NR ANTZ

AU Hofmann,K.

TI Vom Rinderwahnsinn zum Menschenwahn. Ursachen und Folgen von BSE

QU Aufklärung und Kritik 2001; 1: 1-14

VT 1. BSE ist mehr als eine Krankheit
Die von den Medien verbreitete Furcht vor der Rinderkrankheit BSE [1] hat das Leben der Menschen in Deutschland grundlegend verändert. Nichts scheint mehr wie vorher, auch in der Politik: Drei Minister [2] mußten gehen, Rinderherden werden vernichtet, die Nerven der Metzger liegen blank, Landwirte verlieren ihre Existenz, und der allgemeine wirtschaftliche Schaden ist unermeßlich.
Über kein Thema wurde in den letzten Monaten so viel berichtet und diskutiert wie über BSE. Dennoch ist der verschreckte Bürger kaum in der Lage, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Zu viel Widersprüchliches und oft auch wenig Einleuchtendes strömt auf ihn ein. Bezeichnend ist daher die Beschwerde eines Leserbriefschreibers [3] : "Keiner sagt oder weiß, woher BSE wirklich kommt".
Aus dem Blickwinkel des Wissenschaftlers, der ein Leben lang über Fleisch und in den letzten Jahren über die Kontrolle von Tiermehlen - die wahren Auslöser von BSE - gearbeitet hat und dabei auf die unglaublichsten Versäumnisse in der Politik und in den Ministerien stieß, sollen daher einige Hintergründe und Zusammenhänge aufgezeigt werden, die es dem nach vernünftiger Erkenntnis strebenden Leser erlauben, sich eine Meinung über ein Problem zu bilden, dessen Folgen wir alle zu spüren bekommen, dem wir uns aber hilflos ausgeliefert fühlen.
BSE ist nicht nur eine Rinderkrankheit. BSE ist ein Thema, das bereits philosophische Dimensionen angenommen hat: Es ist viel Psychologie im Spiel, auch bei den Entscheidungen in der Politik. Vieles wird verschleiert oder sachlich falsch beurteilt. Das erfordert Aufklärung und Kritik.
BSE ist eine Krankheit, die niemand wirklich kennt, und die doch jeden betrifft. Auch wenn die Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht bewiesen ist: was BSE bewirkt hat, grenzt bereits an Menschenwahn!
Durch schwere politische Versäumnisse hat sich der Rinderwahnsinn inzwischen europaweit zu einem Problem mit enormen gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen entwickelt. Wiederholt mußte die EU-Kommission wegen ihrer Versäumnisse "in Sachen BSE" zurücktreten (trotzdem änderte sich nichts). Die Geschichte von BSE und ihrer Behandlung hat zu tun mit Wahrheit und Lüge, mit Wirtschaft und Politik, mit Realität und Einbildung, und sogar mit Mystik und Glaube. BSE ist somit auch zu einem Thema der praktischen Philosophie geworden!
2. BSE in Deutschland
Es sei daran erinnert, dass es in Deutschland bereits mehrere BSE-Krisen-Intervalle gegeben hat. Jede dieser Krisen war von einer Hysterie-Welle begleitet, die wieder abgeklungen ist, aber jedesmal ihre Spuren und Schäden, vor allem wirtschaftlicher und politischer Art, zurückgelassen hat. Diese Fortdauer des BSE-Problems war nur möglich, weil man seinen Ursachen und seinen Verursachern, über die noch zu reden sein wird, nicht konsequent entgegengetreten ist (s. Kapitel 3 und 8). Auch die gegenwärtige Krise, zweifellos die bisher schwerste von allen, wird abebben, aber wenn die Ursachen weiterhin nicht beseitigt werden, erneut und mit noch verheerenderen Folgen wiederkommen.
Das Datum des angeblich ersten BSE-Falles in Deutschland, der 24. November 2000, wird von den Grünen als Markstein einer "radikalen Agrarwende" (Renate Künast) gefeiert. Doch das erste BSE-Rind wird am 21.02.1992 im Landkreis Pinneberg registriert. Dann 1994 drei und 1997 zwei weitere Fälle, insgesamt also sechs bereits vergessene Fälle. Bei vernünftiger Überlegung ist nicht einzusehen, warum wir heute wesentlich bedrohter sein sollen als damals (oder damals weniger als heute).
