216:136)."
Kommentar:
Es wäre sehr unpassend, bei Prionen von Organismen zu sprechen und Prusiner hat das auch nicht getan. Vielmehr schrieb er (Prusiner,S.B. - Novel proteinaceous infectious particles cause scrapie - Science 1982 Apr 9; 216(4542): 136-44) "Because the novel properties of the scrapie agent distinguish it from viruses, plasmids, and viroids, a new term "prion" is proposed to denote a small proteinaceous infectious particle which is resistant to inactivation by most procedures that modify nucleic acids."
Scholz:
"Als 1987 in Großbritannien die BSE-Epidemie sich abzuzeichnen begann, stand von Anfang an fest, dass es sich um eine Infektion handeln muss. Auf der Denkschiene "Erreger" wurde argumentiert und geforscht. Dass vor Gajduseks Nobel-Preis auch "Vererbung" zur Diskussion stand, schien vergessen zu sein."
Kommentar:
Das ist einfach nicht wahr und ich finde es unfair, ständig mit solchen unbegründeten Anschuldigungen auf den Briten herum zu hacken, die immerhin fast die gesamte bisherige BSE-Forschng betrieben haben. Statt die selbstverständlich nicht immer gelungene britische Forschung nur zu kritisieren, hätte man sich durchaus daran beteiligen und es besser machen können.
Als Grundlage für fundiertere Diskussionen über die britische Forschung empfehle ich dringend die Lektüre des 6000-Seiten-Abschlußberichtes des britischen BSE-Inquiry. Hier findet man beispielsweise folgendes zur angeblichen Vergeßlichkeit hinsichtlich der "Vererbung von BSE": http://www.bseinquiry.gov.uk/report/volume2/chaptea5.htm#820783
Scholz:
3.105 As mentioned in paragraph 3.15, an attempt was made in 1987 to investigate herds with multiple cases to look for evidence of genetic inheritance, which might either be responsible for or confer susceptibility to the disease. The results, published in the Veterinary Record, ruled out single gene inheritance. 6 However, Wijeratne's analysis of the same data was not inconsistent with an autosomal recessive inheritance for BSE. 7 Neither analysis was sufficient to provide information on genetic susceptibility. The investigations into genetic susceptibility are discussed in detail later in this chapter (see paragraphs 3.151-3.158).
Niemand schien zu stören, was hier unter Mißachtung sämtlicher Erkenntnisse aus Proteinchemie und Physiologie spekuliert wurde: Das Prion-Protein behält auch nach Erhitzen und Passage durch den Magen-Darmtrakt seine krank-machende Struktur. Es wird also nicht bei Temperaturen über 80° denaturiert; es ist außerdem völlig resistent gegenüber Eiweiß-spaltenden Verdauungsenzymen, (allein die Spaltung einer einzigen Peptidbindung würde das Protein denaturieren)."
Kommentar:
Was für ein Unsinn! Dann ist es wohl geradezu eine Gemeinheit von den Archaebakterien, dass sie sämtliche Erkenntnisse aus Proteinchemie und Physiologie mißachtend, bei weit über 100° erst so richtig munter werden, anstatt brav zu Klumpen zu denaturieren.
Scholz:
"Anmerkung: Prusiner erhielt 1997 den Nobelpreis für seine Hypothese zur Entstehung altersdegenerativer Krankheiten (zwar noch eine Hypothese, aber dennoch eine brilliante Idee, inzwischen auch experimentell gut begründet), jedoch nicht für die Aufklärung der BSE-Epidemie als einer durch orale Übertragung entstandenen Erkrankung."
Kommentar:
Schade nur, dass diese brilliante Idee nicht von Prusiner stammte. Er selbst hat übrigens in seinem ersten Artikel über diese Idee den Urheber dieser Idee korrekt zitiert.
