NR ASES

AU Steen,A-.M.; Seehofer,H; Knoche,M.; Heinrich,U.; Fuchs,R.; Weisheit,M.; Borchert,J.; Wieczorek-Zeul,H.; Höfken,U.; Limbach,E.; Wodarg,W.; Ronsöhr,H-.W.

TI Bundestagsdebatte über BSE vom 23.5.1996

QU Deutscher Bundestag -13. Wahlperiode - 107. Sitzung, Bonn, Donnerstag den 23.5.96

PT Bundestagsdebatte

VT Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Klaus Kirschner, Antje-Marie Steen, Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesundheitliche Gefahren durch Rinderwahnsinn (BSE) - Drucksachen 13/1972, 13/4436 -
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Halo Saibold und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umfassende Verbraucherschutzmaßnahmen gegen die Rinderseuche BSE - Sofortprogramm für regionale Fleischerzeugung - Drucksache 13/4388 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Haushaltsausschuß
ZP10 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. Maßnahmen zum umfassenden Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor der Rinderseuche BSE und zur Stabilisierung des Rindfleischmarktes - Drucksache 13/4676 -, Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Gesundheit (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Haushaltsausschuß
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Zur Großen Anfrage liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Antje- Marie Steen.
Antje-Marie Steen (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erneut müssen wir uns heute mit der BSE-Problematik und ihrer endemischen Ausbreitung in England, aber inzwischen auch in Europa befassen, wobei die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion noch vor ganz kurzer Zeit hier in der Aktuellen Stunde diesbezüglich fragten, ob wir nicht gelegentlich Punkte hochpuschten, die nicht hochgepuscht werden sollten.
Inzwischen scheint auch in der CDU/CSU-Fraktion die Erkenntnis gewachsen zu sein, dass die BSE-Problematik eine dramatische Entwicklung genommen hat und Vorwürfe wie "Panikmache" verstummt sind. Spätestens seit dem 20. März 1996 und dem "Eingeständnis" der britischen Wissenschaftler und Behörden, dass BSE im Verdacht stehe, bei mehreren Personen unter 42 Jahren die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ausgelöst zu haben, sind alle Kritiken an dem vom Bundesrat und den Oppositionsparteien dieses Hauses längst geforderten totalen Exportverbot britischer Rinder und der daraus gewonnenen Produkte verstummt.
Seit dem 23. März dieses Jahres besteht dieses Exportverbot. Wir begrüßen ausdrücklich, dass auch die aktive Beteiligung der Bundesregierung zu vermerken war, wenn sie auch - nach unserer Einschätzung - zu spät einsetzte. Denn noch immer werden wöchentlich bis zu 250 BSE-Verdachtsfälle registriert. Davon bestätigen sich über 84 Prozent der Fälle als Erkrankung. Nach wie vor sind Erregerstruktur und Übertragungswege ungeklärt, Testverfahren an lebenden Tieren nicht möglich und ein Schutz vor der Erkrankung am Creutzfeldt-Jakob-Syndrom nicht herzustellen.
Wissenschaftler beobachten mit großer Sorge die Überwindung der Speziesbarriere durch den Erreger. Übliche Sterilisations- und Dekontaminationsverfahren zeigen nur unzureichende Ergebnisse. Eine Entwarnung für mögliche Infektionsquellen wie Milch oder Blut und die daraus gewonnenen Produkte ist noch lange nicht angezeigt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sehr viel mehr Tiere infiziert, aber noch nicht manifest erkrankt sind. Der gleiche Zustand kann auch beim Menschen bestehen. Eine Infektion bedeutet also nicht den sofortigen Ausbruch der Krankheit. Allerdings wissen wir auch nichts über die Ursachen, die die Krankheit ausbrechen lassen.
Unter diesem Blickwinkel der Erkenntnisse ist unverzichtbar, dass eine Lockerung des Verbots von Exporten aus England und der Schweiz nicht in Frage kommt. Unter gar keinen Umständen darf es eine Ausnahme bei Gelatine, Talg und Sperma geben. Wir sehen Sie, Herr Minister Seehofer, in der Pflicht, dass Sie zu Ihrem Wort stehen. Sie haben wiederholt erklärt: Wenn die europäischen Partner ein totales Verbringungsverbot beschließen würden, werde die Bundesregierung sich diesem anschließen. Sie haben das am 23. März 1996 getan. Nun gilt es, dem Druck der britischen Regierung zu widerstehen und keine Schlupflöcher zu öffnen. Sie haben uns dabei an Ihrer Seite. Ich glaube, dass die Drohgebärden aus England nicht so ernst zu nehmen sind, als daß sie eine Aufweichung des Exportverbotes rechtfertigen.
Aus mehreren Punkten der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage ergeben sich berechtigte Zweifel, ob der nötige Verbraucherschutz allein durch das Verschließen der Exportwege zu gewährleisten ist. So wird bei der Frage nach der Kontrolle, die auf Grund der Dringlichkeitsverordnung für Transporte aus BSE- freien Beständen zu erfolgen hat, festgestellt: Fleischsendungen . . . dürfen . . . nur stichprobenweise und in nichtdiskriminierender Art und Weise . . . überprüft werden. Ich frage mich, wo da eine effektive Kontrolle ist.
An einer anderen Stelle - bei den Maßnahmen gegen den sogenannten Fleisch- und Viehtourismus -, wird angeführt, dass es schwierig sei, etwaige Umwegeinfuhren zu kontrollieren, und daß die Einhaltung des Exportverbotes nicht durch andere Mitgliedstaaten überwacht werden könne. Die Kommission sei anläßlich der letzten Sitzung im Ständigen Veterinärausschuß wiederholt aufgefordert worden, ein gemeinschaftsweit einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Unser Entschließungsantrag, der Ihnen heute zur Entscheidung vorliegt, fordert genau diese Produktkennzeichnung und die Herkunftsnachweise im europäischen Kontext.
Wir müssen erkennen, dass der Vertrauensverlust bei den Verbrauchern und den Verbraucherinnen in die Qualität und Genießbarkeit von Rindfleisch und der aus Rindfleisch gewonnenen Produkte auch ein Vorwurf an die Politik der Regierung ist, nicht rechtzeitig und umfassend für den vorsorgenden Verbraucherschutz gesorgt zu haben. Um so mehr - das wiederhole ich - dürfen jetzt keine Zugeständnisse der Aushöhlung bei dem bestehenden Exportverbot gemacht werden. Der Beweis, dass Rinderprodukte und Produkte, die Zutaten von Rindern enthalten, unbedenklich sind, ist zur Zeit nicht zu erbringen.
Im besonderen trifft das für den Bereich der Arzneimittel, der Kosmetika und der Lebensmittel zu. Ausgangsstoffe von Rindern werden als Wirkstoffe, Hilfsstoffe oder Produktionshilfen bei einer außerordentlich großen Zahl von Arzneimitteln verwendet. Wir müssen deshalb sehr wachsam sein und durch möglichst restriktive Maßnahmen eine Gesundheitsgefährdung ausschließen.
Durch verschiedene Maßnahmen hat das Bundesministerium für Gesundheit dies inzwischen sichergestellt. Doch mittlerweile ist unumstritten: BSE ist nicht auf Großbritannien beschränkt. Rinderrohstoffe aus der Schweiz - dem Land mit den größten Pharmaunternehmen - können keinesfalls als bedenkenlos eingestuft werden. Ich beziehe mich dabei auf eine Äußerung von Herrn Professor Hildebrandt in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am 17. April 1996.
Ebenso sind aus Holland und Frankreich BSE-Fälle in nicht geringem Ausmaß bekannt.
Wir fordern in unserem Antrag dringend verläßliche europäische Gesetzesvorgaben zur Sicherstellung der Arzneimittelqualität. Ein Schreiben des BGA vom 16. April 1996 belegt, dass die Ermittlung jener Arzneimittel noch immer ein Problem ist, bei denen im Endprodukt zwar kein Tierkörperbestandteil mehr enthalten sein soll, bei deren Herstellung jedoch Rindermaterialien als sogenannte Produktionshilfen, zum Beispiel Enzyme und Nährlösungen, verwendet werden. Es besteht also noch immer die Gefahr, dass auf diese Weise infektiöse Erreger in Arzneimittel geraten. Auch diese Gefahrenlücke muß dringend durch klare Produktvorgaben und -kontrollen geschlossen werden.
Die EU-Diskussion über eine Lockerung des Exportverbots von Gelatine und Talg betrifft genau diese Hilfsstoffe, die aus Körperbestandteilen von Rindern hergestellt werden. Der wichtigste Hilfsstoff ist Gelatine, die in sämtlichen Kapseln eingesetzt wird. Insgesamt enthalten zirka 24 000 Arzneimittel Hilfsstoffe von Rindern, davon allein 16 000 Gelatine oder Lactulose.
Die Herstellungsverfahren sind nicht absolut sicher. Erreger überleben hohe Temperaturen und den Einsatz von radikalen Desinfektionsmitteln. Auch den Hinweis, Material nur aus BSE- freien Beständen zu verwenden, hinterfrage ich in dem Wissen, dass es fast kein Mitgliedsland gibt, in dem nicht BSE-Fälle bekannt sind.
Eine Lockerung des Exportverbots könnte also eine Katastrophe bedeuten. Deshalb müssen wir den Gesundheitsminister auffordern, sich nicht durch englische sogenannte Erpressungsversuche einschüchtern zu lassen. Wenn in der nächsten Verzögerungsetappe, am 3. und 4. Juni, erneut über eine Lockerung der Exportbestimmungen beraten wird, darf es nicht zu einer Aufweichung kommen. Leider mehren sich die Signale, dass sich die Kommission für eine Lockerung entschließen könnte, wenn es nur um Gelatine und Talg geht. Sperma soll ausgenommen sein.
Schon lange haben wir auch auf die ungelöste Problematik bei der Verwendung von Frischzellen hingewiesen. Wir hoffen, dass die Bundesregierung endlich die notwendigen gesetzlichen Regelungen trifft, um auch in diesem Bereich die Gefahrenquelle zu schließen.
Auskünfte darüber, ob Kosmetika in irgendeiner Form Rinderbestandteile enthalten, gibt es nicht. Hier wirkt das geheime Spiel immer neuer, ständig wechselnder Rezepturen um immer größere Wirksamkeit gegen Fältchen oder sonstige sogenannte Schönheitsfehler. Die für 1998 geplante Änderung der Kosmetikverordnung auf EU-Ebene muß dringend vorgezogen werden, um die Erfüllung des notwendigen Regelungsbedarfs sicherzustellen.
Immer wieder haben wir in der Vergangenheit auch auf die Intensivierung der Erforschung der menschlichen und tierischen spongiformen Enzephalopathie, der Infektionswege und der Nachweismethode gedrängt und die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel gefordert. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich bei der EU-Kommission nachdrücklich für eine Abstimmung der Programme zwischen den Ländern der EU und den Forschungsprogrammen der EU einsetzt, damit gemeinsame Strategien entwickelt werden, ein effektives Handlungskonzept entstehen kann und ausreichend Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden.
Ich erlaube mir den Hinweis auf Mitteilungen aus Ihrem Haus, Herr Minister Seehofer, in denen auf die erheblichen Wissenslücken und den erheblichen Forschungsbedarf bei der Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung und BSE hingewiesen wird, was ebenfalls in unserer Anhörung am 16. April beschrieben wurde.
Ich greife ein Detail unseres Antrags dazu auf: die ungeklärte Situation in bezug auf die Milch von an BSE erkrankten Kühen. Die wissenschaftlichen Aussagen zum Problem Milch in der eben genannten Anhörung kann ich Ihnen nicht vorenthalten. Herr Professor Heeschen sagte: Dadurch bin ich zu der für einen Wissenschaftler einigermaßen zumutbaren Feststellung gekommen, dass ein Risiko für den Verbraucher . . . mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Gleichzeitig sagt er, dieses sei "als Wahrscheinlichkeit zu interpretieren, dass ein gesundheitlich unerwünschter Effekt besteht." Das ist ein Widerspruch. Eine klare Aussage fehlt auch in diesem Punkt.
Es kann nicht beruhigen, wenn - ich beziehe mich wieder auf die Aussage von Wissenschaftlern in der erwähnten Anhörung - bei 300 britischen Kälbern, die mit BSE-Milch gefüttert wurden, bisher keine Erkrankungszeichen erkennbar sind. Klar ist doch auf jeden Fall eines: Die Lebenszeit der Kälber ist einfach zu gering und die Inkubationszeit möglicherweise zu lang. In dieser Hinsicht erwarten wir eine Erforschung des Gefahrenpotentials.
Wir sind noch lange nicht auf der sicheren Seite des vorsorgenden Verbraucherschutzes - trotz des bestehenden Exportverbots. Ich möchte noch einmal daran erinnern, in welchem Umfang Rinder, Kälber, Fleisch und daraus hergestellte Produkte nach Deutschland, aber auch in die EU und Drittländer verbracht wurden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gelangten 1994 allein aus England 101 870 Tonnen Rindfleisch nach Frankreich. Gleichzeitig exportierte Frankreich aber auch 54 850 Tonnen Fleisch nach Deutschland. Es ist sicher nicht zu vermuten, dass das alles gerade Fleisch aus Großbritannien war, das zu uns kam. Aber ganz auszuschließen ist es auch nicht.
Da sich meine Redezeit dem Ende nähert, komme ich zum Schluß. Der europaweit vorsorgende Gesundheits- und Verbraucherschutz darf nicht hinter den ökonomischen Interessen der Fleischerzeuger zurückstehen. Schon gar nicht darf er zum Spielball internationaler politischer Machtinteressen werden.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Seehofer.
Horst Seehofer, Bundesminister für Gesundheit:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage von BSE ist ohne Zweifel eine der größten Herausforderungen für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in den letzten zehn Jahren. Gerade weil wir es mit einem sehr sensiblen und ernsten Thema und mit vielen wissenschaftlich noch offenen Fragen zu tun haben, kommt es darauf an, dass wir die Bevölkerung richtig aufklären und unser Tun wissenschaftlich fundiert ausrichten.
Gerade weil in diesen Tagen sehr häufig der Verdacht geäußert wird, die Bundesrepublik Deutschland könnte sich unabhängig von internationalen Erkenntnissen aus vordergründigen Überlegungen und Erwägungen auf eigene Bewertungen und eigene Zielstellungen zurückziehen, möchte ich heute ausschließlich Bewertungen, Zitate und Zielformulierungen verwenden, die uns von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Sitzung des Gesundheitsrates am 14. Mai in Brüssel ausgehändigt worden sind.