Jedenfalls ist BSE keineswegs so neu und bedrohlich, wie es vielfach dargestellt wird. Nicht neu ist auch, dass man allein gegen die Folgen, die Symptome, vorgeht und nicht gegen die Ursachen. Die wahren Auslöser von BSE, eigentlich längst bekannt, werden in ihrer potentiellen Gefährlichkeit noch immer nicht bekämpft. Die wahren Ursachen bleiben im Hintergrund, ja werden sogar verdrängt, verschleiert, umgedeutet und mystifiziert. Hier einige Beispiele:
1. Unsere Politiker kritisierten immer wieder, in Deutschland sei zu wenig über BSE geforscht worden (in Wahrheit weiß man genug, um gegen die Ursachen wirksam vorgehen zu können, siehe Kapitel 6). Da man also zu wenig darüber wisse, habe man pragmatisch handeln und die Tötung von 400 000 Rindern beschließen müssen - so die Begründung von Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Fernsehsendung - damit man der Regierung später nicht vorwerfen könne, sie habe nichts unternommen. Die Massentötung löst kein einziges Problem, sie beseitigt nur die Auswirkungen. Sie ist die Folge einer Politik, die nicht an den realen Ursachen und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten orientiert ist. Wo Politik derartige Folgen hat, sind grundsätzliche Fehler gemacht worden.
2. Andrea Fischer: Die Ursache für BSE liege in der "industrialisierten Landwirtschaft", die ihr wirtschaftliches Interesse über dasjenige der Verbraucher stelle, und in der mangelnden Bereitschaft der Verbraucher, höhere Preise für Lebensmittel zu bezahlen. - Die Exministerin verwechselt die Begriffe. Sie sagt Ursache und meint Schuld. Auch besteht zwischen Preis und Produktqualität kein unmittelbarer Zusammenhang [4]. Über die tatsächliche Ursache von BSE siehe Kapitel 3.
3. Als der Vizepräsident des Bauernverbandes, Wilhelm Niemeyer, bei einer Fernsehdiskussion darauf hinweist, dass BSE aus England komme, widerspricht EU-Haushaltskommissarin Dr. Gabriele Schreyer (Grüne) energisch. BSE sei entstanden, weil die Verfütterung von Tiermehl an Rinder die Artenschranke durchbrochen habe. - Dies unterstellt, dass Tiermehle bei Rindern generell BSE verursachen. Das trifft nicht zu: selbst Tiermehle in England lösten kein BSE aus, solange sie sterilisiert waren (s. Kapitel 3).
4. Die "Natur schlägt zurück" - ein Argument wie aus unaufgeklärter Zeit, aber aus dem Munde von Gegenwartspolitikern wie dem Bayerischen Landwirtschaftsminister Miller (CSU) und dem EU-Abgeordneten Graefe zu Baringsdorf (Grüne). Die Natur also ein mystisches Wesen, das wie ein Gott straft und nicht nach eigenen, ihr innewohnenden Gesetzen handelt!
5. Der US-Ökonom Jeremy Rifkin resümiert mystisch-religiös, BSE sei "ein Segen, verkleidet als Fluch". Dieser gern zitierte Satz kommt all jenen Kräften entgegen, die in der BSE-Krise die Chance sehen, langgehegte Umgestaltungswünsche durchzusetzen, wobei man ehrlicherweise umformulieren sollte: BSE ist ein Fluch, der für uns ein Segen ist.
6. Die Verfütterung von Tiermehlen sei Kannibalismus und verstoße gegen die Ethik. Ein Maßstab des Menschen, den Tiere nicht kennen und benutzen! Fleischesser leben nun einmal vom Fleisch getöteter Tiere. Ob dieses Fleisch nun frisch, gefroren, erhitzt, getrocknet oder gemahlen ist, dürfte für die "Tier-Ethik" keine Rolle spielen. Manche beanstanden gedankenlos den "Verzehr toter Tiere". Hätten sie gegen den Verzehr lebender Tiere nichts einzuwenden?