Scholz:
"Lediglich in einer Arbeit wird eingestanden, dass die Traumatisierung der Versuchstiere wohl erheblich ist, indem die Autoren anmerken, sie haben die Tiere, die in den ersten beiden Monaten "am Trauma der intrazerebralen Injektion verstorben" seien, nicht bei der Statistik berücksichtigt."
Kommentar:
Hätte Prof. Scholz mehr von der vorhandenen Literatur gelesen, dann wäre er wie ich schon oft auf solche Hinweise gestoßen.
Scholz:
"Ob ein Tier 2 Jahre später an SE erkrankt, entscheidet das histologische Bild. Wie sicher aber lassen sich - angesichts solch einer Vorgeschichte - die morphologischen Veränderungen (amyloide Auflagerungen, vakuolisierte und abgestorbene Hirnzellen) durch Traumatisierung von denen unterscheiden, die man den Prionen anlastet.?"
Kommentar:
Nicht ein histologisches Bild, sondern die Vermehrung der Prionen entscheidet, ob ein Tier 2 Jahre später an SE erkrankt. Die Unterscheidung zwischen den Effekten der Traumatisierung und der Prionenvermeehrung erlaubt bei gut durchgeführten Experimenten der Vergleich mit der Negativkontrolle mit injiziertem Gehirnmaterial gesunder Tiere. Solche korrekt durchgeführten Experimente gibt es tatsächlich.
Scholz:
"Fazit: Die Übertragung spongiformer Encephalopathien ist ein artifizielles Phänomen (intracerebrale Injektion von Hirnextrakten). Eine Übertragung über den Nahrungsweg ist nicht eindeutig bewiesen und eher unwahrscheinlich."
Kommentar:
Man kann ja gerne immer noch mehr Experimente zur besseren Absicherung des bereits gefundenen fordern. Inzwischen gibt es aber weitere, zum Teil groß angelegte britische Verfütterungsexperimente. Dem Autor scheinen nicht alle Experimente bekannt zu sein. Da ich momentan mehrere Gutachten schreiben, verschiedene Internetseiten zum Thema BSE erstellen und meinen Beitrag zur für mich sehr viel wichtigeren Diskussion der Herdenkeulung leisten muß, fehlt mir die Zeit für eine umfassende Zusammenstellung der entsprechenden Literatur. Hier nur das, was ich vor Jahren einmal im Vorbeigehen dazu aufgelesen habe:
Robinson et al. fütterten 10 Nerze mit jeweils lediglich 1 Gramm Hirnbrei. Alle Nerze erkrankten. 9 der erkrankten Nerze wurden histopathologisch untersucht und zeigten das typische Zerstörungsbild. Was ist also uneindeutig an diesem von Prof. Scholz leider nicht erwähnten Experiment.
Foster et al. fütterten 6 Schafe mit je einem halben Gramm BSE-Hirnbrei und eines der Schafe erkrankte nach 734 Tagen. Zwei von drei mit BSE-Erreger gefütterten Zeigen erkrankten nach 941 bzw. 1501 Tagen.
Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Dietary transmission of bovine spongiform encephalopathy to mice - The Veterinary Record 1990 Feb 3; 126(5): 111-2
Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Oral transmission of BSE to mice - Sub-Acute Spongiform Encephalopathies, edited by Ray Bradley, Marc Savey and Brian Marchant - Proceedings of a Seminar in the CEC Agricultural Research Programme, held in Brussels, 12-14 November 1990, 1991; 55: 33-9
Middleton,D.J.; Barlow,R.M. - Failure to transmit bovine spongiform encephalopathy to mice by feeding them with extraneural tissues of affected cattle - The Veterinary Record 1993 May 29; 132(22): 545-7
Foster,J.D.; Hope,J.; Fraser,H. - Transmission of bovine spongiform encephalopathy to sheep and goats - The Veterinary Record 1993 Oct 2; 133(14): 339-41
Robinson,M.M.; Hadlow,W.J.; Huff,T.P.; Wells,G.A.H.; Dawson,M.; Marsh,R.F.; Gorham,J.R. - Experimental infection of mink with bovine spongiform encephalopathy - Journal of General Virology 1994 Sep; 75(9): 2151-5
Von anderen Tierarten habe ich Stapel von Artikeln über orale Übertragungen. Gerade wenn man eine Hypothese wegen angeblich mangelhafter Datenbasis angreift, dann sollte man auch mal auf die größere Erfahrung mit scrapie schielen und natürlich ständig nach neuen Daten suchen. Da fände man dann beispiesweise neuere Arbeiten zur oralen Übertragung von BSE wie:
Maignien T, Lasmezas CI, Beringue V, Dormont D, Deslys JP - Pathogenesis of the oral route of infection of mice with scrapie and bovine spongiform encephalopathy agents - J Gen Virol 1999 Nov;80 ( Pt 11):3035-42
Bons N, Mestre-Frances N, Belli P, Cathala F, Gajdusek DC, Brown P - Natural and experimental oral infection of nonhuman primates by bovine spongiform encephalopathy agents - Proc Natl Acad Sci U S A 1999 Mar 30;96(7):4046-51 - http://www.pnas.org/cgi/content/full/96/7/4046
Diese Arbeiten hätte Prof. Scholz kennen können und müssen.
Eine Blitzrecherche hätte Prof. Scholz auch gezeigt, wie eifrig deutsche Forscher Tiere oral infizieren:
Heggebo R, Press CM, Gunnes G, Inge Lie K, Tranulis MA, Ulvund M, Groschup MH, Landsverk T - Distribution of prion protein in the ileal Peyer's patch of scrapie-free lambs and lambs naturally and experimentally exposed to the scrapie agent - J Gen Virol 2000 Sep;81 Pt 9:2327-37
Beekes M, McBride PA - Early accumulation of pathological PrP in the enteric nervous system and gut-associated lymphoid tissue of hamsters orally infected with scrapie - Neurosci Lett 2000 Jan 14;278(3):181-4
Beekes M, Otto M, Wiltfang J, Bahn E, Poser S, Baier M - Late increase of serum S100 beta protein levels in hamsters after oral or intraperitoneal infection with scrapie - J Infect Dis 1999 Aug;180(2):518-20
McBride PA, Beekes M - Pathological PrP is abundant in sympathetic and sensory ganglia of hamsters fed with scrapie - Neurosci Lett 1999 Apr 16;265(2):135-8
Scholz:
Nach sporadischen BSE-Fällen in Großbritannien (früher weniger als 20 pro Jahr) begann die Epidemie im Jahre 1987 mit 50 registrierten BSE-Fällen; sie erreichte ihren Höhepunkt 1992 mit 40.000 Fällen. Seit 1993 gehen die Erkrankungszahlen allmählich zurück. 1999 waren es aber noch mehr als 6000 Fälle. Der Rückgang wird mit dem 1988 erlassenen Verbot einer Verfütterung von Tiermehl an Rinder durch die britische Regierung erklärt. Seit der gleichen Zeit werden aber auch rigoros Rinder aus Herden, in denen BSE aufgetreten ist, ausgemerzt.
Kommentar:
Also ich finde es schon etwas ätzend, wenn man andere Autoren erst einmal mit den korrekten Zahlen vertraut machen muß. Ich empfehle die unabhängige und sehr aktuelle Internetseite:
http://ourworld-top.cs.com/j1braakman/Great-Britain.htm
36680 (1992), 34370 (1993), 23943 (1994), 14301 (1995), 8013 (1996), 4309 (1997), 3178 (1998), 2254 (1999), 1296 (2000)
Zum Vergleich findet man die offiziellen britischen Zahlen unter:
http://www.maff.gov.uk/animalh/bse/bse-statistics/bse/overview.html
Schon etwas frech finde ich die Behauptung, die Briten hätten seit 1988 rigoros Rinder aus BSE-Herden ausgemerzt. Das ist völliger Unsinn und man hat die Briten lange dafür kritisiert, dass sie genau das nicht getan haben. Es gab lediglich um das Jahr 1997 eine Tötungsaktion als Bedingung für die Aufhebung des Exportverbotes. Der Rückgang der BSE-Zahlen ist also echt, auch wenn man in England leider immer noch nicht aktiv testet.
