NR AQFE

AU Kretzschmar,H.A.

TI Humanmedizinische Bedeutung der BSE

QU 6. Hohenheimer Seminar, "Vorbeugemaßnahmen bei der Zoonosenbekämpfung", Tagung der DVG-Fachgruppe "Umwelt- und Tierhygiene" in Verbindung mit der Grimminger-Stiftung für Zoonosenforschung, veranstaltet vom Institut für Umwelt- und Tierhygiene sowie Tiermedizin mit Tierklinik der Universität Hohenheim Stuttgart, 23.-24. September 1996

VT DVG
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft e.V.
German Veterinary Medical Society
6. Hohenheimer Seminar
"Vorbeugemaßnahmen bei der Zoonosenbekämpfung"
Tagung der DVG-Fachgruppe "Umwelt- und Tierhygiene" in Verbindung mit der Grimminger-Stiftung für Zoonosenforschung
veranstaltet vom Institut für Umwelt- und Tierhygiene sowie Tiermedizin mit Tierklinik der Universität Hohenheim Stuttgart
23.-24. September 1996
Wissenschaftliche Vorbereitung und Organisation: Prof. Dr. Reinhard Böhm, Stuttgart-Hohenheim
Verlag der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V., Frankfurter Str. 89, D-35392 Giessen
Vorsitzender: Prof. Dr. Dr. h.c.mult. E. Grunert (Hannover)
Aus dem Institut für Neuropathologie, Universität Göttingen
HUMANMEDIZINISCHE BEDEUTUNG DER BSE
H. Kretzschmar
Die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE oder "Rinderwahnsinn") auf den Menschen übertragbar ist, kann derzeit nicht mit absoluter Sicherheit beantwortet werden. BSE wurde zum ersten Mal 1986 in Großbritannien beobachtet. Zu ihrer Entstehung gibt es zwei Hypothesen: Sie könnte durch Verfütterung erregerhaltigen "Knochenmehls", das in größeren Mengen auch zentralnervöses Gewebe enthält, von Scrapie-erkrankten Schafen auf Rinder übertragen worden sein. Zum anderen ist im Sinne der Prionhypothese (s. u.) auch vorstellbar, dass die BSE ebenso wie andere Prionkrankheiten de novo in einem Säugetierorganismus entstehen kann und durch Verfütterung von Schlachtabfällen eines BSE-erkrankten Rindes auf andere Rinder übertragen wurde, um dann eine lawinenartige Verbreitung anzunehmen, der inzwischen in England 160 000 Rinder zum Opfer gefallen sind. Es stellt sich die beunruhigende Frage, ob die BSE auf den Menschen übertragbar ist.
Die Prionkrankheiten und die Prionhypothese
Die Prionkrankheiten sind im allgemeinen seltene Erkrankungen des zentralen Nervensystems mit langer Inkubationszeit und relativ kurzer Krankheitsdauer, die in allen Fällen unaufhaltsam zum Tode führen. Zu ihnen zählen beim Menschen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die in etwa 90% der Fälle sporadisch, vielleicht auch spontan auftritt (s. u.), mit einer Inzidenz von ca. 1 Fall pro Million Einwohner pro Jahr. Weiterhin ist eine größere Anzahl iatrogen übertragener CJD-Fälle bekannt geworden, überwiegend nach Therapie mit aus Hypophysen Verstorbener gewonnenem Wachstumshormon. Daneben gibt es eine Reihe von Mutationen des Prionproteingens, die in betroffenen Individuen zum Ausbruch der Krankheit führen. Weitere seltene genetisch bedingte Prionerkrankungen des Menschen sind das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom und die tödliche familiäre lnsomnie (Fatal Familial Insomnia, FFI). Beachtenswert ist, dass auch Hirngewebe von Patienten, die an erblichen Formen der Prionkrankheiten leiden, infektiös ist. Kuru, eine ehemals in Neu-Guinea durch rituellen Kannibalismus verbreitete Krankheit, ist heute nur noch von medizinhistorischem Interesse. Wichtige Prionkrankheiten im Tierreich sind Scrapie (die Traberkrankheit) bei Schaf und Ziege, eine Krankheit, die seit über 200 Jahren bekannt ist, jedoch offensichtlich nicht auf den Menschen übertragbar ist, TME (Transmissible Mink Enzephalopathie bei Nerzen), die Feline Spongiforme Enzephalopathie sowie weitere Prionerkrankungen bei Zootieren, die vermutlich durch Verfütterung infizierter Knochenmehle auf verschiedene Ungulaten übertragen wurden. (Detailinformation zu Klinik, Pathologie und Genetik vgl. Deutsches Ärzteblatt Heft 44.4. November 1994).