Diese Beispiele belegen die Irrationalität der Argumente und den oft eklatanten Mangel an naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die sich vielfach in den Aktivitäten, Zielen und Entscheidungen unserer Politiker niederschlagen und die letztlich für Mißerfolge und angerichtete Schäden verantwortlich sind. Ihr BSE-Unwissen hindert sie allerdings nicht daran, die folgenschwersten Entscheidungen zu treffen. Besonders verhängnisvoll ist dabei der Irrglaube, BSE sei die Folge herkömmlicher Landwirtschaft.
Die teils überstürzten und rigorosen Maßnahmen der Regierung haben das Vertrauen der Verbraucher nicht gestärkt, sondern im Gegenteil negativ beeinflußt und die Krise weiter verschärft. Der durch die "radikale Agrarwende" auf die Landwirtschaft ausgeübte Druck mit dem Ziel der ökologischen Umgestaltung, die jedoch keinerlei Bedeutung für die Lösung des BSE-Problems hat, erzeugt ebenso wie die Massenvernichtung von Rindern weitere schwerwiegende Probleme.
Seit dem BSE-Debakel im November 2000 wurden von den Politikern plötzlich BSE-Schnelltests gefordert (woher wußten sie eigentlich davon?), die allerdings wiederum nicht die Ursachen betrafen, sondern die Folgen. Trotzdem nannte man das ganze großspurig "BSE-Bekämpfungsprogramm". Wichtiger als BSE nachzuweisen wäre es jedoch, BSE zu verhindern. Das kann nur europaweit geschehen, indem man den gesetzlichen Vorschriften Geltung verschafft, Fleischmehle kompromißlos zu sterilisieren. Das kostet zwar einige Millionen, die Folgen von BSE aber kosten Milliarden!
Die BSE-Schnell-Tests können die versprochene Sicherheit nicht schaffen. Denn erstens gibt es keine Schnelltests, die diesen Namen verdienen (sie dauern mehrere Stunden bis Tage), und damit ist rein technisch und zeitlich ausgeschlossen, alle Schlachttiere testen zu können. Zweitens spricht der Test bei Rindern, die jünger als 30 Monate sind - und das sind die meisten - prinzipiell gar nicht an. Und drittens sind alle bisher zur Verfügung stehenden Tests nur auf geschlachtete Tiere anwendbar. Sicherheit ist damit also nicht zu erreichen.
Wer die wahre Ursache der Entstehung und Ausbreitung von BSE (s. Kapitel 3) nicht wahrnimmt und sie absichtlich umdeutet, um damit Ziele in der Agrarpolitik durchzusetzen, die an sich berechtigt sein mögen, die aber mit dem Kampf gegen BSE nicht das Geringste zu tun haben, der gibt sich einer Illusionspolitik hin, die noch gefährlicher ist als jene, die er zu bekämpfen vorgibt. Es ist auch nicht zu übersehen, dass die deutschen Politiker, ganz gleich welcher Couleur, in dem Bestreben, "europatauglich" (Gerhard Schröder) zu werden, gegenüber den Versäumnissen der EU bzw. ihrer Kommission "in Sachen BSE" nicht die Spur einer Kritik geübt haben. Die Bereitschaft und Fähigkeit hierzu wäre aber die Voraussetzung für eine Realpolitik gewesen, die BSE wirklich an der Wurzel packt (s. Kapitel 6).
3. BSE in Europa
In England wurden Fleischmehle (Tier-und Knochenmehle) zur Steigerung der Milchleistung und der Rindermast eingesetzt. Bis 1980 wurden die Produkte bei 130° sterilisiert, wobei keine hygienischen Probleme auftraten. Erst nachdem aus Kostengründen die Temperatur auf 80° gesenkt wurde, kam es 1986, mit einer Verzögerung von sechs Jahren (Inkubationszeit), erstmals zum Auftreten von BSE, dem Beginn der Katastrophe! Es ist unbegreiflich, wie bei einem so stark mit Krankheitskeimen belasteten Rohmaterial (Abfälle und Kadaver) eine derart mäßige Behandlungstemperatur, die allen Hygieneanforderungen spottet, von den Veterinärbehörden überhaupt erlaubt werden konnte!
