NR ANVS

AU Klein,W.; Herrchen,M.; Bachmann,G.

TI Potential stability of BSE-infectivity in soils. State of knowledge and research needs

OT Mögliche Langlebigkeit von TSE/BSE-Erregern in Böden. Sachstand und Konsequenzen für die Forschung

QU Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2001 Apr; 44(4): 331-5

AB Once the BSE-agent has reached the soil, it is likely to be partially bound to particles in top soil layers. Based on knowledge regarding physico-chemical stability of the TSE-agents and indications from initial experiments in soil, a high persistence has to be expected. Obviously other exposure routes are more important for the spread of the BSE epidemic. Nevertheless the role of soils as a source for exposure can not be assessed reliably with present knowledge. Using a precautionary approach, it is essential to investigate and assess whether soil represents an infection source, that is elucidate the fate of these agents in soil and the potential involvement of soil born vectors.

VT Zusammenfassung
Bei Eintrag von BSE-Erregern in den Boden ist eine teilweise Sorption an Bodenpartikel in der oberen Bodenschicht wahrscheinlich. Auf der Basis der Kenntnisse zur physikalisch-chemischen Stabilität von TSE-Erregern und aufgrund von Hinweisen aus Versuchen zu ihrer Langlebigkeit in Böden ist mit hoher Persistenz zu rechnen. Für die Ausbreitung der BSE-Erkrankung sind andere Infektionspfade offenkundig von größerer Relevanz, allerdings kann die Bedeutung von Böden als Quelle für Infektionen auf der Basis des gegenwärtigen Wissens nicht abschließend beurteilt werden. Zur Vorsorge ist es erforderlich, eine Übertragungsmöglichkeit über Böden, respektive umweltbezogene biologische Vektoren, aufzuklären, selbst wenn die Übertragungswahrscheinlichkeit gering sein sollte.
Schlüsselwörter
BSE-Erreger - Langlebigkeit - Persistenz - Boden - Bodenschutz - Vorsorge - Weideflächen
Ausgangspunkt der Hypothese um potentielle Übertragungswege der BSE-Erreger über die Böden ist der Kenntnisstand zum Vorkommen und zum Verhalten von infektiösen Biomolekülen in diesem Umweltmedium. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Bodenschutz beim BMU "Wege zum vorsorgenden Bodenschutz"[1]hat den Kenntnisstand von Ende 1999 dargestellt, der sich jedoch im Verlauf des Jahres 2000 nur unwesentlich verändert hat. Das Gutachten äußert einen "erheblichen Grund zur Besorgnis" hinsichtlich des Kenntnisstandes zur Persistenz der pathogenen Prion-Proteine im Boden, deren Prüfung nach dem umweltpolitischen Prinzip der Vorsorge empfohlen wird. Das Bundesumweltministerium hat das Anfang 2000 überreichte Gutachten - auch wegen der vielen Empfehlungen zu anderen Aspekten der Bodenvorsorge - an den Deutschen Bundestag weitergegeben, dessen Ausschüsse sich mehrfach damit beschäftigten. Als unmittelbare Reaktion auf das Gutachten hat das Bundesumweltministerium ein erstes Forschungsvorhaben veranlasst, die Vollzugsbehörden von dem Sachstand unterrichtet und im Dezember ein internationales Fachgespräch gemeinsam mit dem Beirat durchgeführt [2]. Die Ergebnisse des Fachgespräches fließen in die folgende Darstellung des Sachstands ein. Ziel des Fachgespräches war die Identifizierung und Präzisierung notwendiger kurz- und mittelfristiger Forschungsaktivitäten sowie die Diskussion von Möglichkeiten zur Umsetzung von Ergebnissen der genannten Aktivitäten. Aufgrund generell nicht ausreichender Faktenlage waren Empfehlungen zu Risikominderungsmaßnahmen nicht Gegenstand des Fachgesprächs.