Zur Natur des Erregers gibt es neben der Vermutung, die von einem bislang noch nicht identifizierten Virus mit ungewöhlichen Eigenschaften ausgeht, die sogenannte Prionhypothese, die 1982 von Stanley Prusiner aufgestellt wurde. Im Sinne dieser Hypothese wird ein körpereigenes normales Protein unbekannter Funktion, das sogenannte zelluläre Prionprotein (PrPc), in seiner Konformation so verändert, dass es diese Konformation über eine Di-, Tetra- oder Hexamerbildung auf andere Prionproteine stabil übertragen kann. Dieses in seiner Konformation veränderte Protein, die sogenannte Scrapieisoform des Prionproteins, PrPsc, ist Teil des infektiösen Agens, des Prions. Prione bestehen im wesentlichen aus Protein, zu ihrer Vermehrung ist keine eigene Nukleinsäure nötig, vielmehr entstehen sie durch Umformung präexistenter zellulärer Prionproteine. Im Sinne dieser Hypothese wird ein wesentlicher Mechanismus der Infektion in der Umformung von PrPc anhand einer "Matrize" (PrPsc) in das pathologische PrP (genannt PrPsc) gesehen. Bei den sporadisch auftretenden Erkrankungen wird vermutet, dass PrPc, das hohe Anteile a-helikaler Strukturen hat, spontan zu PrPsc, das reich an ß-Faltblattstrukturen ist, umgelagert wird. Bei hereditären Prionkrankheiten könnte diese Tendenz durch eine Veränderung in der Primärstruktur des Prionproteins verstärkt werden, bei sporadisch auftretenden Erkrankungen könnte auch eine somatische Mutation die Ursache sein.
Die Prionhypothese ist nicht bewiesen, wenngleich die Summe der in den vergangenen Jahren erhobenen Befunde die Prionhypothese stützt. Wesentliche Probleme bestehen noch im Verständnis des molekularen Geschehens bei der Umwandlung von PrPc zu PrPsc, in der Erklärung stabiler Erregerstammeigenschaften in der Abwesenheit von Nukleinsäuren, der Funktion von PrPc und der neurotoxischen Wirkung von PrPsc. Viel Forschungsarbeit wird nötig sein, um wirkliche Fortschritte im Verständnis zu erreichen; erst dann kann sinnvoll über therapeutische Strategien nachgedacht werden.
Übertragbarkeit auf den Menschen
Der Frage, ob die BSE auf den Menschen übertragbar ist, kann man sich zum jetzigen Zeitpunkt nur indirekt nähern: Prionkrankheiten sind unter experimentellen Bedingungen, das heißt bei intrazerebraler Injektion erregerhaltigen Materials fast unbeschränkt auf Säugetiere zu übertragen. Speziesbarrieren sind in den meisten Fällen durch Injektion sehr hoher Erregerdosen zu überwinden, wobei eine verlängerte Inkubationszeit beobachtet wird, die sich bei weiteren Passagen im jeweils neuen Wirt verkürzt. Wichtig für die Einschätzung einer möglichen Übertragung der BSE auf den Menschen sind folgende Überlegungen:
1. Die orale Übertragung ist im Vergleich zur intrazerebralen experimentellen Übertragung um den Faktor 10^5 weniger effizient (andere Arbeitsgruppen geben einen Fakor 10^9 an).
2. Während bei Prionkrankheiten in allen Fällen das zentrale Nervensystem eine sehr hohe Erregerdichte aufweist und in manch anderen Organen noch gut nachweisbar ist, läßt sich der Erreger in der Muskulatur im allgemeinen nicht nachweisen. Für die BSE werden im Gehirn und im Rückenmark Erregerdosen von 10^5,5 bis 10^6 pro Gramm Gewebe angegeben. Weiterhin wurde der Erreger im Auge und im Ileum (Peyer'sche Plaques) nachgewiesen. In der Muskulatur sowie in weiteren vierzig Organen und Geweben ließ sich der BSE-Erreger nicht nachweisen (s.u.).