In dieser Dokumentation wird ausgeführt, dass die gegenwärtige Besorgnis über BSE und einen möglichen Zusammenhang mit CJD, also der menschlichen Form der Enzephalopathie, auf eine Erklärung der britischen Behörden vom 20. März 1996 zurückzuführen ist, die sich auf den Bericht einer nationalen britischen Sachverständigenkommission stützt. Dieser Bericht betrifft eine Variante von CJD, die im Vereinigten Königreich bei zehn Personen mit einem Durchschnittsalter von 26,3 Jahren beobachtet wurde, und zwar dank eines Überwachungssystems, das von einem fünf Mitgliedstaaten umfassenden Netz mit finanzieller Unterstützung der Kommission betrieben wird. In diesem Bericht, der von der Europäischen Kommission dokumentiert wurde, wird folgende Schlußfolgerung gezogen: Es gibt zwar keinen direkten Beweis für einen Zusammenhang, doch angesichts der bislang vorliegenden Daten und mangels einer plausiblen Alternative ist die zur Zeit wahrscheinlichste Erklärung, dass diese Fälle mit der Exposition gegenüber BSE vor der Einführung des SBO-Verbots, (d. h. des Verbots der Verwendung bestimmter Sonderabfälle vom Rind) im Jahr 1989 in Zusammenhang stehen.
Es handelt sich um Erkrankungen von sehr jungen Menschen mit wesentlich kürzerer Inkubationszeit, als bisher bekannt. Das ist also keine deutsche Risikobewertung, sondern eine Risikobewertung britischer Wissenschaftler, die dem dortigen Parlament mitgeteilt wurde, die von der Europäischen Kommission geteilt wird und die uns auch im Gesundheitsministerrat dokumentiert übergeben wurde.
Meine Damen und Herren, das ist für die Frage, ob der BSE-Erreger auf den Menschen übertragbar ist, eine fundamental andere Risikobewertung, als sie bis Anfang März übereinstimmend von Wissenschaftlern vertreten wurde.
Die Risikoeinschätzung früher lautete: Es ist eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Ein Wunschdenken!) - Herr Wodarg, das Thema ist so ernst, dass wir uns als Parlamentarier heute mit solchen Zwischenrufen zurückhalten sollten. (Beifall bei der CDU/CSU)
In der wissenschaftlichen Fachsprache ist es ein Restrisiko. Diese neue wissenschaftliche Bewertung macht aus dem Restrisiko eine Wahrscheinlichkeitshypothese. Auch wenn es nicht bewiesen ist, so ist die Übertragung doch wahrscheinlich.
Wir haben in der gleichen Sitzung des Gesundheitsministerrats eine interdisziplinäre wissenschaftliche Kommission mit dem Vorschlag eingesetzt, einen Wissenschaftler aus der Schweiz, Charles Weissmann, zum Vorsitzenden dieser Kommission zu machen. Er hat heute nach einer Agenturmeldung erklärt, dass er davon überzeugt sei, "daß ein Zusammenhang besteht zwischen der Rinderseuche BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen."
Der "Basler Zeitung" vom letzten Mittwoch sagte Weissmann, er sei sicher, dass in den bekanntgewordenen Creutzfeldt-Jakob-Fällen die tödliche Gehirnerkrankung durch infizierte Rinder übertragen wurde. Dies sei aber wissenschaftlich schwer zu beweisen. Weissmann hielt es zudem für möglich, dass Rinder auch an BSE erkranken können, ohne mit Tiermehl aus Schafskadavern gefüttert worden zu sein.
Meine Damen und Herren, das ist die ganz objektive, von unserer eigenen Einschätzung unabhängige Meinung der britischen Wissenschaft, der EU-Kommission und des von der Europäischen Union als unabhängiger Gutachter eingesetzten Schweizer Biologen Charles Weissmann. Ich sage das vor dem Hintergrund mancher Äußerungen dieser Tage, wir hätten unsere eigene Risikoeinschätzung in der Bundesrepublik Deutschland konstruiert. Daran können wir - unabhängig von der Verunsicherung der Verbraucher, die ernsthaft doch niemand bewußt betreiben will - kein Interesse haben. Ich muß immer wieder darauf hinweisen, dass gerade der deutsche Rindfleischmarkt - der Kollege Jochen Borchert wird das noch ausführlich darlegen - von dieser ganzen Diskussion besonders nachhaltig, und zwar negativ, betroffen ist. Schon von daher können wir kein Interesse daran haben, das Thema Rinderwahnsinn in der Bundesrepublik Deutschland unangemessen zu behandeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Die zweite Frage ist, ob man für Gelatine, Talg und Rindersamen das Exportverbot lockern sollte. Auch dazu möchte ich aus dem Dokument, das am 14. Mai dem Gesundheitsministerrat vorgelegt wurde, vortragen. Es heißt hier: Bei Lebensmitteln und Arzneimitteln, für die in erster Linie Gelatine und Talg in Frage kommen, muß man die Eventualität eines Risikos der BSE-Übertragung durch Lebensmittel oder Arzneimittel, zu deren Ausgangsstoffen Gewebe oder Körperflüssigkeiten vom Rind zählen, zugrunde legen; denn das Wichtigste ist, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass diese Erzeugnisse nicht infektiös sind.
Dann zitiert die Kommission zwei wissenschaftliche Gremien, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt sind: einmal die Weltgesundheitsorganisation und zum zweiten den wissenschaftlichen Ausschuß, der für Kosmetik zuständig ist. Es liegt ein entsprechendes Gutachten eines wissenschaftlichen Ausschusses für Arzneimittel auf europäischer Ebene vor.
Weil das Thema in diesen Tagen so wichtig ist, muß ich Ihnen zumuten, dass ich Ihnen aus den Empfehlungen der WHO vorlese, was sonst nicht meine Art ist. Ich zitiere: Gelatine in Lebensmitteln wird als sicher betrachtet, wenn sie nach einem Herstellungsverfahren und unter Produktionsbedingungen hergestellt wird, die nachgewiesenermaßen jegliche Infektiosität, die in den ursprünglichen Geweben vorhanden gewesen sein könnte, inaktivieren. Talg wird ebenfalls als sicher betrachtet, wenn wirksame Verfahren der Tierkörperverwertung angewandt werden. Das betrifft Lebensmittel. Es wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Material von Rindern, das für die pharmazeutische Industrie bestimmt ist, nur aus Ländern bezogen werden sollte, die ein Überwachungsystem haben und entweder keine oder nur sporadische Fälle von BSE melden. Eliminierungs- und Inaktivierungsverfahren tragen zwar dazu bei, das Infektionsrisiko zu senken, doch es muß berücksichtigt werden, dass der BSE-Erreger außerordentlich widerstandsfähig ist gegenüber physikalisch-chemischen Verfahren, die die Infektiosität gewöhnlicher Mikroorganismen ausschalten. Das heißt, wir haben hier ein wissenschaftliches Votum der Weltgesundheitsorganisation, uns am 14. Mai vorgelegt: bei Lebensmitteln, wenn ausreichend inaktiviert wird - keine Bedenken; bei Arzneimitteln - Bedenken.
Bei Kosmetika stellt der auf europäischer Ebene eingesetzte Wissenschaftsausschuß fest: Angesichts des heutigen Kenntnisstandes ist der SCC der Ansicht, dass alle Gewebe und Körperflüssigkeiten, die von Rindern aus BSE- Endemiegebieten stammen, den BSE-Erreger übertragen können. Daher sind solche Gewebe und Körperflüssigkeiten wie auch aus ihnen hergestellte Inhaltsstoffe nicht in kosmetischen Mitteln zu verwenden. Wenn kein vollständiger Herkunftsnachweis erbracht werden kann, aus dem hervorgeht, dass das Material frei von dem BSE-Erreger ist, ist die Inaktivierung mittels anerkannter Methoden angemessen nachzuweisen.
Es gibt auch eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur, die in London sitzt und europäisch organisiert ist, die bei Gelatine bezüglich Arzneimitteln zu dem Ergebnis kommt, dass das Ausgangsmaterial nicht von Rindern stammen soll, die in Großbritannien geschlachtet sind. Ich weise der Korrektheit halber darauf hin - das steht in dieser Dokumentation nicht -, dass es auch einen Wissenschaftlichen Veterinärausschuß gibt, der diese Bedenken nicht teilt.
Meine Damen und Herren, bei dieser von mir eingangs genannten Risikobewertung, bei der es um die Wahrscheinlichkeitshypothese geht - Übertragung des BSE-Erregers auf den Menschen wahrscheinlich -, können wir bei unterschiedlichen wissenschaftlichen Voten nicht das Risiko eingehen , zu warten, bis der letzte Beweis angetreten ist, sondern unsere Bitte - Kollege Jochen Borchert hat das im Agrarrat immer wieder vorgetragen, und ich habe das gleiche im Gesundheitsrat getan - an die EU- Kommission ist, dass diese unterschiedlichen wissenschaftlichen Voten, die nicht aus Deutschland stammen, sondern auf europäischer Ebene bzw. weltweit entwickelt wurden und die uns - ich sage es noch einmal - am 14. Mai von der Kommission dokumentiert übergeben wurden, von der Kommission zunächst einmal koordiniert und aufeinander abgestimmt werden. Deshalb haben wir am 14. Mai die Einsetzung eines multidisziplinären wissenschaftlichen Ausschusses auf europäischer Ebene in Brüssel beschlossen. Das wäre eine der ersten Aufgaben, die dieser Ausschuß unter dem Vorsitz von Charles Weissmann, den ich zitiert habe, erledigen könnte.
Meine Damen und Herren, es ist also unsere Forderung, dass man angesichts des gewaltigen Risikos, das hier für Menschen möglicherweise besteht, diese unterschiedlichen wissenschaftlichen Meinungen aufeinander abstimmt und koordiniert. Ich kann mir eine Lockerung des Ausfuhrverbotes für Gelatine, Talg und Rindersamen nicht vorstellen, wenn sie nicht auf einer eindeutigen wissenschaftlichen Basis beruht, die jedes Risiko für die menschliche Gesundheit ausschließt. (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD) Wir können bei einem Risiko, das von der Wahrscheinlichkeit der Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen ausgeht, nicht das kleinste Risiko eingehen. Ich erinnere an den Southwood-Bericht Ende der 80er Jahre, der - damals noch - zu dem Ergebnis kam: Wir gehen zwar nicht davon aus, dass BSE auf den Menschen übertragbar ist. Aber wenn wir in dieser Hypothese Unrecht haben sollten, dann wäre dies eine Katastrophe für die Menschen.
Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich in aller Ruhe und aller Gelassenheit sagen: Wir akzeptieren und respektieren die ungewöhnlich schwierige Lage innerhalb des Vereinigten Königreichs. Wir wollen, wo immer es geht, mithelfen bei der Lösung der Probleme. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen den gesundheitlichen Verbraucherschutz der Menschen an die oberste Stelle setzen. (Beifall der Abg. Lilo Blunck [SPD] und der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]) Deshalb kommt es zuallererst darauf an, dass die internationale Wissenschaft bei der Bewertung dieses Problems auf einen Nenner kommt. Wenn dieser Nenner nicht eindeutig ist, bitte ich um Unterstützung - und, wenn andere Meinungen vorherrschen sollten, auch um Verständnis - dafür, dass wir, so wie bisher übrigens auch, den Verbraucherschutz an die oberste Stelle setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD - Lilo Blunck [SPD]: Die Politik muß Vorsorge treffen!)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Monika Knoche.
Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Die Aufweichung des Embargos ist keine Antwort. Das steht fest. Sie wird kein Vertrauen einflößen. Solange nicht geklärt ist, ob der hirnzerstörende Erreger in die Spezies Mensch eingedrungen ist, gilt Primärprävention, und zwar ohne Einschränkung.
Auch wenn die Regierung jetzt am Exportverbot festhält und das hier bestätigt, ist das Jahr 1994 für mich immer noch entscheidend. Wir haben jetzt zwar das Exportverbot, aber können die gesundheitspolitischen Fragen nicht beantworten: Was ist, wenn sich die Expertenmeinung auf ein "Ja, übertragbar!" verdichtet? Was ist, wenn es als wahrscheinlich gilt, dass die zehn Neuerkrankungen in England eine Art neuer Creutzfeldt-Jakob- Erkrankung sind? Was ist, wenn die Neuropathologie in Deutschland ebenfalls BSE-typische Plaque-Ablagerungen bei Verstorbenen findet? Dann ist das BSE-Problem kein englisches, dann ist es ein kontinentales, ein gesamteuropäisches Problem, für das es keine medizinische Lösung gibt.
Die epidemiologische Datenlage ist dürftig. Sie sagt nichts Eindeutiges über eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung in Deutschland aus. Sie zeigt nur, dass wir, wenn die Erregerforschung keine Ergebnisse bringt, erst um die Jahrhundertwende mehr darüber wissen, ob sich eine neue BSE-/Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung ausgebreitet hat, und zwar über die Todesursachenstatistik.
Der Forschungsbedarf ist beträchtlich. CJK wird vom Menschen auf den Menschen übertragen, über Transplantate, über Hormone gegen Unfruchtbarkeit der Frau, über EEG-Elektroden im Gehirn, über Hirn- und Augenhornhäute von Toten. Die Inaktivierungsverfahren versagen bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung.
Welche Analogien zu BSE sind statthaft? Herr Minister Seehofer, Sie haben dankenswerterweise den Stand der internationalen unabhängigen Forschung genannt. Wir werden sehen, ob sich die Ängste der Bevölkerung als Vorahnung erweisen.
Ich habe von den Fachleuten der deutschen Bundesinstitute gehört, dass es sich durchaus um einen interessengeleiteten Streit handelt, der hinter dem Konflikt zwischen der Virus- und der Prionenhypothese steckt. Warum arbeiten weltweit nur vier Virologen an der Virustheorie, und warum werden 90 Prozent der Forschungsgelder für die Prionenforschung ausgegeben? Warum gibt das Bundesministerium für Gesundheit nur 1,5 Millionen DM von insgesamt lediglich 6 Millionen DM diesbezüglicher Forschungsmittel aus?
Ich weiß nicht, ob der Hypothesenstreit die Forschung über ein Nachweisverfahren behindert. Aber reichen 6 Millionen DM angesichts der Seuchendimension? Immerhin sind schon 160 000 Tiere verendet. Wir brauchen Klarheit über BSE. Wir brauchen Antikörpertests, und das nicht nur bei toten Tieren.
Wenn es eine neue Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung gibt: Wie sicher sind dann Blutübertragungen? Sie selbst haben die Analogie zu HIV hergestellt. Wer wird haften, wenn eine oder einer infiziert wurde? Welche Rechtsposition hat die Regierung heute schon für die möglichen Betroffenen vorgesehen?
Wir werden uns im Gesundheitsausschuß weiter mit diesen umfassenden Fragen zu beschäftigen haben, weil wir in der Politik nicht darauf hoffen dürfen, dass es so schlimm nicht kommen wird. Egal, was wir bei den Ergebnissen erfahren werden: Die Parole "falscher Alarm" ist - egal, von wem sie wann kommt - so und so falsch, auch wenn BSE nicht auf den Menschen übertragen worden sein sollte, weil richtig und bewiesen ist: BSE ist ein ungewolltes Nebenprodukt industrieller Fleischproduktion. Das Sich-Vergreifen des Menschen an der natürlichen Ernährung seines Nahrungsmittels Tier ist das Grundübel. Alle Entwarnungen laufen heute schon darauf hinaus, den wahren Wahnsinn der Rindfleischwachstumsproduktion wieder zur Normalität zu erheben.