Generell sind Pflanzenkrankheiten, die aus dem Boden auf Kulturpflanzen übertragen werden, ein seit langem bekanntes Problem des landwirtschaftlichen Pflanzenschutzes. Konventionelle Krankheitserreger für Tier und Mensch sind zumeist als Ergebnis der eingeführten Hygieneregelungen im Hinblick auf Pfade vom Boden zu Tier und Mensch kein gravierendes Problem, zumal sie nicht dauerhaft in infektiösen Konzentrationen in Böden vorkommen. Allerdings liegen Erfahrungen auch mit dauerhaft infektiösen Erregern wie im Falle der Milzbrandsporen vor, für die der Übertragungsweg über den Boden belegt ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Situation mit infektiösen, im Boden persistenten, erst in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Biomolekülen zu prüfen, welche TSEs in vielen Tierarten, wie zum Beispiel Schafen, Ziegen, Rindern, Haus- und Zootieren, aber auch wild lebenden Tieren hervorrufen. BSE erfordert durch die Verknüpfung mit nvCJD und die Sicherheitsforderungen der Gesellschaft ein Vorgehen, das über die traditionelle Tierseuchenbekämpfung hinausgeht. Es sind nicht nur Schäden für die Tierhaltung durch die Tierseuche zu vermeiden, sondern das Ziel muss die Vermeidung auch nur weniger BSE-Fälle sein. Dies kann nur erreicht werden, wenn alle potenziellen Quellen zumindest wissenschaftlich abgeklärt werden.
Relative Bedeutung des Bodenpfades
Die relative Bedeutung des "Bodenpfades"gegenüber anderen Infektionspfaden der BSE-Erkrankung ist nicht abschließend zu klären. Es steht allerdings außer Frage, dass der heutige Kenntnisstand andere Infektionspfade als vorrangig belegt. Der Hinweis auf diesen Sachverhalt entkräftet allerdings nicht die Erforderlichkeit, eine womöglich auch nur geringe Wahrscheinlichkeit der Übertragung über Böden, respektive über umweltbezogene biologische Vektoren wie z.B. Milben, aufzuklären.
Die Thematik des Eintrags von BSE-Erregern in den Boden war Gegenstand von mehreren Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses der Europäischen Union (SSC), insbesondere dessen Stellungnahme zur Nutzung von Fleisch-und Knochenmehl als Dünger. Dies belegt ein wesentliches Interesse an Teilen der aufgeworfenen Fragestellung bei jedoch gleichzeitig geringer bzw. gänzlich fehlender Bearbeitung in Forschungsvorhaben. Die Betrachtung möglicher Eintragspfade in die Umwelt sollte die gesamte Tierhaltung (z.B. auch Zoos, Pelztiere, Fischfarmen) einbeziehen und nachgeschaltete Verarbeitung, die z.B. zur Abwasserkontamination führen kann, beachten. Der Anteil, der dem Bodenpfad an der Krankheitsverbreitung möglicherweise zukommt, wäre epidemiologisch frühestens nach dem Zeitraum zu ermitteln, bei dem eine Übertragung durch industrielles Tierfutter nicht mehr stattfindet. Die vor einigen Jahren ergriffenen Maßnahmen zum Verbot der Tiermehlverfütterung an Wiederkäuer haben, wie das britische Beispiel zeigt, Erfolge gebracht. Auch die Herausnahme spezifischer Risikomaterialien aus der Futterkette verstärkt dies, selbst wenn ein komplettes Tiermehlverfütterungsverbot nicht Bestand haben wird. Die Maßnahmen greifen bisher aber nicht für Haustiere, Zootiere, Pelztiere.