Scholz:
"Von den Milchkuh-Herden sind es 14%, von den Fleischrinder-Herden nur 0,3%. 92% aller BSE-Fälle traten in einer einzigen Rinderrasse auf (Frisian/Holstein) - obwohl alle Herden ausnahmslos mit Tiermehl gefüttert wurden, nicht anders als die Rinderherden auf dem europäischen Kontinent).
Kommentar:
Solche Aussagen fern ab der Realität lassen mich etwas ratlos zurück.
Erstens wurden selbstverständlich nicht alle Herden mit Tiermehl gefüttert. Bestimmte Bioverbände füttern seit langem kein Kraftfutter, mancher Bauer hält seine Herde sogar fast wild. Außerdem macht es schon einen gewaltigen Unterschied, ob wie in der Schweiz oder in England bis 1988 bewußt Tiermehle ins Kraftfutter gemischt wurden, oder ob dies wie in Deutschland bis Ende 2000 oder in England bis 1996 nur durch Verunreinigung geschah.
Zweitens ist doch eigentlich allgemein bekannt, dass gerade die Fleischrassen (sogenannten beef suckler) ihre Mütter leertrinken und kein oder wesentlich weniger Kraftfutter bekommen.
Drittens dominieren nun einmal die schwarzbunten Frisian/Holstein-Kühe die Milchwirtschaft. Viertens ist entscheiden, was die Tiere in den ersten Wochen trinken und fressen. Und da müssen die Kälber der Milchkühe leider meistens mit billiger Ersatznahrung vorliebnehmen, damit wir die Milch bekommen."
Scholz:
"Anmerkung: BSE tritt nicht vor dem 3. Lebensjahr der Rinder auf; das Maximum der Erkrankungshäufigkeit liegt im 4. und 5. Lebensjahr - in einem Alter, das die auf Fleischproduktion gezüchteten Rinder nicht erreichen. Allerdings trifft das nicht zu für die Muttertiere der Fleischrinder, die ohne weiteres ein hohes Alter erreichen können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die BSE-Prävalenz der Milchkühe altersbedingt ist."
Kommentar:
Erstens war das jüngste britische BSE-Rind 22 Monate alt und zweitens zeigt ein tiefer Blick in die alterskorrigierte BSE-Statistik, dass das höhere BSE-Risiko der Milchkühe nicht altersbedingt ist. Wie kann einer nur ernsthaft auf der Grundlage einer derart lausigen Recherche die allgemein akzeptierte Theorie vom infektiösen Futter als Ursache von BSE in Frage stellen?
Scholz:
"Wenn eine Herde betroffen war, dann erkrankten vorwiegend die Tiere aus eigener Zucht (d.h. Mutter aus der Herde, Vater ein Bulle aus der Besamungsanstalt), weniger die Rinder, deren Mütter aus anderen Herden zugekauft waren (deren Vater jedoch ebenfalls der Bulle aus der gleichen Anstalt war)."
Kommentar:
Zu solch seltsamen Aussagen hätte ich ja gerne Zahlenmaterial und eine solide Kalkulation gesehen. Schließlich ist das doch die allgemeine Praxis des Herdenaufbaus, dass man nur die weiblichen Tiere behält und entweder alle paar Jahre einen neuen Bullen zukauft, oder sich eben aus der Samenbank bedient.