(Hans-Ulrich Köhler [Hainspitz] [CDU/CSU]: Das Grundübel ist Schlamperei bei der Herstellung!)
Ich bin sehr froh, dass sich hier in diesem Haus - wenn auch sehr spät, aber jetzt auf Grund der wissenschaftlichen Aussagen, auf die wir schon 1994 vertraut haben - unser Bundesgesundheitsminister für die präventive Gesundheitsvorsorge entschieden hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Heinrich.
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man muß sich schon fragen, was in einem Land vor sich geht, in dem 1985 bereits die ersten Fälle von BSE aufgetreten sind, in dem bis heute mehr als 160 000 Rinder an BSE erkrankt sind und beseitigt werden mußten, das ganz Europa in helle Aufregung versetzt und bis heute noch keinen entscheidenden Schritt unternommen hat, um BSE wirksam zu bekämpfen. Anstatt gegen die Seuche vorzugehen, wird das Exportverbot, also die Folge der BSE-Seuche, vehement bekämpft.
Meine Damen und Herren, solange nicht wissenschaftliche Nachweise vorliegen, die die Unbedenklichkeit des Verzehrs von britischem Rindfleisch bestätigen, und solange die britische Regierung nicht in der Lage ist, die Bekämpfung der Seuche in der notwendigen Form tatsächlich durchzuführen, darf dieses Exportverbot nicht gelockert werden.
(Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD)
Wie kam es eigentlich zu dem Exportverbot für britisches Rindfleisch und daraus hergestellten Produkten? Der britische Gesundheitsminister selber hat diese Lawine losgetreten, als er Ende März vor dem Unterhaus das erste Mal öffentlich zugab, dass es ein wissenschaftliches Gutachten gebe, das besagt, dass ein Zusammenhang zwischen BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Menschen bestehen könnte.
Heute beschimpft der britische Premierminister Major Verbraucher und Politiker, weil sie die Konsequenzen aus dieser Aussage gezogen haben. Ich erlaube mir, hier die Queen zu zitieren: "We are not amused." Und ich sage für ganz Deutschland: We are not amused about that.
Wir wissen doch alle ganz genau, dass dieses Problem nicht durch gegenseitige Schuldzuweisungen gelöst werden kann, sondern nur durch gemeinschaftliches Handeln. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Wir reichen unseren britischen Freunden die Hand zu einer gemeinsamen, solidarischen Lösung, (Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.]) und wir übernehmen bei den Keulungsaktionen, die notwendig sind, um die Seuche wirksam zu bekämpfen, 70 Prozent der Kosten für die Entschädigung der betroffenen Landwirte.
Ich möchte hier ausdrücklich mein Mitgefühl für die Probleme der britischen Landwirte aussprechen. Das sind nämlich diejenigen, die die Zeche zu bezahlen haben. Sie sollten einmal Druck auf ihre Regierung ausüben.
Allerdings sage ich ebenso deutlich: Vorbeugender Gesundheitsschutz zur Abwehr gesundheitlicher Gefährdungen der Verbraucher hat absolute Priorität und kommt vor wirtschaftlichen Interessen. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erst recht kann und darf die Sicherheit von Menschenleben keine politische Verhandlungsmasse sein.
Zum vorbeugenden Verbraucherschutz gehört neben der Keulung der über 30 Monate alten Tiere und deren Vernichtung eine noch viel größere Aufmerksamkeit hinsichtlich Herstellung, Kontrolle und Einsatz von Tiermehl. Es geht also um die grundsätzliche Bewertung des Fütterungskreislaufes. Wenn es tatsächlich zutrifft, dass die Übertragung von BSE in erster Linie über Tiermehle erfolgt - aber nicht einmal das ist mehr wissenschaftlicher Stand; hier sind die Gefahren wohl noch breiter anzusehen -, die aus Schlachtabfällen von Schafen hergestellt wurden, dann ist die Entscheidung des EU- Agrarministerrates hinsichtlich der Umrüstung der Tiermehlanlagen in Großbritannien bis Ende dieses Jahres für mein Dafürhalten schlichtweg unverantwortlich. (Beifall bei der F.D.P. und der SPD) Entweder haben sie ordentliche Anlagen, dann ist es in Ordnung, oder sie haben sie nicht. Wenn sie sie nicht haben, kann es nicht sein, dass man in ihnen noch länger Tiermehle produziert und damit in den Fütterungskreislauf hineinbringt.
(Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höfken?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ja, bitte.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Warum steht denn diese Aussage zum Tiermehl und zu den Verfahrensumstellungen nicht in Ihrem Antrag?
Ulrich Heinrich (F.D.P.): Meine sehr verehrte Frau Kollegin Höfken
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]:
Das steht in der Antwort der Bundesregierung! Die hätten Sie einmal lesen müssen!) - genau -, (Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
wir sind der Meinung, dass die Tiermehlproduktion in der von mir beschriebenen Art und Weise zu erfolgen hat. Hier geht es in erster Linie um die Tiermehlanlagen, die in Großbritannien stehen. Wir wissen, dass wir in Deutschland schon viele Jahre nach wissenschaftlich anerkannten Regeln produzieren und Großbritannien hier noch erheblichen Nachholbedarf hat. Ich fordere deshalb eine sofortige Umstellung dieser Anlagen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Bredehorn?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ja, bitte.
Günther Bredehorn (F.D.P.):
Herr Kollege, haben Sie eine Erklärung dafür, dass das Vereinigte Königreich hinsichtlich der Anlagen auf die Gefährlichkeit der Übertragung über Tiermehl, die seit fünf Jahren bekannt ist, in diesen fünf Jahren überhaupt nicht reagiert hat?
(Klaus Kirschner [SPD]:
Aus wirtschaftlichen Gründen, das ist ganz einfach! Das wissen Sie doch!)
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ich habe nicht nur für die, wie ich das einmal nennen darf, nicht nachvollziehbare Schlamperei in Großbritannien kein Verständnis, sondern ich habe auch kein Verständnis dafür, dass es fünf Jahre dauern mußte, bis die britische Regierung dieses Problem endlich einmal öffentlich im Unterhaus diskutiert hat. Das ist doch der Punkt. Hier hat doch die Sensibilität nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Regierung gefehlt. Hier ist doch nichts erfolgt.
Zusätzlich muß die Möglichkeit einer verbesserten Kontrolle von Importfuttermitteln und Tiermehlen geschaffen werden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Stichproben bei Importen von Futtermitteln und Tiermehlen reichen nicht mehr aus. Ich fordere deshalb wegen einer zur Zeit nicht auszuschließenden Gesundheitsgefährdung - das ist meine Begründung dafür -, dass eine generelle Untersuchung von Futtermitteln und Tiermehlen zu erfolgen hat. Ich sage Ihnen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der SPD) Wir haben Systeme und Testverfahren, mit denen wir in der Lage sind, nachzuweisen, ob in den Kraftfuttermischungen für Rauhfutterfresser Tierprotein enthalten ist oder nicht. Genau das brauchen wir. Das müssen wir untersuchen. Auf Grund der derzeitigen Situation ist es für mich unverantwortlich, hier die Grenzen länger ohne entsprechende Kontrollen offenzulassen.
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäfer?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ja, bitte.
Dr. Hansjörg Schäfer (SPD):
Ich habe eine schlichte Verständnisfrage, Herr Kollege: Auf was wollen Sie denn untersuchen? Kennen Sie eine Untersuchungsmethode?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ja. Es wird nicht auf BSE-Erreger untersucht - denn die finden Sie nicht -, sondern es wird untersucht, ob in Futtermitteln, die für den Rauhfutterfresser, sprich Rind und Schaf, bestimmt sind, tierisches Eiweiß enthalten ist, und wenn tierisches Eiweiß enthalten ist, ist das das Gegenteil dessen, was wir unter einer verantwortungsvollen Fütterung von Rindern und Schafen verstehen. Tiermehl, tierisches Eiweiß hat in diesen Futtermischungen nichts zu suchen. Außerdem ist es verboten. (Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Wodarg?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Bitte.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Sie haben eben gesagt, dass Kontrolle besser ist als Vertrauen. Heißt das, dass Sie in der F.D.P. jetzt umdenken und daß Sie dazu übergehen, die staatliche Kontrolle im Lebensmittelbereich stärker zu bewerten, und nicht mehr so sehr auf die freiwillige Selbstkontrolle der Firmen vertrauen? Haben Sie hier schlechte Erfahrungen gemacht? Lernen Sie hieraus?
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Wenn Sie meine Rede von vor fünf oder sechs Jahren, als ich das erste Mal in diesem Hause zu BSE gesprochen habe, nachlesen, dann werden Sie dort die gleiche Sensibilität finden, die ich heute an den Tag lege. Wir haben hier nichts hinzuzulernen. Wir waren schon immer ausgesprochen auf der sicheren Seite, und für uns war schon immer der Verbraucherschutz das Thema Nummer eins. (Beifall bei der F.D.P.)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Herr Kollege, Sie haben zwar schon viele Zwischenfragen beantwortet, aber auch der Herr Kollege Ronsöhr möchte noch eine stellen.
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Ihm kann ich natürlich keine Frage abschlagen.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Kollege. - Können Sie bestätigen, dass für die Lebensmittelkontrolle die Länder zuständig sind, und würden Sie das bitte auch einmal den Kollegen der anderen Fraktionen so übermitteln? Wenn ein Versagen der Lebensmittelkontrolle vorliegt, dann sind die Länder verantwortlich, und wie die Länder handeln, das wissen wir ja ziemlich genau.
(Zuruf von der F.D.P.: Und die rot-grünen am schlimmsten!)
Ulrich Heinrich (F.D.P.):
Herr Kollege Ronsöhr, für Lebensmittelkontrolle, für den Wirtschaftskontrolldienst usw. sind selbstverständlich die Länder zuständig. Das kann uns aber von der Notwendigkeit der Diskussion über erforderliche zusätzliche Kontrollen nicht freisprechen. (Zuruf von der SPD: Richtig!) Ich glaube, wir sollten uns dem Thema widmen, und wir sollten es deshalb heute auch ansprechen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Verbraucherschutz heißt auch, dass der Konsument wissen muß, was er kauft. Es muß endlich europaweit eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, damit die Entscheidungsmöglichkeit in den Händen des Verbrauchers liegt, welche Nahrungsmittel er kaufen will. Nur der verunsicherte Verbraucher reagiert mit Kaufverzicht, der unsere Bauern und die fleischverarbeitenden Betriebe, die Metzgereien, ohne deren Verschulden in riesengroße wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat.
(Zuruf von der CDU/CSU: Da geht es um die Existenz!)
Wir brauchen deshalb vertrauensbildende Maßnahmen. Sie müssen jetzt parallel laufen: Das eine ist, Vorsorge zu treffen, aber wir müssen auch Vertrauen schaffen für das Produkt Rindfleisch in der Bundesrepublik Deutschland. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Hier möchte ich ausdrücklich die CMA loben, die mit ihren Werbespots und mit ihrer Information einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass man den Verbraucher informiert und daß das Vertrauen in das deutsche Rindfleisch wiederhergestellt wird.
Daneben kommt regionalen Herkunfts- und Qualitätsprogrammen, wie sie bereits in einigen Ländern existieren, eine immer wichtigere Rolle zu. Auch das gehört zum Verbraucherschutz, auch das gehört zu vertrauensbildenden Maßnahmen. Sie garantieren den Verbrauchern die regionale Herkunft und eine höhere Qualität.
Höhere und garantierte Qualität kann es allerdings nicht zum Nulltarif geben. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch) Da bitte ich Sie, dass Sie das Ihren Verbraucherinnen und Verbrauchern auch sagen: Nicht der Billigeinkauf, nicht das Fleischdumping sind hier gefragt, sondern die Qualität - und das kostet auch etwas. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS)
Ich möchte zum Abschluß aber noch grundsätzlich meine Sorgen über die Entwicklung in der Ethik der Lebensmittelproduktion zum Ausdruck bringen. Wer Pflanzenfressern Tiermehle als Futter anbietet, entfernt sich meilenweit von dem, was ich für eine ethisch vertretbare Landwirtschaft halte. (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU, der SPD und der PDS) Meine Damen und Herren, Rinder fressen nun einmal keine Schafe, und die Natur schlägt jetzt zurück. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist nicht bewiesen, ob der BSE-Erreger auch auf den Menschen übertragbar ist. Das haben wir vom Gesundheitsminister gehört, und das wissen wir von den Wissenschaftlichen Beiräten. Das Gegenteil ist allerdings auch noch nicht bewiesen. Um aber zu einer besseren Analyse zu kommen, brauchen wir genauere Statistiken und medizinisch einheitliche Kriterien, um bei der Creutzfeldt-Jakob- Feststellung zuverlässige Daten zu bekommen. Deshalb muß mindestens europaweit eine Meldepflicht für die Creutzfeldt-Jakob- Krankheit eingeführt werden. Ich verstehe nicht, warum man hier noch zögert und warum der europäische Ministerrat diese Dinge nicht schon längst beschlossen hat. Eine Meldepflicht für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit halte ich angesichts der Ernsthaftigkeit dieser Diskussion und der Gefährdung von Menschenleben für zwingend notwendig.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass wir nur zusammen mit den Briten eine dringend notwendige Seuchenbekämpfung durchführen können. Deshalb halte ich es für kontraproduktiv, wenn aus Großbritannien harsche Töne kommen. Ich unterstreiche noch einmal: Wir reichen den Briten zur Beseitigung der Seuche die Hand. Wir sind aber nicht bereit, uns für eine Maßnahme, die aus gesundheitspolitischer Sicht notwendig und richtig ist, beschimpfen zu lassen. Danke schön.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich erteile der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs das Wort.
Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist irgendwie erfreulich, wenn man die Diskussionsbeiträge heute hört. Ich erinnere mich noch an die letzte Debatte. Da gab es, glaube ich, wesentliche Unterschiede.
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die gibt es heute auch noch!)
Ja, ich glaube aber, in bestimmten Fragen sind wir uns doch wohl einig geworden, dass das ganze Problem nicht einfach von der Hand zu weisen ist.
Im März dieses Jahres ist es zu dem gekommen, was die Opposition in diesem Haus seit Jahren gefordert hat, was auch Minister Seehofer im April 1994 - leider aber nur für sehr kurze Zeit - schon einmal als eigene Einsicht formuliert hatte: Verhängung eines vollständigen Importverbotes für britisches Rindfleisch und aus ihm hergestellte Produkte in Form einer Dringlichkeitsverordnung. Was hat die Regierung nun bewogen, nicht länger vor den Interessen einer britischen Fleischlobby zurückzuweichen und die damit verbundene Verweigerungshaltung in dieser Frage aufzugeben?