3. Mitunter scheinen die Speziesbarriere, die relativ geringe Erregermenge in peripheren Organen und noch unbekannte Faktoren bei der Verdauung erregerhaltigen Materials so zusammenzuwirken, dass die Prionkrankheiten nicht übertragen werden. So läßt sich aus der Erkenntnis epidemiologischer Zusammenhänge ableiten, dass die Traberkrankheit der Schafe nicht mit der Nahrung auf den Menschen übertragbar ist: Während sie in Schottland seit über 200 Jahren eine häufige Erkrankung ist und angenommen werden muß, dass die Schotten seit langer Zeit in größerer Menge scrapieinfiziertes Material mit der Nahrung aufgenommen haben, auf der anderen Seite Australien scrapiefrei ist, ist die Inzidenz der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen in beiden Ländern gleich hoch. Auch die BSE läßt sich nach Angaben aus Großbritannien oral nicht auf das Schwein übertragen, wohl jedoch auf die Maus.
Die Kenntnis dieser Zusammenhänge haben dazu geführt, dass das Risiko einer Übertragung der BSE auf den Menschen für zwar möglich, aber doch für sehr gering gehalten wurde. Wenig Beachtung fand dabei die exakte Datenlage. Untersuchungen zur Ermittlung der Erregerdichte in verschiedenen Geweben und Organen sowie zur Übertragbarkeit auf andere Spezies wurden lediglich in Großbritannien durchgeführt. Ungewöhnlich ist dabei die Art und Weise der Bekanntgabe wichtiger experimenteller Daten, die nur zum Teil in allgemein zugänglichen wissenschaftlichen Journalen publiziert wurden. Manch wichtige Daten wurden zwar wiederholt mündlich vorgetragen und sind in Tagungsberichten von EU-Expertentreffen enthalten, viele Einzelheiten sind jedoch nicht allgemein zugänglich. So geben zum Beispiel englische Experten erst auf Nachfragen bekannt, dass die Ermittlung der Erregerdichte in der Muskulatur auf Versuchen an nur drei BSE-erkrankten Kühen und jeweils vier verschiedenen Muskeln, die in Mäusegehirne injiziert wurden, beruht. Die Nachweisgrenze dürfte bei diesen intrazerebralen Injektionsversuchen bei ca. 10^2 Einheiten pro Gramm Gewebe (LD50/g) liegen.
Tierexperimente haben eine grobe Abschätzung des BSE-Risikos für den Menschen ergeben, genauere Aufschlüsse sind jedoch nur durch die Ermittlung epidemiologischer Daten zu erwarten.
Neue CJD-Variante in Großbritannien
Von der CJD-Studiengruppe in Edingburgh wurden zehn Creutzfeldt-Jakob-Fälle beschrieben, die mehrere Besonderheiten aufwiesen. Alle Fälle wurden im letzten Jahr beobachtet. Besonders wichtige Eigenheiten, die zeigen, dass es sich um eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit handelt, sind die folgenden: Das Durchschnittsalter der Patienten beträgt ca. 29 Jahre_(gegen über 63 Jahren im Durchschnitt der bislang beobachteten Creutzfeldt-Jakob-Fälle), die durchschnittlich 12-monatige Krankheitsdauer (gegenüber ca. 6 Monaten), ein verändertes klinisches Bild, bei dem Gemütsveränderungen im Vordergrund stehen und die Demenz erst spät beobachtet wird, die Abwesenheit von typischen EEG-Veränderungen (wogegen sie sonst bei 70% der Fälle zu beobachten sind) sowie außergewöhnliche pathologische Veränderungen mit dichten Ablagerungen des Prionproteins in Form sogenannter Kuruplaques und "florider" Plaques weit verstreut über alle Anteile des Gehirns. Alle untersuchten Fälle waren am Codon 129 homozygot für die Aminosäure Methionin; die Ablagerung des Prionproteins in Form von Kuruplaques ist in der bisherigen Erfahrung mit Homozygotie für Valin bzw. Heterozygotie für Valin/Methionin am Codon 129 verbunden gewesen. Fälle mit vergleichbarer Kombination klinischer, pathologischer und genetischer Charakteristika wurden vorher in Großbritannien nicht beobachtet. Es muß daher davon ausgegangen werden, dass im letzten Jahr eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beobachtet wurde.