Scholz:
"Die Praxis, tierische Kadaver an Pflanzenfresser zu verfüttern, ist kein Spezifikum für Großbritannien, sondern gängige Praxis in Europa und in den USA."
Kommentar:
Zu dieser gewagten und meiner Ansicht nach schlicht falschen Aussage hätte ich gerne die von mir so lange vergeblich gesuchten Belege. Aber leider suche ich ebenso vergeblich nach Belegen für die Behauptungen des Herrn Professor und das finde ich unseriös. Wie soll man ernsthaft etwas anfangen können mit solchen Artikeln? Was bringt es, sie zu diskutieren? Welchen Sinn macht es, jetzt ständig solche Artikel in dieses Forum zu stellen?
Scholz:
"Sprunghaft stieg die Produktion von Tiermehl nach dem ersten Weltkrieg an. Derzeit werden etwa 11 Millionen Tonnen pro Jahr in der EU produziert, davon 3,0 in Frankreich, 1,7 in Italien, 1,6 in Deutschland, 1,3 in Großbritannien, 1,3 in Benelux, 1,1 in Spanien, 0,7 in Dänemark. In Deutschland ist erst seit 1939 eine rigorose Vorbehandlung des Tiermehls (Erhitzung auf 130° 20 min bei 3 atü) vorgeschrieben; nur in Österreich und in der Schweiz gibt es ähnlich strenge Verordnungen.
Kommentar:
Langsam werde ich richtig sauer, wenn ich daran denke, wieviel Zeit ich mit diesem dilettantischen Artikel verschwende. Aber nun muß ich da durch. In der Bundesrepublik wurden 1991 247.899 Tonnen, 1992 197.767 Tonnen, 1993 216.095 Tonnen, 1994 174.877 Tonnen und 1995 175.985 Tonnen Fleischknochenmehl bei unter 100° in Spezialbetrieben produziert und etwa doppelt so viel Tiermehl wurde in den Tierkörperbeseitigungsanlagen produziert. Mit ist völlig schleierhaft, wie Prof. Scholz für Deutschland auf 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr kommt.
Warum der Professor die Mißstände der europäischen Tiermehlproduktion kritisiert und dabei eine Erörterung der deutschen Fleischknochenmehlproduktion unterläßt, ich verstehe es nicht.
Scholz:
"Der Epidemie war um 1980 die Privatisierung der britischen Kadaverindustrie vorausgegangen. Aus Kostengründen wurde damals die Verarbeitungstemperatur gesenkt und ein Extraktionsschritt mit Lösungsmitteln eingespart.
Kommentar:
Die Umstellung vom batch- auf kontinuierliche Verfahren mit niedrigeren Temperaturen erfolgte kontinuierlich in einem Zeitraum von 1972 bis 1984. Die Lösungsmittelextraktion wurde im Wesentlichen im Zeitraum 1978-1982 wegen steigender Lösungsmittelpreise und fallender Talgpreise mehr und mehr aufgegeben. Das Datum 1980 ist eine unzulässige Vereinfachung und diese Lösungsmittel konnten den Prionen ohnehin nichts anhaben.
Scholz:
"Nicht angesprochen werden Lage, Einzugs- und Versorgungsgebiet der 19 britischen Kadaverfabriken und wie dies mit dem regionalen Auftreten von BSE korreliert."
Kommentar:
Es ist überhaupt kein Problem, die im Internet gezeigte und sogar zeitlich differenzierte Darstellung der BSE-Verteilungsmuster mit der Lage der britischen Tierkörperbeseitungsanlagen zu vergleichen. Aber es ist ein Problem, wenn sich jemand selbst nicht der Mühe der Analyse bereitgestellter Daten unterzieht und das dann anderen vorwirft.
Scholz:
"Frage: Wenn die BSE-Epidemie mit der Verfütterung von Tiermehl zusammenhängt, warum ist sie nicht schon viel früher aufgetreten und warum bislang vor allem in Großbritannien und warum dort nur in bestimmten Regionen?"