Am Nachmittag des 20. März 1996 erklärte der britische Gesundheitsminister vor dem Unterhaus, dass der BSE- Beratungsausschuß seiner Regierung zu dem Schluß gelangt sei, dass die gegenwärtig wahrscheinlichste Erklärung für zehn ungewöhnliche und deshalb auf das sorgfältigste untersuchte Creutzfeldt-Jakob- Erkrankungsfälle darin besteht, dass sie aus einem Kontakt der erkrankten Menschen mit von BSE-befallenen Tieren herrühren. Dies war zweifellos ein sensationeller und zugleich höchst alarmierender Befund.
Dennoch hatte sich damit die bisherige Risikobewertung durch deutsche und internationale Wissenschaftler kaum gravierend verändert. Auch bis zu diesem Zeitpunkt war es schon so, dass die Wissenschaft zwar keinen letzten Beweis für die Übertragung von BSE auf den Menschen hatte, andererseits aber auch das entsprechende Risiko nicht ausschließen konnte.
In einer gemeinsamen Erklärung des Robert-Koch-Institutes und des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vom 29. März 1996 heißt es dazu, dass die Stellungnahme des britischen Gesundheitsministeriums die Auffassung der Berliner Institute bestätigt hat. Bereits 1993 hatten sich beide Institute gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium dahin gehend geäußert, dass - ich zitiere - die Übertragung der Krankheit unter geeigneten Bedingungen auch auf den Menschen möglich sein kann. (Zuruf von der SPD: Hört! Hört!) Diese Einschätzung stützte sich vor allem auf die besorgniserregende Tatsache, dass der BSE-Erreger bereits auf entwicklungsgeschichtlich sehr weit von den Rindern entfernte Säuger wie Katzen und katzenähnliche Tiere experimentell mit der Nahrung übertragen worden war. Damit war das gleiche für den Menschen denkbar geworden, auch wenn wissenschaftliche Beweise nach wie vor ausstanden.
Der begründete Verdacht der Übertragbarkeit besteht also nicht erst seit März dieses Jahres. Die britischen Informationen zu den zehn Creutzfeldt-Jakob-Fällen haben ihn letztlich nur weiter erhärtet. In einer solchen Situation und vor allem auch angesichts der außerordentlichen Gefährlichkeit der Krankheit und der verheerenden Folgen ihres Übergreifens auf den Menschen kann verantwortliches politisches Handeln aber immer nur darin bestehen, von der jeweils ungünstigsten Entwicklungsmöglichkeit auszugehen, sie dem politischen Handeln zugrunde zu legen und dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung absolute Priorität einzuräumen.
Heute muß konstatiert werden: Dieser Verantwortung ist die Bundesregierung, sind beide zuständigen Minister in den zurückliegenden Jahren nicht gerecht geworden. Mehr noch: Es steht der Verdacht im Raum, dass sich die Bundesregierung über die unmißverständlichen Warnungen ihrer eigenen wissenschaftlichen Beratungsgremien hinwegsetzte und mit der Gesundheit der Menschen dieses Landes va banque gespielt hat. Dabei mußte zumindest Minister Seehofer aus eigener Erfahrung mit einer fast analogen Problematik sehr genau wissen, was auf dem Spiel steht. Im Falle der HIV-Infektion der Bluter haben bei ganz ähnlichen Risikobewertungen ebenfalls gravierende Unterlassungen des Bundesministeriums und der Aufsichtsbehörden zwischen 1983 und 1985 zum späteren Tod von Hunderten von Menschen geführt. Minister Seehofer verdiente Respekt, als er sich dafür Anfang 1995 im Namen der Bundesregierung bei den Opfern und ihren Angehörigen entschuldigte.
Heute hat er selbst ein schwerwiegendes Nichthandeln zu verantworten. Wer kann es den Menschen im Land verdenken, dass sie angesichts dieser Entwicklung zutiefst verunsichert sind und nicht mehr wissen, wem sie noch glauben und vertrauen können? Auch die jetzigen Markteinbrüche gehen damit klar auf das Konto der Politik der Bundesregierung. Ein Kollege hat vorhin zwar gesagt, dass er für die im Fernsehen gezeigten Spots für deutsches Rindfleisch dankbar ist. Ich meine allerdings: Das hat zu lange gedauert. Man hätte vorher Aufklärungsarbeit leisten müssen, eben auch von seiten der Bundesregierung, und damit den Menschen Sicherheit geben können, dass sie unter bestimmten Bedingungen Rindfleisch weiterhin gefahrlos essen könnten.
Erst wurde von der Bundesregierung angekündigt, dass sie fest entschlossen sei, auch im nationalen Alleingang zu handeln, wenn die anderen EU-Länder nicht zu entsprechenden Regelungen bereit seien. Die wörtliche Aussage von Minister Seehofer im April 1994 lautete: "Kein verantwortungsvoller Politiker kann auf diesem Gebiet auch nur das geringste Risiko eingehen." Dann aber kam es zu durchweg halbherzigen Kompromissen innerhalb der EU, und der Import von britischem Rindfleisch auch nach Deutschland wurde, versehen mit einigen völlig inkonsequenten Auflagen, fortgesetzt. Im Frühjahr 1996, allerdings erst nach den neuesten besorgniserregenden Erkenntnissen, wurde nun endlich doch ein vollständiges Exportverbot für britisches Rindfleisch und zugehörige Produkte verhängt, und diesmal sogar auf EU-Ebene.
Aber schon heute kann es jeder täglich aus den Medien erfahren, wie sehr die britische Regierung, so, als sei nichts gewesen, bereits wieder auf Lockerung des gerade erst ausgesprochenen Exportverbots drängt. Bisher haben die zuständigen Gremien dem noch widerstanden. Nach allen bisherigen Erfahrungen muß allerdings befürchtet werden, dass die Geschlossenheit dieser Front auch sehr schnell wieder bröckeln könnte. Schon werden Schritt für Schritt vorwiegend die wirtschaftlichen Aspekte des Geschehens in den Vordergrund gerückt, und bereits für Anfang Juni, also in wenigen Tagen, ist eine nächste Beratung der EU-Agrarminister angekündigt.
Wir meinen aber, dass hier die Regierung unverändert im Interesse des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung in einer großen Verantwortung steht. Wir fordern sie deshalb auf, den gerade gefundenen Konsens so lange nicht aufzugeben, bis das Problem sicher gelöst ist. Ich bin heute sehr beruhigt; denn Herr Minister Seehofer hat sich hier diesbezüglich auch geäußert. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen Standfestigkeit für die Zukunft.
Obwohl über die eine oder andere Einzelheit der vorliegenden Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen durchaus noch zu diskutieren wäre, meinen wir, dass sie in jedem Fall alle jene Maßnahmen enthalten, deren Verwirklichung jetzt von der Bundesregierung erwartet werden muß.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der PDS sowie der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich gebe nun das Wort dem Abgeordneten Matthias Weisheit.
Matthias Weisheit (SPD):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, wie einig wir uns heute sind. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern: Ähnlich wie heute haben Sie, Herr Minister Seehofer, 1994 gesprochen. (Klaus Kirschner [SPD]: 21. April!)
Danach haben Sie der Verharmlosungsstrategie der Briten und der EU-Kommission Rechnung getragen und hier im Brustton der Überzeugung erklärt, die halbherzigen Maßnahmen, die ergriffen wurden, reichten aus. Heute sind Sie wieder voller Ernst; wahrlich eine große schauspielerische Leistung! (Zurufe von der CDU/CSU: Wie billig! - Originell!) Ich hoffe, dass es nicht so weitergeht, sondern daß Sie jetzt bei dem einmal eingenommenen Standpunkt bleiben. (Beifall bei der SPD)
Die Verharmlosungsstrategie hat zu einer Ausweitung des BSE- Risikos innerhalb der gesamten EU beigetragen, ist Ursache für den Vertrauensschwund der Verbraucher und hat den Bauern in der Bundesrepublik, die von der Rindermast leben, in den letzten Monaten immense Verluste gebracht, die sie zum Teil in den Ruin treiben, obwohl sie mit bestem Gewissen sagen können, dass ihre Tiere gesund sind.
Eine konsequente Haltung der Bundesrepublik in dieser Frage von Anfang an hätte mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die Verunsicherung der Verbraucher, die in den letzten Monaten zu massivem Verzicht auf Rindfleisch geführt hat, keine derartigen Ausmaße angenommen hätte.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dieses Mißtrauen der Verbraucher ist ja auch mehr als berechtigt. Da wurde ihnen noch vor wenigen Monaten erklärt, eine Gefahr, dass BSE von Rindern auf den Menschen übertragen werden könne, sei kaum vorhanden. Inzwischen zeichnet ein Dutzend Todesfälle jüngerer Menschen infolge der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ein völlig anderes Bild.
Da wurde versichert, Tiermehl werde in ganz Europa nach den Standards produziert, die bei uns gelten und als sicher zu betrachten sind. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Gelogen!) Die staunende Öffentlichkeit hat inzwischen erfahren, dass dies gar nicht stimmt.
Da wurde behauptet, Großbritannien habe die BSE-Problematik im Griff, alle Herden seien unter Kontrolle. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Auch gelogen!) Inzwischen wissen wir, dass dies nicht der Fall ist.
Ich kann nur feststellen: In diesem Zusammenhang tendiert mein Vertrauen in die europäische Administration und in die britische Regierung gegen Null. Ich kann mir kaum vorstellen, dass bei den Kollegen, die im März 1995 an der Informationsreise nach Großbritannien teilgenommen haben, inzwischen ein anderer Eindruck herrscht als der, dass wir damals ganz schön hinters Licht geführt geworden sind.
Deshalb begrüße ich nachdrücklich, dass die Bundesregierung bei den Versuchen, das Exportverbot wieder aufzuweichen, hart geblieben ist. Ich fordere Sie auf, den Erpressungsversuchen der britischen Regierung nicht nachzugeben. Sie haben mit dem Wahlkampf und den inneren Problemen der Regierung Major zu tun, nichts jedoch mit der Sache, nämlich der Wiederherstellung der Verbrauchersicherheit bei Rindfleisch und Rinderprodukten.
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wenn sich Herr Schröder gegen Europa äußert, ist das genauso!)
Die britische Regierung hat zu verantworten, dass sich BSE überhaupt entwickeln konnte. Eine Umfrage, die heute in der Presse veröffentlicht wurde, zeigt, dass zwei Drittel der britischen Wähler die Einschätzung teilen, dass es ein britisches Problem ist und nicht eines, das ihnen von den bösen Europäern aufgedrückt wird.
Der Rückzug des Staates aus der vorsorgenden Gesundheitspolitik unter dem ach so schicken Oberbegriff "Deregulierung" hat es ermöglicht, dass aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen das Verfahren der Tiermehlproduktion so "optimiert" wurde, dass der BSE-Erreger überleben konnte. Dieselbe Geisteshaltung, die ungeregelt alles zuläßt, was sich rechnet, hat die Perversität ermöglicht, dass Wiederkäuer mit Tiermehl gefüttert wurden und an BSE erkrankten.
Nach dem ersten Schock über eine große Zahl verendeter Kühe wurde seitens der britischen Regierung alles getan, um die Risiken herunterzuspielen und die Geschäfte mit Fleisch am Laufen zu halten. Gegenüber diesem massiven Einsatz zugunsten der britischen Fleischwirtschaft kann man die Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche und zur Wiederherstellung der Sicherheit bei Futtermitteln, Rindfleisch und Nebenprodukten des Rindes nur als Alibiveranstaltung bezeichnen.
(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Solange die britische Regierung nicht den Beweis erbracht hat, dass es ihr mit der restlosen Ausrottung von BSE und der Beseitigung der Ursachen dieser Krankheit wirklich Ernst ist, so lange gibt es keinerlei Grund, irgendwelchen Drohgebärden nachzugeben. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Jedes noch so geringfügige Nachgeben würde nach allen Erfahrungen der letzten Jahre nur dazu führen, dass man in London glaubt, so weitermachen zu können wie bisher.
BSE und seine negativen Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft muß auch Konsequenzen für die Landwirtschaftspolitik haben. Tierartgerechte Haltung - dazu gehört auch die Fütterung, wie Kollege Heinrich vorhin schon betont hat - muß in der gesamten EU mehr als ein Lippenbekenntnis sein. Dabei denke ich auch an die Mäster und ihre Helfershelfer - sie erscheinen immer wieder in der Presse -, die durch verbotene Pharmaka- und Hormoneinsätze eine schnelle Mark verdienen und den ganzen bäuerlichen Berufsstand in Verruf bringen.
Die Forderung nach tierartgerechter Haltung und Fütterung heißt für uns nicht, die Landwirtschaft umfassend auf Richtlinien biologischer Erzeugerverbände umzustellen, wie dies von einigen Populisten im Zusammenhang mit BSE gefordert wird. Aber die bisherige Praxis, landwirtschaftliche Nutztiere ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ständig höherer Leistungen zu züchten, zu halten und zu füttern, darf nicht ungeprüft fortgesetzt werden. (Beifall bei der SPD)
In einer Anzahl von Regionen haben Bauern, Verbraucher und der Lebensmittelhandel bereits Konsequenzen gezogen, zum Beispiel in meiner Heimat, wo mit Hilfe des Landes das Herkunfts- und Qualitätskennzeichen eingeführt wurde und immer mehr Bauern nach diesen Regeln produzieren. Auch die Vermarktung macht Fortschritte, wenngleich die Werbung noch besser unterstützt werden müßte.
Wer Fleisch oder Wurst mit diesem Qualitätskennzeichen kauft, kann sicher sein, dass es sich um ein hochwertiges, gesundes Produkt handelt, das von einem Bauernhof stammt, auf dem tierartgerecht gehalten und gefüttert wird. In Berlin - so konnte ich dieser Tage lesen - wirbt eine große Handelskette damit, dass ausschließlich Rindfleisch von namentlich bekannten Betrieben aus Brandenburg über die Ladentheke geht. (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Sehr gut!)
Wenn die Verbraucher wissen, woher ihr Fleisch kommt und wo die Fleischprodukte herkommen, und sie sich - ob sie es nun tun oder nicht - selbst überzeugen können, wo und wie die Tiere aufgezogen werden, deren Fleisch sie später essen, dann schöpfen sie wieder Vertrauen, und unsere bäuerlichen Familien haben als Fleischproduzenten eine Zukunft. Ich gebe dem Kollegen Heinrich völlig recht: Das geht nicht mit immer niedrigeren Preisen und Billigangeboten. Das geht nur mit vernünftigen und angemessenen Preisen für gute Qualität. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Albert Deß [CDU/CSU] und Günther Bredehorn [F.D.P.])
Vertrauen beim Verbraucher ist nur zu gewinnen, wenn Klarheit über Herkunft und Haltung der Tiere besteht. Deshalb haben alle Maßnahmen, die diese Klarheit verbessern, absoluten Vorrang. Die wichtigste Voraussetzung, wieder wachsendes Vertrauen nicht zu gefährden, ist eine konsequente Haltung der Bundesrepublik gegenüber Großbritannien und der EU-Kommission. Solange BSE und ihre Ursachen nicht nachweisbar konsequent bekämpft werden, darf es keine Lockerung des Exportverbots geben. Verbrauchergesundheit und Produktsicherheit müssen innerhalb der EU Vorrang gewinnen vor der Maxime des freien Warenaustausches.
Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der PDS)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich gebe dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jochen Borchert, das Wort.
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns alle bedrückt die Entwicklung der letzten Wochen. Die Rinderseuche BSE in Großbritannien hat in den letzten Tagen und Wochen im Hinblick auf den Schutz der Verbraucher und die konsequente Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes zu einer großen Beunruhigung geführt.
Ich möchte daher ausdrücklich hervorheben, dass für uns - dies sage ich gerade auch für meinen Kollegen Horst Seehofer - der Gesundheits- und Verbraucherschutz - nur um den geht es - mit allen beschlossenen Vorsorgemaßnahmen in Deutschland und im europäischen Binnenmarkt höchste Priorität hat. Das heißt das in Deutschland verfügbare Rindfleisch ist sicher und gesundheitlich unbedenklich. Der Verbraucher kann sich auf die Qualität und Sicherheit des Rindfleischangebots in Deutschland verlassen.
Die für einen freien Binnenmarkt unüblichen Handelsbeschränkungen können aber erst dann wieder schrittweise gelockert werden, wenn die konsequente Bekämpfung von BSE in Großbritannien dies ohne gesundheitliche Risiken erlaubt.
Nach neuen wissenschaftlichen Ergebnissen in Großbritannien hatte der Sonderrat der Agrarminister nach dem von der Kommission verfügten Exportstopp Maßnahmen beschlossen, um den Schutz der Verbraucher zu sichern und ein gemeinsames Vorgehen bei der Bekämpfung von BSE zu gewährleisten. Dazu gehören unter anderem ein generelles Exportverbot für britisches Rindfleisch und daneben zur Seuchenbekämpfung in Großbritannien die Aufstellung eines Programms zur Tilgung von BSE durch die britische Regierung, das Verbot, die über 30 Monate alten Rinder in Großbritannien als Nahrungsmittel oder zur Verarbeitung zu verwerten, sowie die Auflage, die Herstellung von Tiermehl in der Europäischen Union bis Ende dieses Jahres auf sichere Verfahren umzustellen, bei denen mögliche Krankheitserreger zweifelsfrei abgetötet werden, ein Verfahren, das in Deutschland bereits Standard ist und das wir in der Vergangenheit auch immer für die Europäische Union gefordert haben.
Herr Kollege Heinrich, dieser Beschluß ist nicht unverantwortlich, denn in Großbritannien darf seit März dieses Jahres kein Tiermehl mehr an Tiere verfüttert werden. Das heißt, solange die Anlagen in Großbritannien nicht umgestellt sind - dazu ist Großbritannien bis Ende dieses Jahres verpflichtet -, darf in Großbritannien kein Tiermehl produziert und verfüttert werden.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Aber gern.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Bitte, Herr Kollege.
Dr. Hansjörg Schäfer (SPD):
Herr Minister, Sie sprechen von sicheren Verfahren. Wie können Sie von sicheren Verfahren sprechen, wenn überhaupt kein Mensch weiß, was der Erreger ist, wenn bekannt ist, dass es Bakterien gibt, die weit höhere Temperaturen und weit höhere Drücke als in diesem Verfahren vorgeschlagen überleben?
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Wir verlassen uns hier wie bei allen Maßnahmen auf die Aussagen der Wissenschaft. Die Aussage der Wissenschaft ist, dass das Verfahren, das wir in Deutschland anwenden, zweifelsfrei alle Erreger abtötet und damit ein sicheres Verfahren ist. Das ist ein Verfahren, das wir schon in der Vergangenheit für ganz Europa gefordert haben, das aber leider in der Vergangenheit nicht für ganz Europa durchsetzbar war.
Meine Damen und Herren, es ist die Frage angesprochen worden, ob die Kontrollen des Exportverbotes sicher sind. Wir in Deutschland kontrollieren über die Bestimmungen der Europäischen Union hinaus die Importe dadurch, dass Lieferungen von Fleisch und Tieren von amtlichen Bescheinigungen begleitet sein müssen, in denen bestätigt wird, dass dieses Fleisch oder diese Tiere weder aus Großbritannien noch aus BSE-gefährdeten Beständen in anderen Ländern stammen. Damit geht Deutschland bei den Kontrollen weiter, als dies in Großbritannien vorgeschrieben ist.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, diesmal des Abgeordneten Wodarg?
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Aber sicher.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Herr Minister, wie beurteilen Sie die Angaben des Verbandes Fleischmehlindustrie, der als bakteriologische Kontaminationen des Fleischknochenmehls, wie es dort genannt wird, folgende Bakterien nennt, mit denen gerechnet werden muß: Bacillus, Clostridium, Staphylococcus, Enterococcus, Micrococcus? Es werden auch gramnegative Bakterien genannt; auch Salmonellen dürfen bis zu einem bestimmten Grenzwert, der angegeben wird, enthalten sein. Schimmelpilze dürfen enthalten sein. Es ist also eine ganze Reihe von Mikrolebewesen, die noch enthalten sein können. Angeblich soll das Fleischmehl sterilisiert sein; ich kenne es so, dass es nur desinfiziert ist. Wenn etwas sterilisiert ist, dann ist es keimfrei. Hier dürfen also noch Keime enthalten sein.
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Alle wissenschaftlichen Aussagen bestätigen, dass das Verfahren, nach dem in Deutschland Tierkörpermehl hergestellt wird, zweifelsfrei sicher ist. Das heißt, dass alle Erreger abgetötet werden.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Höfken?
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Aber sicher. Bitte.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte mich noch einmal vergewissern, dass die Importbescheinigungen nicht nur Fleisch aus allen Drittländern und allen EU-Mitgliedstaaten, sondern auch verarbeitetes Fleisch und Rinderprodukte betreffen. Ist das so?
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Ja. Wir gehen mit diesen Kontrollen sehr viel weiter, als dies von der Europäischen Union vorgeschrieben ist. Alle Bundesländer bestätigen, dass bei den Kontrollen gerade diese amtlichen Bescheinigungen eine erhebliche zusätzliche Sicherheit bieten. Ich glaube, wir tun damit alles, um sicherzustellen, dass der Verbraucher sich auf diese Kontrollen verlassen kann.
Ich appelliere hier noch einmal an die Länder, diese Kontrollen noch intensiver durchzuführen. Für die Einhaltung der Bestimmungen und die konsequente Durchführung der Kontrollen sind die Bundesländer verantwortlich.
Meine Damen und Herren, der Herauskauf der nicht mehr für den Verzehr bestimmten Rinder wird - wie bei der Schweinepest in Deutschland - zu 70 Prozent aus dem europäischen Haushalt finanziert.
Mit diesen Maßnahmen, die der Sonderrat beschlossen hat, sind zur Zeit europaweit alle Voraussetzungen für einen wirksamen Verbraucherschutz geschaffen. Es versteht sich von selbst und es entspricht auch der Beschlußlage, dass die Europäische Union das Exportverbot ständig überprüft und schließlich lockern kann, sobald die eingeleiteten Maßnahmen dem Gesundheits- und Verbraucherschutz Rechnung tragen. Eine einheitliche Position zur Lockerung des britischen Exportverbotes für Gelatine, Rindertalg und Rindersperma konnte allerdings Anfang dieser Woche im Ständigen Veterinärausschuß nicht gefunden werden.
Ich kenne die schwierige Situation in Großbritannien. Wir wollen Großbritannien bei der Tilgung von BSE helfen. Großbritannien kann sich bei den erforderlichen Maßnahmen auf die Solidarität der europäischen Länder verlassen. Aber die nunmehr im Sonderagrarrat am 3. und 4. Juni erneut zu beratende Lockerung des Verbringungsverbots von Gelatine, Talg und Rindersamen kann aus meiner Sicht erst dann ins Auge gefaßt werden, wenn die beschlossenen Maßnahmen konsequent umgesetzt sind, deren Einhaltung von der Europäischen Kommission bestätigt und die Teilaufhebung wissenschaftlich gerechtfertigt wird und damit jedes gesundheitliche Risiko auszuschließen ist. Maßstab muß auch hier der Verbraucherschutz und nur der Verbraucherschutz sein.
Meine Damen und Herren, die Situation auf dem deutschen Rindfleischmarkt war schon bisher sehr schwierig. Sie hat sich durch die jüngste Entwicklung um BSE extrem zugespitzt. Wegen tiefgreifender Verunsicherung der Verbraucher hat der Rindfleischmarkt tiefe Einbrüche erfahren. Zur kurzfristigen Stützung des Rindfleischmarktes wurden daher die Exporterstattungen deutlich erhöht, die Intervention für Rindfleisch eröffnet und Maßnahmen zur privaten Lagerhaltung beschlossen. Die beschlossenen Interventionsmaßnahmen tragen zur Stabilisierung des Rindfleischmarktes bei.
Gleichwohl haben die Preise für Rindfleisch in den letzten Wochen erheblich nachgegeben. Eine direkte finanzielle Hilfe für die vom Markteinbruch betroffenen rindfleischerzeugenden Landwirte ist dringend geboten. Darüber wird ebenfalls auf dem Sonderrat am 3. und 4. Juni beraten. Die Kommission hat sich verpflichtet, hierzu einen Vorschlag vorzulegen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass auf dieser Basis eine schnelle und unbürokratische Auszahlung möglich wird.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung mißt neben der konsequenten Bekämpfung von BSE in Großbritannien den vertrauensbildenden Maßnahmen für deutsches Rindfleisch eine große Bedeutung zu. Ich möchte an dieser Stelle wiederholen - ich glaube, man kann das nicht oft genug tun -: Das Fleisch, das in Deutschland produziert und angeboten wird, ist absolut in Ordnung. Es gibt keinen Grund, an der Qualität und Unbedenklichkeit unseres Rindfleisches zu zweifeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)
Unsere langjährigen Bemühungen, auf der europäischen Ebene eine Herkunftskennzeichnung bei Rindfleisch durchzusetzen, sind nun endlich auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Kommission hat sich verpflichtet, ein EU-weites Herkunftskennzeichnungssystem für Rindfleisch vorzuschlagen. Die deutsche Vieh- und Fleischwirtschaft hat hier mit ihren freiwilligen Maßnahmen der Herkunfts- und Qualitätssicherung bereits erhebliche Vorleistungen erbracht, um den Weg der Rinder von der Geburt bis zur Ladentheke transparent zu gestalten. Die Bundesregierung hat bereits im Oktober 1995 eine einheitliche und durchgehende Kennzeichnung vom Kalb bis zum Schlachtkörper vorgeschrieben, den Rinderpaß. Es wäre jetzt durchaus reizvoll, manch kritische Anmerkung zu diesem Vorschlag gerade aus den Reihen des Parlamentes zu zitieren.
Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der lückenlosen Kontrolle und Kennzeichnung ein gutes Stück Vertrauen unserer Verbraucher zurückgewinnen können, Vertrauen in die gesundheitliche Unbedenklichkeit und darüber hinaus in die hohe und nachprüfbare Qualität unseres deutschen Rindfleisches. Dies kann aber nur gelingen, wenn die wenigen schwarzen Schafe, die beispielsweise verbotene Masthilfsmittel in der Kälbermast einsetzen, durch schärfere Kontrollen und eine harte Bestrafung an ihrem illegalen Vorgehen gehindert werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Hier sind die Länder gefordert, mit allem Nachdruck durchzugreifen.
Ein solch skrupelloses Vorgehen gefährdet die Verbraucher, schafft bei ihnen neues Mißtrauen und bringt damit den gesamten Berufsstand in Mißkredit.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, ich bitte alle Parteien und Verbände, alle Landwirte, die gesamte Vieh- und Fleischwirtschaft, ihren Beitrag zu leisten. Ich bitte um Unterstützung für die Maßnahmen der Bundesregierung, bei denen der Schutz der Verbraucher absoluten Vorrang hat, und um Unterstützung, um das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, damit unsere Landwirtschaft auch in diesem Bereich wieder eine Perspektive gewinnt.
Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Zu einer Kurzintervention gebe ich der Abgeordneten Wieczorek-Zeul das Wort.
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Herr Minister, Sie haben hier die kommende Sitzung des Agrarministerrates angesprochen und auch die Sitzung des Veterinärausschusses, die in dieser Woche stattgefunden hat. Sie haben aber an einem interessanten Punkt in Ihrer Darstellung aufgehört.
Der Veterinärausschuß in der Tat hat in dieser Woche den Kommissionsvorschlag zur Lockerung des Exportverbotes nicht angenommen. Sie haben nicht darauf hingewiesen, dass es nur keine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag gegeben hat; es war aber eine Mehrheit der Stimmen für diesen Kommissionsvorschlag und für die Lockerung.
Ich möchte jetzt von Ihnen wissen, mit welcher Linie die Bundesrepublik Deutschland in die Sitzung des Agrarministerrates am 3. und 4. Juni 1996 geht. Sie müssen dann auch die volle Wahrheit sagen, denn es ist so: Zur Ablehnung dieses Vorschlages der Kommission werden acht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union benötigt, und das letzte Mal haben nur sieben überhaupt gestimmt.
Das heißt aber auch, Sie müssen den Leuten sagen: In dem Fall, dass Sie diese acht Stimmen nicht zusammenbekommen, kann die Kommission ihren Vorschlag 14 Tage danach als Kommissionsverordnung einfach in Kraft setzen. (Zuruf von der F.D.P.: Das wissen wir doch!) - Das hat uns gestern hier im Europaausschuß der Vertreter der Bundesregierung geschildert.
Das heißt auf gut deutsch, wenn es so ist, wie Sie es hier erzählen, dann berichten Sie über einen Teil der Wirklichkeit nicht. Ich fordere Sie jetzt auf: Nehmen Sie hierzu Stellung. (Zuruf von der CDU/CSU: Bitten können Sie ihn!) Sagen Sie auch, dass die Bundesregierung unter der Bedingung, dass das Exportverbot gelockert wird, bereit ist, wieder eine nationale Regelung eines entsprechenden Verbotes einzuführen. Denn sonst sagen Sie hier nur die halbe Wahrheit. (Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Minister, Sie können darauf entgegnen.
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Frau Kollegin, ich habe hier sehr deutlich gesagt, unter welchen Bedingungen eine Teillockerung für uns überhaupt nur möglich ist. Ich will das gern wiederholen.
Eine Teillockerung des Exportverbotes kann nur in Frage kommen, wenn die beschlossenen Maßnahmen konsequent umgesetzt worden sind, (Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU], zur Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] gewandt: Keine Ahnung!) deren Einhaltung von der Kommission bestätigt und die Möglichkeit der Aufhebung wissenschaftlich gerechtfertigt wird. Darüber werden wir im Sonderagrarrat am 3. und 4. Juni 1996 beraten.
Grundlage der Beratungen sind auch die Ergebnisse - - (Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] meldet sich erneut zu Wort) - Hören Sie doch einmal einen Augenblick zu! Vielleicht will ich ja gerade das beantworten, was Sie jetzt fragen wollen.