Die vermuteten Eintragspfade in den Boden sind zur Zeit nicht durch direkte Analysen zu quantifizieren, weil kein Nachweisverfahren vorliegt, mit dem sich Böden oder andere umweltrelevante Matrices wie Stalldung, Gülle, Heu, Schlachthausabwasser und -klärschlamm etc. untersuchen ließen. Auch in Ausscheidungen von Rindern wurden bislang keine Erreger nachgewiesen, was ebenfalls mit dem Fehlen ausreichend empfindlicher Nachweismethoden erklärbar ist.
Es sind deshalb keine endgültigen, belegten Aussagen über die relative Bedeutung der verschiedenen genannten Eintragspfade in den Boden sowie eine Quantifizierung des Gesamteintrags möglich. Dieser wäre eine Mindestvoraussetzung für eine vergleichende Beurteilung des Risikos für die Exposition von Rindern mit BSE-Prionen bzw. BSE-Erregern.
Persistenz von pathogenen Prion-Proteinen im Boden
Zur allgemeinen biotischen und abiotischen Persistenz der pathogenen Prion-Proteine ist vergleichsweise viel bekannt. Sie sind offensichtlich relativ stabil gegenüber üblicherweise Proteine denaturierenden Einflüssen. Sie sind durch Proteasen im Stoffwechsel nicht vollständig abbaubar sowie auch nicht quantitativ inaktivierbar, z.B. durch Hitze (300°, 1 h), pH-Veränderungen, Tenside, 1 M NaoH oder 10% Formaldehyd [3]. In Böden scheinen Scrapieerreger über längere Zeit nicht vollständig abbaubar zu sein. Brown und Gajdusek [4] fanden bereits 1991 nach dreijähriger Inkubation des Bodens mit Scrapieerregern eine Restinfektiösität zwischen 0,2 bis 1,6% bezogen auf die eingesetzten infektiösen Einheiten. Aufarbeitungsbedingt wurde ein Verlust von etwa 3 log-Einheiten an Infektiösität beobachtet. Diese einzige bisher durchgeführte und veröffentlichte experimentelle Untersuchung zur Persistenz der Infektiösität im Boden ist als Pilotstudie zu betrachten - sie lässt eine Reihe von Fragen offen, z.B. zur Realitätsnähe des Inkubationsansatzes und zur Aufarbeitung. Deshalb sind die Ergebnisse als Persistenzhypothese zu werten. Ein weiterer Hinweis für die Persistenz von Scrapieerregern ist die vermutete Restinfektiösität auf Schafweiden über mehrere Jahre. Erfahrungen legen nahe, dass nach dreijähriger Nichtbenutzung noch eine Infektion möglich ist.
Eintragspfade
Neben den oben zur Relevanz des Bodenpfades ausgeführten Sachverhalten ist zu anderen Eintragspfaden folgender Kenntnisstand festzuhalten: Bei der Tiermehlherstellung, auch bei Verwendung der besten verfügbaren Technologie, findet keine vollständige, quantitative Inaktivierung des Erregers statt; vielmehr ergab sich aus mehreren Untersuchungen, dass eine Restinfektiösität bestehen bleibt [5]. Diese Tatsache wäre bei der Nutzung von Tiermehl (einschließlich Blutmehl) als Dünger zu beachten, da dies bei Kontamination des Ausgangsmaterials ein Eintragspfad für Restinfektiösität auf den Boden wäre [6]. Es ist jedoch unstrittig, dass die "Konzentration"in Tiermehldünger (Ausnahme Blutmehl) bei ordnungsgemäßer Herstellung ebenso wie diejenige im Tierfutter weniger als ein Tausendstel bezogen auf die Ausgangsmaterialien beträgt. Verfüttertes infiziertes Material wird im Stoffwechsel der Tiere teilweise abgebaut bzw. inaktiviert, teilweise aber auch ausgeschieden und gelangt somit auf den Boden. Der quantitative Anteil unveränderter Ausscheidung ist nicht bekannt -es gibt hierzu unterschiedliche Einschätzungen - zumal er auch speziesabhängig ist und vom Gesundheitszustand der Tiere beeinflusst wird. Es wird vermutet, dass die pathogenen Prion-Proteine durch Tiere, die nicht anfällig sind, relativ schnell abgebaut respektive ausgeschieden werden. Ob und inwieweit z.B. in Gülle ein weiterer mikrobieller Abbau erfolgt, ist unbekannt. Ähnliches gilt beispielsweise für den Eintragspfad über Klärschlämme. Obwohl davon auszugehen ist, dass die Restinfektiösität bzw. der Gehalt an pathogenen Prion-Proteinen im Klärschlamm sehr gering ist, kann eine Relevanz dieses Pfades z.B. für Klärschlamm aus Abwasser von Tierkörperbeseitigungsanlagen bis zur Verfügbarkeit von Messmethoden nicht ausgeschlossen werden. Der Eintragspfad über Haustiere, insbesondere Hundekot auf Weideflächen, erscheint bezogen auf die gesamte Weidefläche bedeutungslos, jedoch ist die Bildung von "hot spots" nicht a priori zu ignorieren. Trotz der benannten fehlenden Informationen scheint es angebracht, das potenzielle Vorkommen von Prion-Proteinen (z.B. bezogen auf Tiermehlkontamination) als "realistic worst case" unter Nutzung von Szenarien qualitativ abzuschätzen, während Versuche zur Quantifizierung eingetragener Infektiosität zum gegenwärtigen Zeitpunkt lediglich Spekulation wären.
"Für alle genannten potenziellen Eintragsquellen ist unbekannt, inwieweit Restinfektiösitäten tatsächlich vorhanden sind."
Auf alle genannten Quellen trifft zu, dass keine Aussagen darüber bekannt sind, inwieweit Restinfektiösitäten tatsächlich vorhanden sind, respektive wie sich diese eventuellen Restinfektiösitäten in der (terrestrischen) Umwelt verhalten. Obwohl sich die Stellungnahme des SSC [6] zur Sicherheit von organischen Düngern auf Dünger mit tierischen Materialien bezieht, gelten die Aussagen zu Boden und zur Sicherheit von Erntegut für alle hier genannten Expositionspfade:
"Identification of possible hazards and elements of risk assessment: The first possible hazard is that the organic fertiliser would carry a residual BSE-infectivity. If this would be the case the following additional hazards exist: potential involuntary persistence in the environment of and contamination of soil and water with the BSE-agent, including a potential accumulation of infectivity over years. The risk of ingestion of residues of the fertilisers by humans or animals: The amounts ingested by this way are probably rather small. Human consumption will normally follow washing the material which would reduce the fertiliser residues on the surface. Animal consumption could be more substantial. No information is available as to the interaction of an eventual residual infectivity of organic fertiliser by external conditions such as atmospheric conditions, microbiological activity, ploughing, washing off by rain or irrigation, etc. It is therefore not possible to assess if, and after which period, consumption of crops treated with organic fertiliser could be safe, if it could not be excluded that these carry the BSE-agent." In einer Reihe von Europäischen Ländern kann Tierfutter als "Tiermehl frei" gekennzeichnet werden, sobald weniger als 0,5% tierisches Protein im Futter enthalten ist; 5 kg tierisches Protein pro Tonne Futter ist jedoch keine zu vernachlässigende Größe.