Auf der Suche nach möglichen Erklärungen für das Auftauchen einer neuen CJD-Variante denkt man als mögliche Ursache zunächt an die Übertragung der BSE auf den Menschen. Diese Hypothese kann wegen des zeitlichen Zusammenhangs der beiden Ereignisse (erste BSE-Fälle in Großbritannien 1985-1986; neue CJD-Variante in Großbritannien 1995-1996) und der Tatsache, dass bei der BSE bestimmte, gegenüber Scrapie neue stabile Erregerstammeigenschaften identifiziert wurden, als wahrscheinlich gelten. Eine Klärung kann durch Übertragung der neu beobachteten CJD-Variante auf Mäuse und den Vergleich mit pathologischen Veränderungen in Mäusen nach direkter Übertragung von BSE wegen der stabilen Erregereigenschaften des BSE-Erregers in der Maus mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen. Andere denkbare Erklärungen. wie z.B. daß die jetzt beschriebene Variante in vergangenen Jahren von Neurologen und Neuropathologen nicht erkannt wurde, scheinen zum jetzigen Zeitpunkt weniger wahrscheinlich. Sollten sich retrospektiv einzelne vergleichbare Fälle in den neuropathologischen Archiven identifizieren lassen, müßte diskutiert werden, ob diese Fälle ebenfalls - und zwar schon vor langer Zeit - durch die Übertragung von BSE auf den Menschen verursacht worden sein können. Die Möglichkeit einer Übertragung der BSE durch Verfütterung erregerhaltigen Materials an Schafe mit der Konsequenz einer neuen Prionkrankheit bei Schafen, die im Gegensatz zu den bisher bekannten Scrapiestämmen auf den Menschen übertragbar sein könnte, kann nicht ausgeschlossen werden.
Für die Übertragung der BSE auf den Menschen scheint es wahrscheinlich, anzunehmen, dass diese vor 1989 durch den Verzehr erregerhaltigen zentralnervösen Gewebes geschehen ist. Seit 1989, nach dem specified bovine offals ban, gelangte erregerhaltiges zentralnervöses Gewebe und andere innere Organe in Großbritannien nicht mehr in die menschliche Nahrung. Dabei ist zu hoffen, dass die gesetzlichen Bestimmungen genau befolgt wurden. Erschreckend ist, daß, wie sich jetzt herausstellt, ein Verbot Schlachtabfälle von Schafen und Rindern an Wiederkäuer zu verfüttern, das 1988 ausgesprochen wurde, von den ausführenden Stellen in Großbritannien sehr lax gehandhabt wurde.
Konsequenzen
Die Verfütterung von Schlachtabfällen als Knochenmehl an Wiederkäuer hat in Deutschland offensichtlich immer eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. Bei allen vier in Deutschland bekannt gewordenen BSE-Erkrankungsfällen handelte es sich um lebend aus Großbritannien eingeführte Tiere. Rindfleisch wurde aus England nur in sehr geringen Mengen nach Deutschland eingeführt. Genaue Daten sind jedoch nicht zu ermitteln, so daß die Risikoabschätzung nur mit einer gewissen Unschärfe erfolgen kann.
Seit dem 26. März 1996 besteht ein totales Ausfuhrverbot für Rinder und Rinderschlachtprodukte aus Großbritannien. Dieses Ausfuhrverbot muß als durchaus sinnvoll angesehen werden, wenngleich klar ist, dass die maximale Erregerexposition vor mehreren Jahren stattfand, im wesentlichen zu einem Zeitpunkt, als die Krankheit als solche erst erkannt wurde, und in der Folgezeit die Sicherheitsmaßnahmen, wie wir heute wissen, (zunächst) schleppend und lax befolgt wurden und erst nach und nach griffen. Bei der Entscheidung, ob und wann dieses Ausfuhrverbot aufgehoben werden kann, muß deshalb genau ergründet werden, ab welchem Zeitpunkt die Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen dazu geführt hat, dass keine neugeborenen Rinder mehr erkrankten.