Grundlage der Beratungen sind auch die Ergebnisse einer Inspektionsreise einer Expertenkommission, die am 27. Mai stattfindet und die zu der Situation, den beschlossenen Maßnahmen und der Umsetzung Stellung nimmt. Auf der Grundlage dieses Berichtes werden wir beraten. Weder Sie noch ich wissen, wie die anderen europäischen Mitgliedsstaaten auf der Basis dieses Berichtes am 3. und 4. Juni entscheiden werden.
Wir werden für eine Aufrechterhaltung des Exportverbotes kämpfen, wenn die Bedingungen, die ich genannt habe, nicht erfüllt werden. Ich gehe davon aus, dass wir dabei von einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedsstaaten unterstützt werden. (Zuruf der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) - Entschuldigen Sie einmal, Sie wissen nicht, wie die Abstimmung verlaufen wird, und ich weiß es nicht, weil wir beide den Bericht der Inspektionsreise noch nicht kennen, es sei denn, Sie wären in der Lage, schon heute vorauszusagen, wie dieser Bericht aussehen wird. Wir könnten natürlich die Kosten sparen, wenn Sie dazu in der Lage wären.
Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich erteile nun der Abgeordneten Ulrike Höfken das Wort.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, Frau Kollegin Wieczorek-Zeul wollte fragen, was passiert, wenn diese Mehrheitsentscheidungen nicht so zustande kommen, wie Sie wollen, wie wir wissen. Gibt es dann einen nationalen Alleingang?
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seehofer?
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Horst Seehofer (CDU/CSU):
Frau Kollegin, halten Sie es bei diesem sehr sensiblen Thema und der sehr aufgewühlten Gefühlslage in Europa nicht auch für sehr bedenklich, wenn wir heute vom Deutschen Bundestag aus Drohungen oder Ankündigungen in der Öffentlichkeit aussprechen, die das, was wir hoffentlich gemeinsam wollen, nämlich die Sicherstellung des Verbraucherschutzes am 3. und 4. Juni, nur gefährden können? Wir sollten mit den Mitgliedsländern reden und ihnen heute nicht über die Öffentlichkeit mitteilen, was wir bei dem Fall X machen oder androhen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Es ist im Grunde überhaupt nicht unser Ansinnen - ich denke, das trifft für alle Abgeordneten zu -, diese aufgewühlten Reaktionen Großbritanniens noch weiter negativ zu beeinflussen. Auf der anderen Seite ist es ganz klar unsere Aussage, dass wir den Verbraucher- und Gesundheitsschutz nicht dem Wahlkampf in Großbritannien opfern wollen.
Natürlich stellen sich die betroffenen EU-Mitglieder diese Frage auch von ganz alleine. Es wäre hilfreich für die Entscheidung in dieser Kommission, zu wissen, wie die Deutschen reagieren würden, nämlich im Sinne eines Verbraucher- und Gesundheitsschutzes. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen Großbritannien ja auch unterstützen. Es ist ein europäisches Problem. Diese Hilfe bieten wir an. In diesem Zusammenhang, denke ich, hat die Frage der Kollegin Wieczorek-Zeul durchaus eine Berechtigung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)
Außerdem wollte ich noch dem Kollegen Köhler, der inzwischen entschwunden ist, ausrichten lassen, doch einmal auf seinen Kollegen Heinrich zu hören, was nämlich die Behauptung angeht, nicht das Tiermehl sei problematisch; das Ganze sei vielmehr nur eine Schlamperei im Verfahren. Das ist eine Bemerkung, die wirklich etwas vorsintflutlich war.
Einig sind wir uns ja inzwischen in der Bewertung des Rinderwahnsinns, zumindest wenn man die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zugrunde legt, in der Bewertung des Risikopotentials und auch darin, dass Anonymität in der Fleischproduktion Verbrauchergefährdung beinhalten kann und daß eine verbindliche Herkunftskennzeichnung für den Verbraucherschutz, für die Verantwortung in der Produktion, für die Einkommenssicherung der Betriebe sowie für die Kontrolle und den Vollzug ein äußerst hilfreiches Mittel ist. Das zweite ist aber, dass in diesem Bereich bereits Differenzen bestehen, merkwürdigerweise auch mit der Fraktion der SPD; denn die bezieht sich in Ihrem Antrag erstaunlicherweise nur auf Rind- und Frischfleisch, im Gegensatz zu der CDU, die ihre Forderung noch auf das gesamte Fleisch bezieht.
(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wir waren schon immer besser!)
Das ist ein Unterschied, den ich bemerkenswert finde. Ich vermute, dass das ein Fehler in der Bearbeitung und nicht so gemeint ist.
Einig sind wir uns auch bezüglich der Forderung, die Insel dichtzumachen. Aber man macht es sich viel zu einfach, wenn man die Schuld lediglich auf die Regierung Großbritanniens schiebt. Dies wäre außerdem nicht hilfreich.
Sie sagen, Herr Minister Borchert: Das in Deutschland verfügbare Rindfleisch ist sicher. Na ja. Die Maßnahmen kommen natürlich in der ganzen Realisierung und Auswirkung äußerst spät. Es gibt erste Maßnahmen und Defizite, die im Vollzug zu beklagen sind. Zwar ist verboten worden, Tiermehl an Wiederkäuer zu verfüttern, aber dieses Verbot ist zum großen Teil in den Betrieben gar nicht angekommen.
Wenn Sie sich einmal die Kontrollen anschauen, die zugegebenermaßen in den Landkreisen erfolgt sind, dann werden Sie feststellen, dass noch nicht einmal das Personal vorhanden war, dieses Verbot überhaupt realistisch zu kontrollieren.
Ein anderer Punkt ist, dass das Tiermehlrisiko gerade beim Import ungenügend erfaßt ist. Das Exportverbot müßte generell auf Fleisch aus originären BSE-gefährdeten Ländern ausgedehnt werden - das ist zum Beispiel im Antrag enthalten -, wenn mit Tiermehl gefüttert wurde. Das betrifft aber auch Schweine und Schafe - ich sage das ganz ausdrücklich: wenn mit Tiermehl gefüttert wurde.
Solange das Verfahren nach den deutschen Vorstellungen bzw. deutschen Standards noch nicht verbessert war, wurde Tiermehl an die dort lebenden Tiere verfüttert. Beim Import ist es nicht möglich, nachzuvollziehen, ob in das entsprechende Tiermehl infektiöses Material gelangt ist. Es besteht natürlich die erhebliche Gefahr der Reinfektion britischen Tiermehls.
Ich finde, es ist ein deutliches Defizit, wenn man einfach sagt: Deutsches Fleisch ist sicher. Ich meine, das stimmt für die Erzeugergemeinschaft in der Eifel; die kenne ich. Ich möchte das aber nicht generell sagen.
Zur Sicherheit des Verfahrens. Auch dazu wurde von Kollegen schon angemerkt, dass es Aussagen gibt: 200 Grad kann dieser Erreger überleben. Ich finde es außerordentlich schwierig, sich auf diese widersprüchlichen wissenschaftlichen Aussagen zu stützen.
Zu den Drittlandreimporten von Tieren möchte ich sagen: Die Tiere, die aus Großbritannien stammen und nach Polen gelangt sind, oder infiziertes Tiermehl, das nach Polen gelangt ist, werden beispielsweise über Italien wieder in die EU eingeführt. Das sind immerhin 480 000 Tiere pro Jahr. Auch das ist sicherlich ein Manko.
Hundefutter aus Großbritannien gelangt nach wie vor nach Deutschland - auch ohne die Klärung, ob infiziertes Material enthalten ist oder nicht. Wir haben die Problematik der Haustiere in dieser Hinsicht sicher noch nicht vollständig erfaßt. Wir können sie auch nicht ausreichend bewerten. Auch das ist ein Defizit.
Ähnlich verhält es sich mit Tierarzneimitteln wie Prostaglandinen, die - wie ähnliche Arzneimittel - zurückgezogen wurden - zumindest hoffe ich das -, bei denen aber ein Kontrolldefizit besteht. Aber was ist mit den Anwendungen, die bereits erfolgt sind? Auch in diesem Punkt gibt es mit Sicherheit Schwierigkeiten in der Beurteilung.
Ein letzter Punkt ist, dass die in Großbritannien getroffenen Maßnahmen sicherlich unzureichend sind, von uns allen so eingestuft werden. Es ist notwendig, einerseits eine Unterstützung zu geben, andererseits von der EU-Seite aus auch darauf hinzuwirken, dass diese Maßnahmen ausgedehnt werden. Wir haben erhebliche Schwierigkeiten, zu beurteilen, was mit den Tieren ist, die zwar infiziert sind, bei denen die Krankheit aber nicht erkannt werden kann, weil es keine Nachweisverfahren gibt. Hier sehe ich gerade in Großbritannien eine große Gefahr.
Aktuell kosten die Maßnahmen insgesamt etwa 13 Milliarden DM, die zur Bekämpfung dieser Seuche BSE eingesetzt werden. Das sind alles Maßnahmen, die die Krise im Grunde nur begleiten, aber keine Lösung der Probleme bringen.
Wir wollen, dass die Gelder, die für Aufkaufaktionen und Exporterstattungen verwendet werden, in ein Programm "Regionale Fleischerzeugung" gehen. Damit soll, solange es noch möglich ist, garantiert werden können, dass es BSE-freie Bestände gibt, dass Tiere artgerecht gehalten werden und daß beispielsweise auch keine anderen die Verbraucher beeinträchtigenden Mittel, zum Beispiel Antibiotika und Leistungsförderer, verwendet werden. Mit diesen Geldern wollen wir diese regionalen Programme fördern, um in der Landwirtschaft endlich wieder eine Situation zu erreichen, in der für die Verbraucher eine Unbedenklichkeitserklärung ausgesprochen und in der ein neuer Absatzmarkt für Fleisch geschaffen werden kann.
Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Auch zu dieser Rede hat die Kollegin Wieczorek-Zeul um eine Kurzintervention gebeten. Bitte sehr, Frau Kollegin.
(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Frau Wieczorek-Zeul, Sie machen heute Dienst bis zum Schluß!)
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme den Diskussionsbeitrag der Kollegin Höfken zum Anlaß, zu sagen: Sie hat zu Anfang ihrer Rede ausgedrückt, die Erwartung des Deutschen Bundestages sei es, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen des Agrarministerrates am 3./4. Juni keiner Lockerung des Exportverbotes zustimmen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich denke, ich drücke das für alle diejenigen aus, die sich in der heutigen Debatte geäußert haben und die sich hier entsprechend festlegen.
(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Das ist doch gesagt worden!)
Ich möchte aus der Replik, die sich ergeben hat, auf eines verweisen - das sind auch Ihre Rechte -: Der Deutsche Bundestag hat nach der Verfassung und dem Rechtstellungsgesetz, das wir und Sie gemeinsam beschlossen haben, das Recht und die Pflicht, an der Willensbildung der Bundesrepublik Deutschland in Fragen der Europäischen Union teilzunehmen.
Es geht um eine EU-Gesetzgebung, die hier angesprochen worden ist, und der Deutsche Bundestag gibt mit seiner Position der Bundesregierung die Orientierung, die sie bei den Verhandlungen zugrunde zu legen hat. Da kann man doch nicht so tun, als wären das irgendwelche diplomatischen Verhandlungen, bei denen es peinlich wäre, wenn der Deutsche Bundestag etwas sagen würde! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gehört zu unserem Recht und zu unseren Pflichten. Nur unter Bezug auf diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht den Maastricht-Vertrag überhaupt passieren lassen. Wenn einzelne Regierungsmitglieder das immer noch nicht kapiert haben, ist das schlimm genug.
Deshalb mit Blick auf die anstehende Entscheidung: Wir erwarten, und zwar der gesamte Deutsche Bundestag, dass die Bundesregierung unter keinem Vorwand einer Lockerung des Exportverbots zustimmt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS - Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oberlehrerin! - Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie hören Ihren Rednerinnen und Rednern offenbar nicht zu! - Zuruf von der F.D.P.: Immer Schauveranstaltungen! - Weiterer Zuruf: Hessen-Süd hat wieder zugeschlagen! - Anhaltende weitere Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P. und Gegenrufe von der SPD)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich gebe das Wort der Abgeordneten Editha Limbach.
Editha Limbach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es eigentlich schade, dass durch die Äußerungen der Kollegin Wieczorek-Zeul die an sich sehr ruhige und sachdienliche Diskussion jetzt doch etwas auf die schiefe Bahn geraten ist. Mich hat an der Diskussion hier und heute gefreut, dass bei dieser schwierigen Frage, mit der möglicherweise ein großes gesundheitliches Problem verbunden ist, nicht der Hysterie und der Panik, (Beifall bei der CDU/CSU) sondern einer richtigen Wertung der Gefährdung das Wort geredet wurde, und für den vorsorgenden Gesundheits- und Verbraucherschutz gesprochen wurde.
Frau Wieczorek-Zeul, Sie nehmen es immer so genau, dass alles vollständig gesagt wird. Dann hätten Sie korrekterweise natürlich auch berichten müssen, dass im Europaausschuß der Vertreter der Regierung, nachdem er erläutert hatte, wie das Verfahren ist, meine Frage nach dem Standpunkt der Regierung damit beantwortet hat, dass man in dieser Frage selbstverständlich dem vorsorgenden gesundheitlichen Verbraucherschutz den Vorrang gibt und alles tun wird, damit auf der Grundlage dessen, was man erst noch an Erkenntnissen gewinnen muß - darauf hat Herr Minister Borchert hingewiesen -, die richtige Entscheidung in dem Sinne, wie wir es haben wollen, nämlich Vorrang für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, getroffen wird.
Gerade wenn Sie Herrn Borchert vorwerfen, dass er diese komplizierten Verfahren nicht erläutert hat, und wenn Sie den Europaausschuß zitieren, hätten Sie mit dem, was Sie hier vorgetragen haben, die unmittelbar im Zusammenhang damit stehende Frage und deren Beantwortung durch die Regierung mit erwähnen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU)
Ich finde überhaupt, man muß doch ein bißchen darauf achten, was hier gesagt worden ist. Man sollte vielleicht auch lesen, was die einzelnen Anträge und Entschließungsanträge enthalten. In dem Antrag der CDU/CSU- und F.D.P.-Fraktion können Sie lesen, dass wir die Regierung auffordern, einer Lockerung des Exportverbots nur dann zuzustimmen, wenn gesundheitliche Risiken wissenschaftlich hinreichend bewertet und die erforderlichen Maßnahmen beschlossen und durchgeführt sind, um die BSE-Freiheit der Rinder und die Unterbrechung der Infektionskette sicherzustellen. Das ist eine ganz klare und eindeutige Aussage, und ich habe nicht gehört, dass die Regierung diese Aussage nicht aufgreifen und unterstützen würde.