Exposition mit pathogenen Prion-Proteinen über den Bodenpfad aus epidemiologischer Sicht
Mit epidemiologischen Modellen sind etwa 90% der BSE-Erkrankungen der Epidemie in Großbritannien zu erklären. Die restlichen etwa 10%, bei denen eine Infektion spätestens im frühen postnatalen Stadium erfolgt, werden, ohne experimentellen Beweis, üblicherweise mit maternaler Übertragung (vertical transmission, vt) erklärt. Allerdings findet sich in der Literatur auch die ergänzende epidemiologische Erklärung über den Dünger-Boden-Pfad, die auch einige weitere bisher nicht interpretierbare epidemiologische Befunde zu erklären erlaubt [7]:
"BSE cases in the UK in herds that did not use MBM as feed: this has been difficult to explain but has been reported to myself in 5 herds where in one of these cases turkey manure was used on the farm. .... that the soil on which the cattle grazed was by this time infected with prions from feed that had been fed to cattle (or to pigs or poultry if their faecal matter was used as fertiliser). This is not unreasonable but no way is known to be sure of this currently. The lack of any change in the age distribution for cattle born after the feed ban (a drop in ages is felt to be unacceptable if BSE is similar to other TSEs) suggests that they are becoming infected in a similar manner to those prior to it and a change might be expected if soil contamination were to be a major effect. .... The epidemiology found fits with VT or with the possibility that soil becomes infected. ... This could be explained through the use of animal manure as fertiliser on the cows field or perhaps through the idea of a non-BSE factor being involved."
Eindeutige experimentelle Befunde zur Infektiösität von Weideflächen liegen nicht vor - dies wird als wesentliches Argument gegen eine erhebliche Relevanz dieses Infektionspfads herangezogen. Es ist andererseits jedoch darauf hinzuweisen, dass bisher nicht gezielt nach Übertragungswegen über den Boden (die Weide) gesucht wurde. Dass üblicherweise jeweils nur ein Tier einer Herde als BSE-infiziert gefunden wird, ist grundsätzlich kein Argument gegen den Bodenpfad -gleiches würde auch für den Futterpfad gelten. Auch für die Übertragung der BSE-Erkrankung sollte der bei der Risikoanalyse von Chemikalien relevante Umstand Berücksichtigung finden, dass der Verlauf einer Dosis/Wirkungskurve bei sehr niedrigen Dosen oftmals weitgehend unbekannt ist. Die Hypothese, dass bereits wenige Proteinmoleküle Auslöser der Erkrankung sein könnten, kann zurzeit nicht widerlegt werden und muss daher als Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen herangezogen werden. Dies bedeutet unter anderem auch, dass epidemiologische Modelle und Untersuchungen sowie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zur Beurteilung der BSE-Kausalität alleine nicht ausreichend sein können.
Verhalten der Prionen im Boden, Persistenz, Mobilität und Bioverfügbarkeit
Die Aussagen zum Verhalten von pathogenen Prion-Proteinen im Boden sind widersprüchlich. Zur Analyse des Verhaltens im Boden mit anschließender Bewertung sollten die in der Stoffbewertung (Umweltchemikalien) generell genutzten Kriterien und betrachteten Prozesse analog herangezogen werden, d.h. die pathogenen Prion-Proteine werden für diesen Zweck als Chemikalie betrachtet. Die allgemeinen Kenntnisse über diese Proteine bezüglich der Stoffkriterien und insbesondere ihr Verhalten im Boden sind sehr lückenhaft.
Bei dem Versuch von Brown und Gajdusek [4] waren aus dem Versuchsansatz am Ende der Exposition 3 log-Einheiten weniger Infektiösität extrahierbar als eingesetzt. Ob dieser Effekt auf Sorption an der Bodenmatrix oder auf tatsächlichen mikrobiellen Abbau zurückzuführen ist, ist nicht Gegenstand der Untersuchungen gewesen. Allerdings steht der Effekt im Einklang mit der erwarteten hohen Sorbierbarkeit an die Bodenmatrix. Eine "Inaktivierung" der Infektiösität durch Sorption oder Einbau in die Bodenmatrix wäre jedoch keine endgültige Senke (im Sinne einer dann erreichten Unschädlichkeit der BSE-Erreger), da Re-Mobilisierungen und damit Re-Aktivierungen stattfinden können.
"Ein Abbau pathogener Prion-Proteine in der Umwelt ist zwar wahrscheinlich, es fehlen jedoch bisher Kenntnisse zur Abbaukinetik."