In Deutschland wurde 1993 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit eine CJD-Studiengruppe an der Universität Göttingen etabliert, die die genaue Erfassung der CJD-Verdachtsfälle (Frau Prof. Poser, Neurologische Klinik) und die neuropathologische sowie die genetische Diagnostik (H. Kretzschmar, Institut für Neuropathologie) zum Ziel hat. Es kann in diesem Zusammenhang nicht genügend betont werden, welch großen Stellenwert die neuropathologische Untersuchung der Gehirne von Verstorbenen mit unklaren neurologischen Symptomen hat, auch wenn nur ein sehr geringer Verdacht besteht oder sogar wenn kein Hinweis auf das Vorliegen einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung vorhanden ist. Mehrere der in Großbritannien jetzt beobachteten Fälle einer Variante einer Prionkrankheit waren klinisch nicht als Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung zu erkennen. Erst die neuropathologische Untersuchung von bioptisch und autoptisch gewonnenem Hirngewebe war richtungsweisend und beweisend für die Diagnose.
LITERATURHINWEISE
HARRIS,D.A., A.GORODINSKY, S.LEHMANN, K.MOULDER und S.L.SHYNG (1996): Cell biology of the prion protein. In: Prions. Prions. Prions. SB Prusiner (ed.), Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag, pp. 77-93
GOLDFARB,L.G. und P.BROWN (1995): The transmissible spongiform encephalopathies. Annual Review of Medicine 46:57-66
KIMBERLIN,R.H. und J.W.WILESMITH (1994): Bovine spongiform encephalopathy (BSE): epidemiology, low dose exposure and risks. In: Sow lnfections of the Central Nervous System. J.Bjornsson, R.I.Carp, A.Love, H.M.Wisniewski (ed.). Annals of the New York Academy of Sciences, 724: 210-220.
PRUSINER,S.B. (1995): Biochemistry and genetics ofprion proteins. European Journal of Medicinal Chemistry 30:11-50.
WEBER,T., S.POSER und H.A.KRETZSCHMAR (1994): Prionkrankheiten - heutiger Wissensstand. Deutsches Ärzteblatt 91:2226-2232
WILL,R.G., J.W.IRONSIDE, M.ZEIDLER, S.N.COUSENS, K.ESTIBEIRO, A.ALPEROVITCH, S.POSER, M.POCCHIARI, A.HOFMAN and P.G.SMITH (1996): A new variant of Creutzfeldt-Jakob disease in the UK. Lancet 347:921-925
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. Hans Kretzschmar
Institut für Neuropathologie
Referenzzentrum für spongiforme Enzephalopathien der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie
Universität Göttingen
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen

IN Meine Kommentierung:
BSE wurde bereits 1985 mehrfach diagnostiziert.
Das dem Rinderfutter beigemischte Mehl war nicht Knochenmehl, sondern nach der deutschen Definition Tiermehl und nach der britischen Definition meat bone meal.
Es ist sehr umstritten, ob die Fore-Frauen und Kinder einen rituellen Kannibalismus betrieben. Wahrscheinlich ging es eher um eine zusätzliche Nahrungsquelle.
Es ist keineswegs offensichtlich, dass Scrapie nicht auf den Menschen übertragbar ist. Erstens kennen wir aufgrund sehr hoher Dunkelziffern die wahre CJK-Inzidenz in verschiedenen Ländern nicht und könne sie daher auch nicht vergleichen. Zweitens können Scrapie-Onfektionen des Menschen in der ersten Passage subletal sein.
Die Prion-Theorie wurde nicht erst 1982 von Stanley Prusiner aufgestellt, sondern bereits 1967 von J.S. Griffith in Nature publiziert und dort von einem Mitarbeiter Prusiners entdeckt.
Bei den sporadisch auftretenden Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen könnte es durchaus auch um Infektionen handeln, wie Prof. Diringer vermutet.
Um wirkliche Fortschritte im Verständnis der Prion-Krankheiten zu erreichen, sind nicht nur experimentelle Forschungsarbeiten im Sinne von Prof. Kretzschmar, sondern insbesondere intensives Literaturstudium und theoretisch-biologische Arbeiten erforderlich. Die Aussage, erst nach wirklichen Fortschritten im Verständnis der Prion-Krankheiten könne sinnvoll über therapeutische Strategien nachgedacht werden, halte ich für grob fahrlässig. Diese haltung bedeutet eine gefährliche Zeitverschwendung und kann viele Menschen unnptig zum Tode verurteilen. Es sind längst genügend Fakten bekannt, um Therapien zu erarbeiten. Wo wäre denn die Medizin heute, wenn sie nur weitgehend verstandene Krankheiten therapieren könnte?