Wir sollten auch sehen, dass die Forderung nach mehr Forschungsmitteln, auf die die Kollegin Knoche hingewiesen hat, schon erhoben worden ist und daß man sich auf der anderen Seite ehrlicherweise Rechenschaft darüber geben muß, dass Forschung auf deutschem Boden - Frau Knoche hat das bei der Anhörung im Gesundheitsausschuß mitbekommen - deshalb so schwierig ist, weil wir kein Material haben, weil BSE in Deutschland erfreulicherweise nicht vorkommt. Das bedeutet, wir können unsere Forscher nicht zu etwas verdonnern, was sie nicht leisten können, weil sie das Material, das sie erforschen sollen, gar nicht haben. (Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will auch etwas zu dem sagen, was in dem Entschließungsantrag der SPD steht und hier aufgegriffen wurde, nämlich dazu, dass dem Importverbot vom April 1994 später die Einigung auf eine europäische Regelung folgte, die nicht ganz so streng war wie das, was wir vorher allein durchgesetzt hatten und tun wollten.
Mehrere Rednerinnen und Redner haben darauf hingewiesen, wie wenig freundlich die Töne sind, die man gelegentlich in diesem Zusammenhang aus England hört, und daß das europafeindlich sei. Ich kann nicht verstehen, dass man gleichzeitig verlangt, die Bundesregierung und die Mehrheit in diesem Hause hätten sich europafeindlich verhalten sollen; denn in dem Moment, in dem eine Gemeinschaftsregelung da war, wäre es falsch gewesen, dieser nicht zu folgen, zumal sie die Sicherheit vergrößert hat.
Dieser Meinung bin ich nach wie vor: Notfalls sind nationale Alleingänge nötig, aber gemeinschaftliche europäische Regelungen sind beim Binnenmarkt sehr viel besser. (Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])
Wir haben über die Kontrolle der Maßnahmen gesprochen. Auch in unserem Antrag werden Sie wiederfinden, dass wir großen Wert darauf legen. Ich finde es deshalb sehr erfreulich, dass der Agrarrat eigens eine eigene Kommission nach Großbritannien schicken kann, um sich dort selbst ein Bild zu machen.
Ich muß in einem Punkt dem Kollegen Weisheit recht geben: Bei dem Besuch in Großbritannien, an dem auch ich teilgenommen habe, sind uns wahrscheinlich alle positiven Dinge gezeigt worden, die uns durchaus beeindruckt haben, und all die Dinge, bei denen es doch nicht klappt, sind natürlich nicht gezeigt worden. Ich muß allerdings sagen: Wenn ich das recht bedenke, so zeigen wir unseren Besuchern in der Regel auch lieber das, was klappt, als das, was nicht klappt.
Wir haben deutlich die Forderung nach dem Herkunftsnachweis gestellt. Diesen halte ich für sehr richtig, ebenso wie ich den Forderungen, die aus der Landwirtschaft kommen, nämlich nach der Regionalisierung und der deutlichen Kennzeichnung, sehr gerne folge; denn das ist etwas, das geeignet ist, das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern in das Rindfleisch und die Rindfleischprodukte wieder herzustellen. (Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist nicht so, dass die Leute plötzlich kein Rindfleisch mehr mögen, sie möchten nur sicher sein, dass das, was sie kaufen, aus gesunden Beständen kommt. Sie wollen wissen, was sie kaufen und mit welchen Produkten sie es zu tun haben.
Es stellt sich in der Tat die Frage: Was ist mit den kräftigen Äußerungen, die in England gefallen sind? Ich möchte hier ausdrücklich das betonen, was ich in verschiedenen Interviews, die ich englischen Medien geben durfte, gesagt habe: Wir haben keinen Streit mit England, wir haben Streit mit BSE - wenn man das so sagen kann.
Wir wollen mit den Engländern gemeinsam diese Tierseuche, die möglicherweise auch Menschen gefährden kann, bekämpfen und möglichst ausrotten. Ich meine, in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir nicht die Mittel, die auch den Briten helfen, mit diesem Problem fertig zu werden, plötzlich wieder einkassieren, um sie für andere, möglicherweise auch schöne Dinge zu benutzen, sondern wir müssen auch hier zur Solidarität stehen und sagen: Jawohl, diese Zuschüsse, die im übrigen noch mit dem Rabatt verrechnet werden - das reduziert sie in gewisser Weise -, müssen gezahlt werden.
Letzte Frage: Was passiert, wenn es nicht zu dem erhofften gemeinsamen Ergebnis auf europäischer Gemeinschaftsebene kommt? Ich denke, dass wir dann die Regierung bitten werden - ich bin davon überzeugt, dass sie dazu bereit ist -, unter Einbeziehung dessen, was die Kommission beschlossen hatte, und unter Einbeziehung der Dringlichkeitsverordnungen, die wir hatten, zu einer Dauerverordnung zu kommen, die unseren Verbraucherinnen und Verbrauchern so viel Sicherheit wie möglich gibt. Am liebsten wäre mir eine europäische Lösung. Wenn es sie aber nicht geben kann, müssen wir national handeln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich gebe das Wort noch einmal dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Jochen Borchert.
Jochen Borchert, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Kollegin Wieczorek- Zeul, in dem Antrag der CDU/CSU und F.D.P. wird gefordert, das Exportverbot so lange aufrechtzuerhalten, und dann werden die Bedingungen formuliert, die ich hier vorgetragen habe. Diese Bedingungen zeigen, dass der Verbraucherschutz oberste Priorität hat. Grundlage der Beratungen im Sonderagrarrat am 3. und 4. Juni sind der Bericht der Kommission und die wissenschaftliche Bewertung und ein Bericht der Expertenkommission über eine Inspektionsreise nach Großbritannien. Auf der Grundlage dieser beiden Berichte werden wir dann die Situation bewerten, und vor dem Hintergrund dieser Bewertung müssen wir dann entscheiden.
Frau Kollegin, Ihre Forderung, am 3. und 4. Juni auf jeden Fall jede Lockerung abzulehnen, unabhängig davon, welche Erfolge bei der Bekämpfung erreicht worden sind (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: In den nächsten zehn Tagen!) und wie die wissenschaftliche Bewertung und der Bericht der Expertenkommission aussehen, halte ich, um es vorsichtig zu sagen, für nicht vertretbar. Unsere Position kann doch nur sein: Der Verbraucherschutz hat oberste Priorität, und das Exportverbot wird so lange aufrechterhalten, wie dies aus Gründen des Verbraucherschutzes notwendig ist. Das Exportverbot kann in dem Umfang gelockert werden, wie der Verbraucherschutz dies zuläßt. Dies müssen wir auf der Grundlage der Berichte am 3. und 4. Juni bewerten, aber, wie gesagt, völlig unabhängig davon, wie die Berichte aussehen. Wer heute bereits sagt, wir werden keinen Veränderungen zustimmen, der handelt politisch nicht verantwortlich. (Beifall bei der CDU/CSU)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich erteile nun das Wort dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der von Großbritannien angestrebten Lockerung des Exportverbots für Rinderprodukte hat gestern in der "Frankfurter Rundschau" der EU-Kommissar Fischler gemeint, dass BSE-Erreger beim Herstellungsverfahren von Gelatine oder Talg abgetötet würden. Das ist nicht mehr als ein gewagtes Wunschdenken. Ich möchte, dass wir uns ein wenig mit dem Tiermehl beschäftigen.
(Zuruf der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Eine Frage? -
Gern!
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Normalerweise erteile ich das Wort, Herr Kollege Wodarg, wenn Sie einverstanden sind. Ich nehme aber an, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. - Bitte schön, Frau Kollegin.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben von Minister Seehofer gehört, dass für den Arzneimittelbereich Gelatine offensichtlich anders eingeschätzt wird als für den Bereich der Lebensmittel. Mir ist nicht nachvollziehbar, wie er diese Aussage begründet hat. Meine Frage an Sie: Führen Sie das vielleicht auf die unterschiedlichen Haftungsregelungen zurück, die für diese beiden Bereiche gelten?
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Ich glaube zu verstehen, was Sie mit der Frage meinen. Es sind natürlich Haftungsfragen, die eine Rolle spielen beim Verhalten von Firmen, die diese Stoffe herstellen. Ich glaube schon, dass es gut wäre, das Haftungsrecht auch auf den Lebensmittelbereich und auf den Medikamentenbereich in gleicher Weise anzuwenden. Das ist hier nicht der Fall, da haben Sie recht.
Wir sollten uns daran erinnern, dass als Ursache für die Verbreitung von BSE die Verfütterung von verseuchtem Tiermehl an Rinder genannt werden muß. Was ist eigentlich Tiermehl? In der Bundesrepublik fallen jährlich über 2,3 Millionen Tonnen an Material an, welches in den 42 deutschen Tierkörperbeseitigungsanlagen behandelt werden muß. Das sind in Deutschland im Jahr 100 000 Lastwagen voll, jeder Lastwagen gefüllt mit 23 Tonnen Tierabfällen. Das sind durchschnittlich zehn Lkw pro Tag für jede Anlage - nur damit man einmal eine Vorstellung hat, um welche Mengen es sich dabei handelt.
Das deutsche Tierkörperbeseitigungsgesetz kennt drei Arten von zu entsorgendem Material:
Erstens die Schlachtabfälle. Sie machen etwa 1,9 Millionen Tonnen im Jahr aus.
Zweitens die Tierkörper. Das sind verendete oder getötete Tiere, also Kadaver.
Drittens sonstige Erzeugnisse wie zum Beispiel verdorbene tierische Lebensmittel.
Die beiden letzten entsprechen allerdings nur etwa 15 Prozent aller anfallenden Materialien in den Tierkörperbeseitigungsanlagen. Die weit überwiegende Menge, etwa 85 Prozent, sind also Schlachtabfälle, das heißt, es sind Reste von Tieren, deren Fleisch vorher für den menschlichen Verzehr als geeignet befunden wurde.
Der Erlös aus den insgesamt hergestellten zirka 350 000 Tonnen Tiermehlen - was immer das im einzelnen dann sein mag; es gibt da unterschiedliche Fraktionen - beläuft sich allein in der Bundesrepublik auf etwa 143 Millionen DM jährlich. Sie sehen also, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht hier, neben der Seuchenbekämpfung, neben einer kostengünstigen Abfallbeseitigung, neben Recycling und Verbraucherschutz, wieder einmal auch ums Geld.
In Deutschland wenden 38 der 42 Tierkörperbeseitigungsanlagen das sogenannte Druck-Hitze-Verfahren an, bei dem das zerkleinerte Material mindestens 20 Minuten auf 133 Grad unter 3 bar Dampfdruck erhitzt wird. Dieses Verfahren gilt als das hygienisch sicherste Verfahren der Beseitigung von Tierkörpern, wenn man am Ende Mehl erhalten möchte, welches noch als Tierfutter geeignet ist.
Für die Tierernährung werden Tiermehl, Fleisch-, Knochen- oder Blutmehle aber immer dann unbrauchbar, wenn Eiweiße bzw. Fette darin zu sehr durch Hitze oder Chemikalien verändert werden. Sie sind dann schlicht unverdaulich. Ähnliches gilt für die Herstellung von Gelatine. Zwar werden hier nur Schlachtabfälle verwendet und keine Kadaver, aber es bleibt auch hier dabei: Man kann die kollagenen Eiweißmoleküle in der Gelatine nicht beliebig erhitzen. Irgendwann verändern sich deren Strukturen so sehr, dass die Quellfähigkeit weg ist, und dann ist es keine Gelatine mehr.
Abgesehen von den Energie- oder den Verfahrenskosten ist man deshalb seitens der Anlagenbetreiber und der Tiermehlindustrie daran interessiert, die Erhitzung möglichst niedrig zu halten. Das heißt, was die seuchenhygienische Qualität angeht, gibt es ein wirtschaftliches Interesse, sie nicht allzusehr zu übertreiben.
Ich möchte Sie - ich sehe schon Ermüdungserscheinungen - nicht mit weiteren Einzelheiten über die Verarbeitung von Rinderprodukten und Schlachtabfällen überfordern. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, dass die von EU-Kommissar Fischler behauptete Sicherheit mit Sicherheit nicht gegeben ist - schon allein deshalb nicht, weil die europäischen Tierkörperbeseitigungsanlagen noch nicht auf unseren deutschen Standard umgerüstet worden sind. Nur in Deutschland und Holland sollen die Anlagen diesem Standard entsprechen. Von neugewonnener Sicherheit für die Briten und für ihre europäischen Partner kann deshalb nicht die Rede sein. Wer das tut, der liefert nichts als ein erneutes Schönreden der Verhältnisse des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im Staate Europa.
Wir wollen, dass die Verantwortlichen der Bundesregierung jetzt endlich kontinuierlich und eindeutig dafür sorgen, dass das, was sie den Menschen erzählen - Sie haben es uns auch wieder erzählt -, in Brüssel auch endlich gemacht und konsequent durchgehalten wird. Das ist das einzige, was wir Ihnen als Opposition nun wirklich nicht abnehmen können.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Kollege Wodarg, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Limbach?
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Ja, gerne.
Editha Limbach (CDU/CSU):
Herr Kollege Wodarg, können Sie mir sagen, auf Grund welcher Bestimmungen des Vertrages von Maastricht die Bundesregierung das alleinige Sagen in Brüssel hat?
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Das hat sie nicht, natürlich nicht.
(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Aha!)
Aber wir verlangen von der Bundesregierung - das wurde hier deutlich -, dass sie zu dem, was sie in der Sache vertreten hat, steht und im Notfall auch einen Alleingang wagt. (Beifall bei der SPD)
Ein integrierter Wirtschaftsraum Europa braucht auch ein integriertes europäisches System des Gesundheitsschutzes, der Seuchenvermeidung und der umweltgerechten Lebensmittelerzeugung. Hätten Sie, Herr Seehofer, und Sie, Herr Borchert, für die europäische Integration des Gesundheits- und Verbraucherschutzes soviel getan wie die Wirtschaftsminister für den freien Warenverkehr, so käme es nicht zu diesen krisenhaften Belastungen zwischen den europäischen Partnern. (Beifall bei der SPD)
Doch jetzt haben wir den Salat! Ob neben dem wirtschaftlichen Schaden auch bei uns gesundheitliche Schäden durch halbherzige Verbraucherschutzmaßnahmen der Bundesregierung entstanden sind, wissen wir noch nicht. Wenn es hier so kommt wie in Großbritannien, wo jetzt die ersten atypischen CJK-Fälle zunehmend wahrscheinlich machen, dass BSE-Erreger auch beim Menschen eine Epidemie auslösen, dann ist es für die Betroffenen allerdings zu spät. Die Bundesregierung hat auf unsere Große Anfrage lakonisch geantwortet: Es gibt keine therapeutischen Möglichkeiten, die spongiformen Enzephalopathien bei Menschen oder Tieren zu lindern oder zu heilen. Sie verlaufen chronisch progredient und immer tödlich. Wenn es aber keine Therapie gibt, so müssen wir doch um so intensiver alles tun, damit die Infektion nicht noch mehr Menschen trifft. (Widerspruch bei der CDU/CSU)
Hier, im Bereich der Vorbeugung, läuft aber alles so halbherzig weiter wie bisher. Der Gesundheitsminister hat offenbar immer noch nicht entdeckt, dass Vorbeugen tatsächlich besser ist als Heilen; er redet nur darüber. Das zeigen übrigens auch seine Anstrengungen, die vorbeugenden Maßnahmen der GKV auf das zusammenzustutzen, was in der Arztpraxis stattfindet. Doch darüber werden wir morgen noch ein wenig hören. (Beifall bei der SPD)
Der von uns vorgelegte Entschließungsantrag enthält ein Paket von Forderungen, von denen ich einige nennen möchte, die besonders den Ursachen einer solchen Epidemie entgegenwirken sollen.