Kommentar:
So kann nur ein Ahnungsloser fragen, der sich nicht mit den unterschiedlichen Gegebenheiten innerhalb der EU und in Großbritannien beschäftigt hat. Während Bullensperma schon lange über alle Grenzen hinweg für genetische Gleichmacherei sorgt, gab es in Europa bis ins Jahr 2000 hinein große Unterschiede hinsichtlich der Produktion und Verwendung von Tiermehl, Fleischknochenmehl, Tierfett und Phosmet. Hinzu kamen noch massive Unterschiede im Umgang mit Hochrisikogeweben.
Scholz:
"In der Schweiz sind von den bislang erkrankten Rindern (bis 1996 insgesamt 220 Fälle) viele nach dem totalen Importverbot für britisches Tiermehl geboren, darunter etliche, die angeblich garantiert nicht mit derartigem Futter in Verbindung gekommen sind."
Kommentar:
Ist es eigentlich zuviel verlangt, in einem aktualisierten Artikel auch aktuelle Zahlen zu verwenden? In der Schweiz sind wir inzwischen bei 365 BSE-Fälle. Wer schon einmal etwas von grenzüberschreitendem Agrarhandel gehört hat und sich im Detail mit den bestehenden BSE-Bekämpfungsmaßnahmen beschäftigt hat, der kann sich darüber nicht wundern.
Scholz:
"Seit 1998 werden Fälle von BSE auch in Frankreich registriert, mit rasch steigender Tendenz (fast 100 Fälle in 1999)."
Kommentar:
In Frankreich werden nicht erst seit 1998 einheimische BSE-Fälle registriert, sondern seit 1991. Aber in 1999 waren es nicht fast 100, sondern genau 31. Dies zeigt, wie schlecht dieser Artikel recherchiert ist.
Scholz:
"Bei den strengen Importbestimmungen der französischen Regierung ist es unwahrscheinlich, dass britisches Tiermehl, das aus den Kadavern von (schottischen) Scrapie-Schafen hergestellt wurde, die Ursache ist."
Kommentar:
Das ist ein unglaublicher Unsinn! Gerade die Franzosen haben Unmengen britischen Tiermehls importiert. Man kann doch nicht ernsthaft die heutigen französischen Importrestriktionen, die zudem in der europäischen Union niemals wirklich funktionieren können, mit den heutigen BSE-Zahlen vergleichen. Die Inkubationszeit sollte man doch nicht vergessen.
Scholz:
"Fazit: Die Korrelation der BSE-Epidemie mit der Kadaver-Verfütterung (Zeitpunkt von Auftreten und Abklingen der Epidemie, Senkung der Verarbeitungstemperatur, Verfütterungsverbot) kann zufällig sein. Eine Kausalität ist nicht zwingend."
Kommentar:
Aber natürlich! Die BSE-Epidemie hätte auch zuerst in anderen Ländern entstehen können. Das beschreiben doch der wissenschaftliche Lenkungsausschuß der EU, das britische BSE Inquiry und die britische Food Standards Agency schon lange.
Scholz:
"Frage: Hätte es nicht näher gelegen, eine Vererbung der genetischen Disposition, an BSE zu erkranken, anzunehmen - statt eine Infektion des Kalbes durch die Mutterkuh? Eine Vererbung der Anfälligkeit für BSE liegt nahe, weil es genügend Hinweise gibt, dass spongiforme Encephalopathien genetisch bedingt sind - zumindest eine starke genetische Komponente haben."
Kommentar:
Die Idee der einer Vererbung der genetischen Disposition gab es sehr wohl und man hat dies untersucht. Wie man leicht im Abschlußbericht des BSE Inquiry nachlesen kann, sprechen die Modellberechnungen dagegen, aber völlig verworfen wurde die Idee nicht.