Der Erreger, der die Krankheit auslöste, stammte von Schafen, die den "Scrapie"-Erreger in sich trugen und zu Tiermehlen verarbeitet wurden (in England ist die Scrapie- oder Traberkrankheit weit verbreitet). Der Erreger, der 130° offenbar nicht überstand, überlebte bei 80° und löste BSE aus. Nachdem man 1988 diesen Zusammenhang erkannt hatte, verboten die Briten die Verfütterung der Tiermehle an Rinder, nicht jedoch ihren Export. In der Folge hat die EU dem Rinderwahnsinn in England und seiner Ausbreitung lange Zeit tatenlos zugesehen. Ganze acht Jahre dauerte es, bis sie das in Deutschland seit langem bewährte und sichere Sterilisationsverfahren (133°, 20 Min., 3 bar Druck) allgemein vorschrieb und 1997 in Kraft setzte. Doch noch 1992, vier Jahre nach dem Bekanntwerden der BSE-Ursache, erlaubte die EU-Kommission alternative Herstellungsverfahren, von welchen "sehr umfassend und großzügig Gebrauch gemacht" wurde [5]. Darunter befand sich das gleiche Verfahren, dessen Anwendung zur Entstehung von BSE geführt hatte! Das ist nicht nur im Rückblick, sondern auch aus damaliger Sicht unfaßbar. Hier zeigen sich Einflüsse, die der EU-Politik das denkbar schlechteste Zeugnis ausstellen.
Noch 1998 erklärte der Tiermehlexperte Dr. Oscar Riedinger [6] von der Universität Hohenheim: "Sowohl die Maßnahmen der Kommission als auch der englischen Regierung erweisen sich immer noch als ein Seuchenbegleitprogramm mit erheblichen Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier". Obwohl das Unvermögen der EU, für die Einhaltung der von ihr erlassenen Gesetze zu sorgen, kaum noch gesteigert werden konnte, liest sich der folgende Bericht [7] der EU-Kommission aus dem Jahre 1998 wie eine Bankrotterklärung: "Keiner der Mitgliedstaaten, mit einer Ausnahme, hatte die Entscheidung [die Vorschrift zur Tiermehlsterilisation] vollständig durchgeführt. Der Grad der Nichterfüllung war unterschiedlich. In einer Reihe von Fällen war nicht ordnungsgemäß nach dem Druckstandard behandeltes Säugetierprotein in die Futtermittelkette gelangt." In den meisten Ländern wurden also Tiermehle weiterhin unzureichend erhitzt und an Tiere verfüttert. Hier und vor allem in der Tatsache, dass England seine 1988 verbotenen infektiösen Tiermehle exportieren konnte, liegt eine wesentliche Ursachen für die Ausbreitung von BSE in Europa (eine weiter Ursache liegt in dem Export englischer Rinder).
Natürlich wurde in dem zitierten Bericht das vorbildliche Ausnahmeland verschwiegen: es war Deutschland! Doch das Verschweigen gehört zum "Gießkannenprinzip": Alle sind gleich, keiner wird hervorgehoben, keiner gelobt, keiner kritisiert. Nichts zeigt seine fatalen Folgen so sehr wie die Entstehung und Ausbreitung von BSE. Einen Brand muß man dort löschen, wo er ausbricht!
Auch das Prinzip, dass alles, was die EU zuläßt, nicht zurückgewiesen werden darf und importiert werden muß, andernfalls droht wegen "Handelshemmnis" Strafe, kann sich ebenfalls verheerend auswirken: So durften englische Tiermehle nicht beanstandet werden, solange die "Sterilisationspflicht" von 1997 nicht in Kraft getreten war! Hier wurde die Gesundheit der Menschen eindeutig politischen und wirtschaftlichen Interessen geopfert.