Ein chemischer und physikochemischer oder mikrobieller Abbau pathogener Prion-Proteine ist zwar wahrscheinlich nach Meinung der meisten Fachleute, bisher jedoch fehlen Kenntnisse zur Abbaukinetik in Böden (insbesondere unter realitätsnahen Bedingungen), um eindeutige Aussagen zur Abbaubarkeit und zur Geschwindigkeit des Abbaus machen zu können. Die Bestimmung einer Halbwertszeit oder einer DT90 ist für die vorliegende Fragestellung nicht ausreichend, da, wie oben erläutert, geringste Restkonzentrationen wirksam sein könnten. Es muss deshalb eine Reihe von zeitlich versetzten Messpunkten verfügbar sein; eine Einzelmessung nach dreijähriger Inkubationszeit unter realitätsfernen Versuchsbedingungen - wie bei Brown und Gajdusek [4] - reicht nicht aus; diese Untersuchung ist als Pilotstudie mit wichtigen Hinweisen zu werten, die wissenschaftliche Fragen zum Abbau von BSE-Erregern in der und durch die Bodenmatrix ist jedoch nicht abschließend geklärt.
Falls die Persistenz über mehre Jahre bestätigt wird, ist davon auszugehen, dass sich bei andauerndem, konstantem Eintrag in den Boden ein Gleichgewicht (steady state) einstellt, welches höher liegt als die Konzentration nach einmaligem Eintrag und damit eine Akkumulation darstellt. An Boden sorbierte Prion-Proteine sind als wenig bioverfügbar einzustufen. Es liegen keine belastbaren Daten dazu vor, jedoch kann -im Analogieschluss zu anderen Stoffen ähnlichen Verhaltens - angenommen werden, dass die Verfügbarkeit der an Boden sorbierten Proteine geringer ist als die in Tiermehl oder in infizierten Organen.
Auch wenn nicht von einer hohen Mobilität im Boden auszugehen ist, sollte das Verlagerungsverhalten respektive die Migration in tiefere Bodenschichten und gegebenenfalls in das Grundwasser überprüft werden. Ein partikelgebundener Transport ist nicht auszuschließen (Beispiel: Migration von Rota-Viren in das Grundwasser). Für eine "Vermehrung" des pathogenen Prion-Proteins in Bodenorganismen, wie sie in suszeptiblen Tieren stattfindet, liegen keine Hinweise vor.
Böden als Quelle der Infektiösität und Übertragung von Erregern
Eine verhältnismäßig gut bekannte und abgesicherte Quelle für eine Ausbreitung des Scrapieerregers ist die Übertragung über tragende Mutterschafe. Die hochinfektiöse Plazenta wird auf der Weide abgelegt und von anderen Tieren gefressen, sodass eine horizontale Transmission stattfinden kann. Diese Mutterschafe können Infektionsträger sein und doch wegen genetischer Resistenz nicht selbst erkranken. Dieser Infektionsweg ist bei Rindern nicht bekannt. Vielmehr ist bei Rindern bisher die Ausscheidung infektiösen Materials nicht nachgewiesen worden. Mechanismen des Überspringens der Artenschranke sind nicht bekannt. Des weiteren wurde beobachtet, dass Scrapie auf stillgelegten Weiden nach zehn Jahren erneut ausbrach (als möglicher Übertragungsweg wird die Heumilbe genannt), wobei nicht auszuschließen ist, dass genetisch resistente Tiere mit genetisch prädestinierten Schafen aufeinander trafen. Auf die Möglichkeit, dass es neben den bereits genannten Übertragungswegen auch einen weiteren vertikalen und horizontalen Transfer geben könnte, weist Dealler [7] hin. Die Kenntnisse zur möglichen Übertragung durch biologische Vektoren sind ebenfalls unbefriedigend. Es existieren wohl einige Untersuchungen, z.B. zu Heumilben, deren Schlussfolgerungen jedoch nicht allgemein akzeptiert sind. Von Bedeutung für das hier diskutierte Thema ist die Untersuchung mit Scrapieerregern in Fliegen (Sacrophaga canaria). Larven und Puppen waren nach experimenteller Exposition infektiös und in Puppen überdauerte die Infektiösität zwei Wochen, was als Bestätigung der Persistenz unter diesen Bedingungen zu interpretieren ist. Eine Vermehrung der Infektiösität fand offenbar nicht statt. Stadien der Fliege könnten deshalb als "Zwischenwirt" angesehen werden, der jedoch nach heutigem Kenntnisstand nicht als Akkumulator (also nicht im Sinne einer eigenständigen Vermehrung im biologischen Vektor, sondern nur als passiver Wirt) dient [8]. Zur Übertragung vom Boden auf bodenlebende Organismen (Insekten, Milben, Nematoden usw.) liegen keine Informationen vor.