Das es bei Menschen und Schafen genetisch bedingt unterschiedliche Empfänglichkeiten gibt, dass ist allgemein bekannt. Aber da kennt man mit entsprechenden Polymorphismen des Prionproteins auch die Ursachen. Solche Polymorphismen sind jedoch bei Kühen mit Ausnahme eines zusätzlichen Oktapeptides bei einer Rinderrasse in der Schweiz nicht bekannt.
Scholz:
"Das Versorgungsgebiet von Besamungsanstalten ist an das Gebiet der Verwaltungseinheiten gebunden. Das sind in Großbritannien die 80 Counties."
Kommentar:
Ist das wirklich so, oder wird nicht vielmehr sogar weltweit mit dem Sperma der Söhne von Hochleistungskühen gehandelt?
Scholz:
"Das zeitliche Auftreten, der Verlauf und die Intensität der BSE-Epidemie korreliert mit den Counties. Ist dies auch das Gebiet, in dem ein Bulle mit genetischer Disposition zur spongiformen Encephalopathie die Rinderherden mit Samen versorgt?"
Kommentar:
Eigentlich hätte ich eine Antwort auf diese Frage vom Autor der BSE-Vererbungshypothese erwartet. Prof. Lacey hatte bereits vor vielen Jahren vor dieser potentiellen Gefahr gewarnt und es wurde untersucht. Einzelheiten finden Sie hier: http://www.maff.gov.uk/animalh/bse/bse-science/level-4-content-epidem.html#vertical
Scholz:
"23. zur SE-Häufigkeit in Inzucht-Populationen Falls eine Milchkuh-Herde mit BSE befallen ist, kann die Erkrankungshäufigkeit bis zu 1:30 (3%) pro Geburtsjahrgang betragen. Scrapie, die SE der Schafe, kann in den davon befallenen Schafherden sogar eine Häufigkeit von 1:3 (30%) haben. Spongiformen Encephalopathien treten auch vermehrt in anderen Inzucht-Populationen auf, z.B. in Nerzfarmen, in Elch-Gehegen, bei Zoo-Tieren."
Kommentar:
Es hat in wenigen isolierten Nerzfarmen ganz plötzlich derartige Massenerkrankungen gegeben. Es ist absurd anzunehmen, dass plötzlich eine große Anzahl von Nerzen einer vorher nie aufgefallenen Erbkrankheit erliegen. Bei den angeblichen Elchgehegen handelt es sich um Hirschfarmen und das chronic wasting disease breitet sich auch in der Wildpopulation langsam über mehrere US-Bundesstaaten aus. Welchen Selektionsvorteil könnte wohl eine tödliche Krankheit diesen Hirschen gebracht haben? Das ausgerechnet Zootiere trotz ausgeklügelter Arterhaltungsprogramme mit Wildfängen und weltweitem Tieraustausch von Inzucht betroffen sein sollen, dass ist sehr schwer zu glauben.
Scholz:
"Dagegen sind spongiforme Encephalopathien bei Tieren in freier Wildbahn und bei Menschen extrem selten (CJD-Häufigkeit etwa 1:1 Million pro Jahr, d.h. 60 - 80 Fälle pro Jahr in Deutschland)."
Kommentar:
Die jährliche Zahl der deutschen CJK-Fälle ist anderthalb bis zweimal so hoch.
Scholz:
"Eine menschliche Inzucht-Population sind die Fore people im abgeschlossenen Hochland von Papua-Neu-Guinea. Unter den 40.000 Eingeborenen ist in bestimmten Dorfgemeinschaften die Kuru-Krankheit häufig."
Kommentar:
Wenn Inzucht zu der in den 50er Jahren hohen Zahl von CJK-Fällen geführt hätte, dann wäre diese Zahl nicht deutlich zurückgegangen. Außerdem sind auch Kinder an Kuru gestorben, während man so etwas von keiner erblichen Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kennt.
Scholz:
"Schlussfolgerung: Spongiforme Encephalopathien sind genetisch bedingte Krankheiten."