Das gegenwärtige Tiermehlverbot der EU kann sich frühestens nach Ablauf der Inkubationszeit, d.h. nach etwa 6 Jahren (im Jahre 2006) auswirken. Der politische Zweck des Verbots kann also nur darin bestehen, die Bürger zu besänftigen. Für die Zukunft wäre es jedoch nach wie vor wichtig, EU-weit für die Durchsetzung der Sterilisationsvorschrift und deren Überwachung und Kontrolle zu sorgen.
Das generelle Tiermehlverbot in Deutschland wurde damit begründet, Rinderfutter könne mit Tiermehl verunreinigt werden, wenn andere Tiere (erlaubter Weise) damit gefüttert würden. Von einer solchen Verunreinigung würde jedoch keinerlei Gefahr ausgehen, wenn es sich um vorschriftsmäßig sterilisierte Tiermehle handelte.
Für die Prüfung der im Handel befindlichen Produkte auf ausreichende Hitzebehandlung steht ein 1996 in Kulmbach entwickelter Test (s. auch Kapitel 6) zur Verfügung: der ELISA-Tiermehl-Erhitzungs- Test [8] (TET). Er wird in Deutschland zur Überwachung der Tiermehlherstellung eingesetzt und hat seine Zuverlässigkeit auch in einem EU-weiten Validierungsversuch [9] bewiesen. Trotz des Tiermehlverbots ist der Einsatz des Tests bis auf weiteres unverzichtbar: Erstens gibt es noch verfütterbare Restbestände, zweitens müssen Tiermehle ausreichend erhitzt sein, auch wenn sie verbrannt werden, und drittens, der Hauptgrund: gemäß Ministerratsbeschluß gilt das Verbot der Tiermehle nur für ein halbes Jahr, danach werden sie wieder verfüttert.
Man muß von der Realität ausgehen, dass dieser Beschluß mit einer 13:2-Stimmen-Mehrheit gefaßt wurde und darf sich nicht der Illusion hingeben, das Verbot würde aufrechterhalten. Denn dies trägt dazu bei, die notwendigen Vorbeugemaßnahmen außer Acht zu lassen. Anstatt sich daher in Sicherheit zu wiegen, wäre es dringend geboten, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Andernfalls wird die groteske Situation eintreten, dass unsere kontrollierten Tiermehle verbrannt, und die riskanten englischen verfüttert werden !
Der englische EU-Kommissar David Byrne [10] wies unlängst darauf hin, dass Deutschland auf Grund einer Studie BSE-gefährdet sei. Doch der daraus abgeleitete Vorwurf wirkt angesichts der oben aufgezeigten Versäumnisse der EU fast makaber.
Andererseits läßt das Problembewußtsein unserer Politiker durchaus Wünsche offen. Es kommt ihnen vorwiegend darauf an, die Gunst der Wähler zu erringen und sie zu beruhigen. Daher die kurzfristigen Maßnahmen und Eilverordnungen, die das BSE-Problem in keiner Weise lösen. Sie beklagen, es sei zu wenig geforscht worden und es sei zu wenig über BSE bekannt. Dabei kümmert es sie nicht einmal, was bisher darüber bekannt ist und erfolgreich entwickelt wurde. Auch der vorliegende Beitrag liefert ein Beispiele dafür (vgl. Anm. 8).
4. BSE ist keine Seuche
Die Frage, ob es sich bei BSE um eine Seuche handelt, ist in ihrer praktischen Konsequenz von enormer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung und Tragweite. Denn die Annahme, dass BSE eine Seuche sei, lag allen bisherigen politischen Maßnahmen zugrunde, die zur Bewältigung der BSE-Krise getroffen wurden, sei es nun in England, in Deutschland oder in den übrigen europäischen Ländern.