Die orale Übertragung ist im Vergleich zur intrazerebralen experimentellen Übertragung nur dann um den Faktor 10^5 weniger effizient, wenn keine Speziesbarriere zu überwinden ist. Genau dies ist aber bei der wahrscheinlich möglichen Übertragung von BSE auf den Menschen nicht der Fall.
Es ist keineswegs anzunehmen, dass die Schotten in größerer Menge scrapieinfiziertes Material mit der Nahrung aufgenommen haben. Verglichen mit den heutigen Verhältnissen war der Fleischkonsum früher nämlich ganz erheblich geringer.
Das BSE sich oral nicht auf Schweine übertragen lasse, ist eine wirre Spekulation. Einige wenige erfolglose Versuche besitzen keinerlei Beweiskraft. Der Hinweis auf die angesichts der potentiellen Gefährdung menschlicher Gesundheit äußerst unbefriedigende britische Publikationspraxis und die in vielen Fällen absolut lächerliche Datenbasis ist völlig zutreffend. Es fragt sich allerdings, warum dies Prof. Kretzschmar bis 1996 nicht auffiel und er die haltlosen britischen Aussagen in den deutschen Medien unkritisch wiedergab.
Die ersten 10 vCJD-Fälle wurden nicht alle im letzten beziehungsweise vorletzten Jahr beobachtet. Es gab vielmehr 1995 3 Fälle, 1996 10 Fälle und inzwischen 2 Fälle 1997.
Die fälschlich ständig sogenannte klassische Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist in ihren Erscheinungsformen längst nicht so homogen, wie Prof. Kretzschmar dies darstellt. Ein gründliches Literaturstudium zeigt schnell, dass schon seit Jahrzehnten ein breites Spektrum beobachtet wurde. So machte bereits 1984 ein Artikel darauf aufmerksam, dass 33 von 357 histopathologisch verifizierten Creutzfeldt-Jakob-Patienten zu einem speziellen Typ gehörten, bei dem die Symptome bereits mit durchschnittlch 48 Jahren einsetzten und die Krankheitsphase mit über 2 bis maximal 13 Jahren besonders lange dauerte. Bei diesen Patienten traten Myoclonien mit 79% und periodische elektroenzephalographische Aktivitäten mit 45% seltener als gewöhnlich auf. Die Symptome verschlimmerten sich meist am Anfang sehr langsam und beschränkten sich auf nachlassende intellektuelle Fähigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. Auch Kuruplaques sind, wie der Name schon sagt, nichts Neues.
Die Behauptung: "Seit 1989, nach dem specified bovine offals ban, gelangte erregerhaltiges zentralnervöses Gewebe und andere innere Organe in Großbritannien nicht mehr in die menschliche Nahrung." ist unglaublich naiv, auch wenn sie im folgenden Satz relativiert wird. Von einem Professor sollte man mehr kritisch-wissenschaftliches Denken und durchdachtere Formulierungen verlangen können.
Angesichts der offensichtlichen Unwissenheit bezüglich der Unterscheidung von Tiermehl, Fleischknochenmehl und Knochenmehl glaube ich nicht, dass Prof. Kretzschmar wirklich gut über die Zusammensetzung der in der Vergangenheit in Deutschland verfütterten Rinderfutter informiert ist. Informationen aus diesem Bereich dringen kaum nach außen und von Offensichtlichkeit kann hierbei absolut nicht die Rede sein.
Nach meinen Informationen waren die aus England nach Deutschland eingeführten Rindfleischmengen auch durchaus nicht sehr gering. Sie reichten jedenfalls aus, um die meisten Deutschen mit zumindest einer Portion zu versorgen.
Unzutreffend ist auch die Behauptung, seit dem 26. März 1996 bestehe ein totales Ausfuhrverbot für Rinder und Rinderschlachtprodukte aus Großbritannien. Rindertalg ist ein Rinderschlachtprodukt und darf ausgeführt werden.

ZR 6

SP deutsch

PO Deutschland

OR Prion-Krankheiten 5

Autorenindex - authors index
Startseite - home page