Kommentar:
Diese Schlußfolgerung ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar und jede über eine vage Vermutung hinausgehende Aussage ist unwissenschaftlich.
Scholz:
"Durch gezieltes Herauszüchten einer genetischen Disposition zu hoher Milchproduktion (als einer vom Menschen gewünschten Eigenschaft) wurde gleichzeitig und zufällig die genetische Disposition zur spongiformen Encephalopathie herangezüchtet."
Kommentar:
Und wo sind Hinweise auf genetische Unterschiede zwischen gesunden und BSE-Rindern?
Scholz:
"Bei einem rezessiven Erbgang bedurfte es mehrere Rindergenerationen, bis das fragliche Gen in einigen britischen Herden so verbreitet war, dass es zur Epidemie kommen konnte."
Kommentar:
Erstens werden die erblichen Formen der CJK dominant vererbt. Warum sollte das bei BSE umgekehrt sein?
Zweitens wüßte ich als Genetiker gerne, wie sich eine nach durchschnittlich 5 Jahren zum Tode führende Erbkrankheit über einen ganzen Kontinent verbreitet. Außerdem hätte sich eine rezessiv vererbte Rinderkrankheit niemals an verschiedenen Orten des Langes auftauchen und so explosionsartig wie BSE ausbreiten können.
Scholz:
"Es ist jedoch schwierig, sich vorzustellen, wie ein Fremdprotein mit definierter Raumstruktur unter realistischen Bedingungen unverändert ins Gehirn gelangen kann. Jede Proteinstruktur wird durch den Prozess der Nahrungszubereitung (Kochen, Braten) und dann durch das saure Milieu des Magensaftes verändert. Auch minimale Attacken der Verdauungsenzyme anschließend im Dünndarm lassen nichts von der nativen Struktur übrig."
Kommentar:
Bei so viel Unwissenheit ist weniger Vorstellungskraft, als vielmehr ein umfangreiches Literaturstudium dringend erforderlich.
Scholz:
"Diese "infektiöse Struktur" ist aber nicht durch kovalente Bindungen fixiert, sondern nur durch schwache Bindungskräfte (Wasserstoffbrücken), gegeben, die vom Milieu und von molekularen Nachbarschaftsbeziehungen abhängen."
Kommentar:
Gut, dass die thermophilen Archaebakterien diesen Unsinn nicht lesen können. Sie würden sich womöglich totlachen.
Scholz:
"Erstens, die Resistenz eines Proteins gegenüber Verdauungsenzymen ist niemals absolut, sondern nur relativ, und sodann gilt die Eigenschaft "Protease-Resistenz" (auf der, nebenbei bemerkt, die sog. BSE-Schnelltests beruhen) nur für große Aggregate (Plaques); die aber sind erst recht nicht resorbierbar, geschweige, dass sie jemals die Blut-Hirn-Schranke passieren könnten.
Kommentar:
Die Proteaseresistenz muß auch nur so groß sein, dass an den Darmzotten noch kleine Prione ankommen, die dann ohne Probleme die übrigens gar nicht so kleinen Proren durchqueren. In das Gehirn gelangen die Prionen bekanntlich nicht durch die Blut-Hirn-Schranke, sondern durch die Nervenbahnen des Rückenmarks.
Hier beende ich aus Zeitgründen die anschließend sogar noch abwegiger werdenden Abschweifungen eines durch keinerlei Sachkenntnis gebremsten Spekulanten. Es hat lange genug gedauert, bis die Fachleute die Prionenkrankheiten einigermaßen verstanden haben. Wir können nun nicht die kommenden Jahrzehnte damit vertun, solch schwierige Phänome auch noch jedem Laien zu erklären.

AD Professor Dr. med. Roland Scholz, vormals Institut für physiologische Chemie, Physikalische Biochemie und Zellbiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München

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