Als die Rinderkrankheit BSE in Großbritannien ausbrach und rasch um sich griff, wurde diese erstmals auftauchende und in ihren Ursachen lange Zeit rätselhafte Erkrankung vorsichtshalber und - in diesem Stadium durchaus mit einem gewissen Recht - als Seuche eingestuft und damit den Konsequenzen des Tierseuchengesetzes unterworfen. Es erlaubt dem Staate, die zum Schutze der Allgemeinheit erforderlichen Maßnahmen - notfalls unter Einschränkung der Grundrechte des Einzelnen - rasch und unbürokratisch durchzusetzen. Dazu gehört, dass die von einer Seuche befallenen Tiere sofort den Behörden gemeldet werden. Seuchen sind epidemische Infektionskrankheiten. Sie werden durch vermehrungsfähige Mikroorganismen, Bakterien oder Viren, verursacht und sind stets ansteckend. Um die Ausbreitung einer Seuche zu verhindern, sind daher strenge Isolierungs- und Beseitigungsmaßnahmen erforderlich.
Der amerikanische Wissenschaftler Stanley B. Prusiner [12] , dessen Arbeiten 1997 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurden, hat jedoch nachgewiesen, dass der BSE-Erreger ein krankmachendes (pathogenes) Protein ist, das als Prion bezeichnet wird. Damit war zugleich klar, dass BSE nicht länger als Seuche betrachtet werden kann [11] , denn Proteine (Eiweißstoffe) sind keine lebenden Organismen und damit weder vermehrungsfähig noch "ansteckend".
Auch den Veterinären dürfte das inzwischen bekannt sein. Dennoch halten sie es offenbar nicht für opportun, für eine entsprechende Neueinstufung zu plädieren. Doch warum scheut man sich, aus den oben genannten Erkenntnissen praktische Konsequenzen zu ziehen? Warum scheut man sich, die Rinderkrankheit aus der Zuständigkeit des Tierseuchengesetzes herauszunehmen, wie es rein sachlich gesehen durchaus gerechtfertigt wäre?
Die Gründe sind einfacher anzugeben als zuzugeben. Ein Hauptaspekt sind entschädigungsrechtliche Erwägungen: Die Halter von Nutztieren zahlen in eine Tierseuchenkasse und erhalten dann, wenn ihr Bestand von einer Seuche befallen ist und Tiere vernichtet werden müssen, eine Entschädigung. Diese fiele natürlich weg, wenn es sich bei der betreffenden Erkrankung nicht um eine Seuche, sondern um eine andersartige Erkrankung handelte.
Doch es gibt noch weitere Gründe, die sich einem Umdenken entgegenstellen: Man würde damit auch zugeben müssen, dass man bisher bei seinen Entscheidungen von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Auch Politiker müssten nachträglich einsehen, dass manche Maßnahme unnötig und übereilt war, dass sie Geld verschlungen hat, die an anderer Stelle nötiger gebraucht worden wäre. Hierzu gehört vor allem die Vernichtung der zumeist völlig gesunden Rinderherden, eine Maßnahme, die um so wahnwitziger anmutet, als in ihr nicht der geringste gesundheitspolitische Nutzen zu erkennen ist. Das gleiche gilt für die Verbrennung vorschriftsmäßig hergestellter Fleischmehle, die an Rinder gar nicht verfüttert werden (seit 1994 EU-weit verboten) und lange Zeit ohne jegliche Probleme an andere Nutztiere verabreicht wurden und jetzt in Deutschland verbrannt werden. Die Kosten für die Tiermehlvernichtung gehen in die Milliarden, aber nicht einmalig, sondern fortlaufend, Jahr für Jahr!
Ein falsches Konzept produziert immer wieder neue Probleme. Die Massenvernichtung der Rinder wird nicht die erhoffte Beruhigung der Menschen mit sich bringen. Mancher wird daraus schließen, dass die Situation noch gefährlich sein muß, als bisher gesagt wurde. Müßten sonst so viele Tier auf einmal getötet und vernichtet werden?
Der Erfolg wird sich nicht dadurch einstellen, dass man den von unbegründeter Panik bestimmten Fehlentscheidungen noch rigorosere und kompromißlosere hinzufügt. Auf längere Sicht erfolgreich sein kann nur ein sachlich begründetes, besonnenes und verantwortungsbewußtes politisches Handeln.