Ausgelöst, wie gesagt, wurde BSE durch den fahrlässigen Einsatz von infektiösem Tiermehl bei der Herstellung und Verfütterung von Rinderkraftfutter. Deshalb liegt uns ein vernünftiger und verantwortungsvoller Umgang mit tierischen Abfällen besonders am Herzen. Hier besteht weiterhin ein erheblicher Regelungsbedarf.
Wir fordern deshalb die europaweite Rücknahme der in der EU- Tierkörperbeseitigungs-Richtlinie von 1990 tolerierten Ausnahmegenehmigungen und eine unverzügliche Umstellung aller europäischen - nicht nur der britischen - Tierkörperbeseitigungsanlagen entsprechend § 5 des deutschen Tierkörperbeseitigungsgesetzes. Wir möchten übrigens auch wissen, wie lange dies dauert und wie in der Zwischenzeit verfahren werden soll.
Wir schlagen außerdem vor, in der Zwischenzeit das Tiermehl, das nicht entsprechend diesen Standards hergestellt wurde, mit erstens einem Verfütterungsverbot für alle landwirtschaftlichen Nutztiere (Lebensmitteltiere), zweitens einem Verbringungsverbot innerhalb der EU und drittens einem Exportverbot, soweit dieses Mehl von britischen Rindern stammt, zu belegen.
Darüber hinaus halten wir es für einen vertretbaren Kompromiß - ich bitte jetzt besonders die Landwirte hier im Haus um ihre Aufmerksamkeit -, wenn entsprechend § 5 des deutschen Tierkörperbeseitigungsgesetzes hergestelltes Tiermehl zum Beispiel an Geflügel und Schweine verfüttert werden darf, sofern es von gesunden Tieren stammt. Das heißt aber, es darf auch weiterhin keinesfalls an wiederkäuende Tiere und andere Pflanzenfresser verfüttert werden.
Das Risiko von BSE und anderen bisher vielleicht noch nicht in ihrer Gefährlichkeit für den Menschen bekannten Zoonosen erfordert doppelte Sicherheitsmaßnahmen. Deshalb müssen wir zusätzlich zu der für bekannte Erreger ausreichenden Sicherheit durch Druck- Hitze-Verfahren auch auf der Inputseite das Risiko minimieren und deshalb das Material vorsortieren, bevor es in die Tierkörperbeseitigungsanlage kommt. Das heißt, Kadaver, krankheitsverdächtige und andere riskante Tierprodukte haben nichts in Anlagen für die Herstellung von Tierfutter zu suchen. Das ist heute tägliche Praxis. (Zustimmung bei der SPD)
Wenn wir schon Tiermehl verfüttern müssen, dann dürfen Schweine, Hühner, Puten, Hunde, Katzen und andere Nichtwiederkäuer nur von den Tieren die technisch aufbereiteten Reste erhalten, deren Fleisch auch für uns Menschen als unbedenklich eingestuft wurde.
Auf weitere Forderungen sind meine Kolleginnen und Kollegen bereits eingegangen, so daß mir im Zusammenhang mit dem Tiermehlproblem nur noch eine letzte Frage an den Landwirtschaftsminister gestattet sei: Wie beurteilen Sie, Herr Minister Borchert, dass wir einerseits sagen, Tiermehl dürfe nicht an Wiederkäuer verfüttert werden, (Zuruf von der SPD: Der hört überhaupt nicht zu, der Minister Borchert! - Gegenruf von der CDU/CSU: Das ist es auch nicht wert!) und andererseits regelmäßig -
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Minister Borchert, Sie werden gerade angesprochen. - Bitte schön.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): - Tiermehlbestandteile an Kälber verfüttern, wenn sie mit künstlichen Milchaustauschpräparaten getränkt werden? Diese Milchaustauschpräparate enthalten etwa zwei Gewichtsprozent an aus Tierkörperbeseitigungsanlagen stammenden Tierfetten. Was habe ich da vorhin gehört, dass an Rinder nicht andere Tiere verfüttert werden dürfen? Halten Sie es für richtig, Herr Minister, dass wir unsere Kälber nur deshalb nicht als Wiederkäuer bezeichnen, weil sie noch keine feste Nahrung zu sich nehmen? Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich meine, dass diese Diskussion anfangs gut gelaufen ist, da zu Beginn viele gemeinsame Erklärungen abgegeben wurden. Aber wenn es nun um das Detail geht, wenn es darum geht, was jetzt konkret gemacht wird, dann paßt die Regierung. Auch der Antrag der Bundesregierung ist so lasch und besagt, die werden es schon machen, enthält aber keine konkreten Maßnahmen, die durchgesetzt werden können.
Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der eigentlichen Substanz dieser Debatte ist für mich und, glaube ich, auch für andere deutlich geworden, dass es ein großes Maß der Übereinstimmung in der Bewertung der derzeitigen Maßnahmen zur Bekämpfung der BSE gibt. Viele Aussagen sind hier von einer großen verbraucherpolitischen Verantwortung getragen gewesen. Der agrarpolitischen Verantwortung haben sich einige jedoch nicht gestellt. Ich möchte mich damit einmal auseinandersetzen.
Jochen Borchert hat bereits in seiner Rede von unqualifizierten Äußerungen eines SPD-Abgeordneten gesprochen. (Klaus Kirschner [SPD]: Wer war das denn? Bei welcher Rede waren Sie denn?) Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Hänsch, hat sich ähnlich unqualifiziert geäußert. (Klaus Kirschner [SPD]: Das haben Sie doch gar nicht gehört!) - Ich habe die Pressemitteilung gelesen. Vielleicht beschaffen Sie sich diese Pressemitteilung auch.
Frau Höfken, wenn Sie erklären, dass Sie zwar für Ihre Gemeinschaft von Rindfleischerzeugern Ihre Hand ins Feuer legen, aber nicht für andere deutsche Rindfleischerzeuger, dann verunsichern Sie die Verbraucher, und Sie verunsichern sie in einer ungerechtfertigten Weise. Denn BSE ist nicht das Ergebnis deutscher Agrarpolitik. BSE ist das Ergebnis britischer Agrarpolitik. BSE ist auch nicht das Ergebnis deutscher Rindfleischproduktion, sondern das Ergebnis britischer Nachlässigkeiten. Auch deshalb muß BSE in Großbritannien umfassend und hinreichend bekämpft werden. Es muß immer wieder darauf gedrungen werden, dass eine restriktive Handelspolitik stattfindet, um diese scharfen Bekämpfungsmaßnahmen in Großbritannien auch durchzusetzen. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Darf er das sagen?)
Ich glaube, dass durch den Druck der deutschen Bundesregierung, aber auch durch den Druck anderer europäischer Länder, durch das rigorose Exportverbot und auch durch die konsequente, nunmehr eingeleitete notwendige Bekämpfung der BSE in Großbritannien die Bekämpfung der BSE umfassend und hinreichend begonnen worden ist. Auch finde ich richtig - das ist bereits zum Ausdruck gekommen - , dass wir diese Bekämpfungsmaßnahmen über die Europäische Union mitfinanzieren. Es gibt teilweise Kritik an dieser Mitfinanzierung. Ich möchte allerdings allen Kritikern einmal empfehlen, sich genau anzusehen, inwieweit wir die Maßnahmen der Briten eigentlich mitfinanzieren und inwieweit sie von den Briten auch selbst finanziert werden.
Oftmals - das ist durch meinen Vorredner wieder zum Ausdruck gekommen - wird im Zusammenhang mit BSE die Verfütterung von Tiermehl generell kritisiert. Nun muß man als erstes feststellen: An Wiederkäuer wird in Deutschland kein Tiermehl verfüttert. Das hat man in Großbritannien immer anders gesehen. Auch nach meiner Meinung ist es ein Skandal, dass man das in Großbritannien anders gesehen hat. Aber Tiermehl aus ernährungsphysiologischen Gründen bei Schweinen und bei Hühnern zu verfüttern, halte ich nach wie vor für richtig. Wir müssen allerdings darauf achten - auch das ist durch mehrere Redner zum Ausdruck gekommen -, dass bei der Produktion von Tiermehl alle Krankheitserreger unschädlich gemacht werden. In Deutschland gibt es ein Verfahren, das alle Krankheitserreger unschädlich macht. (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das wissen wir nicht!) Dieses Verfahren muß - Sie sind dafür eingetreten - überall in der EU zur Anwendung kommen. Deshalb bitte ich doch auch, über den Einsatz von Tiermehl differenzierter zu sprechen, als das im Bundestag oder in der Öffentlichkeit teilweise immer wieder geschieht.
Die Maßnahmen, die durch die EU beschlossen worden sind, sind übrigens auch besser, sie sind erfolgreicher und konsequenter - darauf hat ja unser Bundesminister Horst Seehofer immer wieder aufmerksam gemacht - als alle nationalen Alleingänge, weil nur die Maßnahmen der EU das Ganze auch kontrollfest machen. Auch darauf ist ja Bundesminister Seehofer mehrmals eingegangen.
Wir sollten keinen Zweifel lassen, dass die EU bei einer konsequenten Bekämpfung - ich meine: Bekämpfung der BSE in Großbritannien - bleiben muß. Nur wenn diese Bekämpfungsmaßnahmen auch weiterhin in Großbritannien durchgesetzt werden, ist das Vertrauen der Verbraucher in Rindfleisch wiederherzustellen.
Zu diesem notwendigen Vertrauensbildungsprozeß gehört jedoch auch - ich bin bereits zu Beginn meiner Rede darauf eingegangen - eine vernünftige, sachorientierte Auseinandersetzung über die BSE, und dazu gehört nach meiner Auffassung auch eine zwar nicht unkritische, aber verantwortungsbewußte Berichterstattung der deutschen Medien.
Ich habe bereits zu Beginn meiner Rede angesprochen - und, Frau Höfken, das ist ja durch Ihre Aussagen hier auch wieder zum Ausdruck gekommen -, dass einige ganz bewußt unterstellen, BSE sei ein Ergebnis der konventionellen Rinderhaltung und der Rindfleischproduktion. Wer so etwas behauptet, wer so etwas unterstellt, der will sein politisches Süppchen kochen, und zwar auf Kosten der deutschen Bauern, aber nichts, aber auch gar nichts zur Verbraucheraufklärung beitragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Meine Damen und Herren! Es wäre genauso falsch, wenn man der alternativ produzierenden Landwirtschaft in Deutschland BSE anlastet. Es trifft zwar zu, dass in alternativ produzierenden Betrieben BSE aufgetreten ist, aber das hat nichts mit dem Produktionsverfahren in diesen Betrieben zu tun; vielmehr wurden für diese Betriebe Zuchttiere aus Großbritannien importiert.
Deshalb ist es richtig, aufzuklären und nicht immer mit Unterstellungen zu operieren.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Höfken?
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU):
Gerne!
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Ronsöhr, ist Ihnen denn bekannt, dass ökologisch wirtschaftende Betriebe kein Tiermehl verfüttern dürfen und insofern auch eine Auslösung der Krankheit BSE in diesen Betrieben nicht erfolgen kann?
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU):
Sie wissen, dass alle deutschen Rindfleisch produzierenden Betriebe kein Tiermehl verfüttert haben. Insofern ist das, was Sie jetzt gesagt haben, genau wieder eine Aussage gegen bestimmte landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!
(Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh!)
Ich begrüße ausdrücklich jede Aufklärungskampagne für den Verbraucher. Ich mache allerdings auch darauf aufmerksam, dass jede Aufklärungskampagne konterkariert wird, wenn die Medien über BSE nicht richtig berichten oder die Politiker falsche Aussagen über BSE treffen. Die Medien - das stelle ich noch einmal fest - sollen Kritik üben; aber sie müssen auch ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Medien haben zwar sehr umfangreich über das Thema BSE berichtet; aber die Bevölkerung fühlt sich trotz dieser umfangreichen Berichterstattung nicht richtig informiert. Das ist nach meiner Meinung dann auch eine Kritik an dieser Berichterstattung.
Deshalb hoffe ich, dass in Zukunft wir alle unserer Verantwortung gerecht werden: die Briten, indem sie die Beschlüsse der EU konsequent umsetzen, die EU, indem sie die Briten so kontrolliert, dass sie diese Beschlüsse der EU auch umsetzen, die Europäische Union, dass sie, wenn sich die Notwendigkeit auch weiterhin ergibt, an der jetzigen Politik der konsequenten BSE-Bekämpfung festhält, die Medien, indem sie mit ihrer Aufklärungspflicht verantwortungsbewußt gegenüber dem deutschen Verbraucher und den deutschen Rindfleischproduzenten umgehen, und die Landwirte, die Schlachtbetriebe und die Vermarkter, indem sie für den Verbraucher nachvollziehbare Wege von der Produktion bis zur Ladentheke aufzeigen.
Auch wir als Vertreter der deutschen Politik müssen dieser Verantwortung gerecht werden, indem wir - das ist meiner Meinung nach durchgängig in allen Reden zum Ausdruck gekommen - innerhalb der EU unsere erfolgreiche Politik des Verbraucherschutzes weiter fortsetzen, damit die EU bei der konsequenten Haltung im Hinblick auf die Bekämpfung der BSE bleibt.
Wir wollen eine Politik, die den Verbraucherschutz auf hohem Niveau beibehält bzw. herstellt und die ein gerechtfertigtes Vertrauen für die deutschen Rindfleischproduzenten schafft. Denn die Rindfleischproduktion - darauf möchte ich zum Schluß einmal ganz bewußt im Namen meiner Berufskollegen aufmerksam machen, die zur Zeit ganz schwere Zeiten erleben - ist in Deutschland für die Bewirtschaftung des Grünlandes unbedingt erforderlich. Wer auf den Almen und in den Flußtälern, wer in den Mittelgebirgen und an der Küste Grünland erhalten will, der muß das gerechtfertigte Vertrauen in die deutschen Rindfleischproduzenten wieder stärken. Alle Maßnahmen zur Stützung des Rindfleischmarktes können meines Erachtens nicht das bewirken, was wir gemeinsam - die Politik, die Medien, die Bauern, die Schlachtereien, die Vermarkter - erreichen können, indem wir das Vertrauen in deutsche Bauern und in ihre Rindfleischproduktion herstellen.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 13/4388 und 13/4676 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/4697 soll zur federführenden Beratung dem Ausschuß für Gesundheit und zur Mitberatung dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Autorenindex - authors index
Startseite - home page