Eine Aufnahme von Prion-Proteinen über die Pflanzenwurzel in die Pflanze (systemische Aufnahme) erscheint irrelevant, da die Pflanze in der Regel keine hochmolekularen Stoffe aufnimmt und Proteine photosynthetisch aufbaut. Dagegen ist eine Anlagerung von mit Prion-Proteinen kontaminiertem Staub/Boden auf die Pflanzenoberfläche und eine anschließende Aufnahme als Tierfutter nicht auszuschließen. Aus der Umweltchemie ist bekannt, dass die Anhaftung von Feinbodenmaterial an Pflanzen zu relevanten Kontaminationen mit organischen Schadstoffen führen kann. Ein in der Bewertung der Bodenkontamination mit Dioxinen genutztes Szenarium geht davon aus, dass Rinder im Weidegang mit dem Raufutter ca. 3% Bodenmaterial aufnehmen, das dem Grünlandaufwuchs anhaftet. Danach nimmt ein Rind bis zu einem kg Boden pro Tag auf.
Nachweismethoden
Pathogene Prion-Proteine können über verschiedene Methoden nachgewiesen werden. Sie können elektronenmikroskopisch als Scrapie-oder BSE-assoziierte Fibrillen dargestellt, immun-histochemisch als in den Zellen abgelagerte Proteine erkannt und mittels Immuno Blot angefärbt werden. Der Erreger selbst wird im Tierversuch über Infektiösität nachgewiesen. Eine infektiöse Einheit (i.E.) ist dabei die Menge an Erreger, die bei der Hälfte der Tiere einer Gruppe (Maus, Hamster, Rind, etc.) zu klinischem Befund führt. Eine infektiöse Einheit entspricht daher einem LD50-Wert. Im allgemeinen werden infektiöse Einheiten auf einer logarithmischen Skala angegeben. Im Gehirn eines Rindes werden etwa 10^8 i.E./g Gehirn gebildet, während im Übertragungsversuch auf Mäuse nur etwa 10^4 i.E. nachgewiesen werden. Bei Einsatz von transgenen Mäusen ist die Empfindlichkeit um 10^4 höher, d.h. es können die im Rind gebildeten 10^8 i.E. nachgewiesen werden. I.E. sind im allgemeinen definiert auf der Basis von intrazerebralen Injektionen, während bei oraler Aufnahme etwa 10^4 bis 10^5 mehr Erreger benötigt werden. Aktuelle Nachweisgrenzen werden diskutiert bei etwa 10^2 i.E. Es wird intensiv an empfindlicheren Messmethoden, meist jedoch In-vivo-Methoden, gearbeitet. Im Rahmen der Europäischen Initiative zu TSEs werden zwölf Verbundvorhaben zur Entwicklung von Diagnosemethoden durchgeführt, einige davon zur Diagnose von CJD, andere für Scrapie und BSE. Hierbei sind auch In-vitro-Verfahren mit Blut-und Nervenflüssigkeit in Entwicklung, die eventuell auf die Matrix Boden anpassbar wären.
Sowohl die existierenden als auch die Nachweismethoden, die derzeit in Entwicklung sind, sind für einen Nachweis von pathogenen Prion-Proteinen im Boden nicht unmittelbar geeignet. Ausreichend empfindliche Methoden sollten jedoch grundsätzlich anpassbar sein. Die Empfindlichkeit der derzeit verfügbaren, validierten Tests ist für einen Nachweis in Böden ungeeignet.
Konsequenzen für die Forschung
Die Relevanz von Übertragungswegen des BSE-Erregers direkt über den Boden und indirekt über bodenbürtige biologische Vektoren wird zur Zeit kontrovers diskutiert. Die Exposition von Mensch und Tier gegenüber BSE-Erregern in Böden kann nicht ausgeschlossen werden. Die Signifikanz - so eine solche besteht -kann jedoch auf der Basis aktueller Daten kaum abgeschätzt werden. Unter dem Gesichtspunkt des vorsorgenden Bodenschutzes sollte eine Abklärung des gesamten Themenkomplexes erfolgen; letztlich geht es um die vorsorgliche Abklärung von Infektionspfaden, deren Relevanz unter Umständen erst zu Tage tritt, wenn eine Infektion durch verunreinigtes (industrielles) Tierfutter auszuschließen ist.
Im Vordergrund steht zunächst die wissenschaftliche Ermittlung des Verhaltens der Erreger in Böden, um die Persistenz, Akkumulation und Mobilität zu bestätigen oder auszuschließen. Sollten sich die Erreger als nicht persistent, sondern schnell und vollständig mikrobiell abbaubar erweisen, sind die Fragen zu bodenspezifischen Nachweismethoden und zur Quantifizierung des Risikos der verschiedenen Eintragspfade irrelevant. Eine schnelle Beantwortung der Fragen zum möglichen Vorkommen und Verhalten sowie zur Langlebigkeit ist nicht zu erwarten.
Literatur
1. Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim BMU (WBB) (2000) Wege zum vorsorgenden Bodenschutz.In: Bachmann G, Thoenes HW (Hrsg) Bodenschutz und Altlasten 8. Erich Schmidt, Berlin Bielefeld München, S 127ff
2. Anonymus (im Druck) Vorkommen und Verhalten von BSE/TSE-Prionen im Boden. Internationales Fachgespräch am 18.12.2000, veranstaltet durch Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU mit Wissenschaftlichem Beirat Bodenschutz
3. Scientific Steering Committee (SSC) Scientific Opinion on the risks of non conventional transmissible agents, conventional infectious agents or other hazardous such as toxic substances entering the human food or animal feed chains via raw material from fallen stock and dead animals. Adopted by the Scientific Steering Committee at its meeting of 24-25 June 1999 and reedited at its meeting of 22-23 July 1999.http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/out53_en.pdf
4. Brown P, Gajdusek DC (1991) Survival of scrapie virus after 3 years' internment. Lancet 337:269-270
5. Taylor DM (2000) Inactivation of transmissible degenerative encephalopathy agents: a review. Vet J 159:10-17
6. Scientific Steering Committee (1998) Scientific opinion on the safety of organic fertilisers derived from mammalian animals, adopted by the Scientific Steering Committee at its meeting of September 1998. http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/out28_en.html
7. Dealler S Vertical Transmission of BSE: Epidemiological evidence. http://sparc.airtime.co.uk/bse/
8. Post K, Riesner D, Walldorf H, Mehlhorn H (1999) Fly larvae and pupae as vectors for scrapie. Lancet 354:1969-1970

SP deutsch

AD Prof. Werner Klein und M. Herrchen ; Fraunhofer-Institut für Umweltchemie und Ökotoxikologie Schmallenberg, Auf dem Aberg 1, 57392 Schmallenberg
G. Bachmann ; Umweltbundesamt, Berlin

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