Wo bleibt der vereinte Protest aller Landwirte, Tierärzte und Wissenschaftler, die sich insgeheim darüber einig sind, dass die bisherigen und die in nächster Zeit geplanten Vernichtungsaktionen nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch weit überzogen und ethisch verwerflich sind? Letztlich handelt es sich hierbei um das traurige Ergebnis einer heillosen, von den Medien geschürten Panikmache, die fern jeglicher Realität liegt!
5. Das Tiermehlproblem
Das Verbrennen riesiger Mengen an tierischen Abfällen, die durchaus ernährungsphysiologisch hochwertiges Eiweiß enthalten, ist nicht nur eine ungeheure Verschwendung, sondern auch mit wahrem ökologischem Denken in keiner Weise vereinbar. Denn bei ihrer Verbrennung entstehen auf Grund des hohen Stickstoffanteils Stickoxide und Dioxine, die als gefährliche Umweltgifte bekannt sind. Es ist somit durchaus vernünftig, sterilisierte und damit hygienisch einwandfreie Fleischmehle nicht zu vernichten, sondern im Sinne eines biologischen Recyclings(!) als Tierfutter zu nutzen, wie es schon seit vielen Jahren ohne nennenswerte Hygieneprobleme geschehen ist.
Man bedenke, dass auch alle Konserven, die für den menschlichen Genuß hergestellt werden, der Sterilisation bedürfen. Unzureichend sterilisierte Konserven (Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte) sind ebenfalls gefährlich und können zu tödlichen Vergiftungen, wie Botulismus, führen. Doch kein Politiker würde auch nur auf die Idee kommen, deshalb Konserven zu verbieten, obwohl eine potentielle Gefährdung des Menschen durchaus gegeben ist (seine Bedrohung durch BSE steht dagegen in den Sternen!). Vernünftigerweise besteht man bei Konserven darauf, dass die Sterilisationsvorschriften eingehalten werden. Warum nicht die gleiche Konsequenz für Tiermehle? Es lohnt sich, darüber nachzudenken!
Nachgetragen sei, dass Fleischmehle nicht nur Eiweiß, sondern auch wichtige Mineralstoffe, wie Kalzium, Phosphat, Eisen und andere, liefern, die für die Tierernährung wichtig sind und etwa durch Sojaeiweiß allein gar nicht ersetzt werden können.
Zum Thema Ethik: Wer Fleischmehle grundsätzlicht ablehnt, mißt Tiernahrung mit menschlichen Maßstäben. Das ist schon deshalb unsinnig, weil wir umgekehrt kein Gras und kein Heu essen. Vieles, was uns abstößt oder ekelt, kann für das Tier normal und lebensnotwendig sein. "Kannibalismus" ist im Tierreich an der Tagesordnung. So fressen Raubtiere zuckendes Fleisch, Aas, Knochen, Eingeweide, manche ihren eigenen vitaminhaltigen Kot (Nager!) usw. Wir müssen also aufhören, uns zum Maßstab für alles zu machen! Viele Probleme schafft erst der Mensch, der alles seinen Vorstellungen und seinem Willen zu unterwerfen sucht. Wir akzeptieren, was wir gewöhnt sind, und lehnen ab, was nicht dazugehört. Doch das Zauberwort heißt Toleranz!
Für Inder sind Kühe heilig, wie für Moslems und Juden Schweine tabu. Manche mögen Pferdefleisch, und bei anderen Völkern werden Hunde- und Katzen verzehrt. Auch die gewohnte Tatsache, über die wir gewöhnlich nicht nachdenken, dass unsere Felder mit widerlich stinkenden und viele Krankheitserreger enthaltenden tierischen Ausscheidungen begossen werden und daraus unsere Nahrung hervorgeht, kann Ekel hervorrufen, auch wenn man diese Vorgehensweise, und zwar mit Recht, ökologisch nennt. Weitaus hygienischere Mineral- oder "Kunstdünger" genießen dagegen bei den Ökologen nicht diese Wertschätzung. Doch viele dieser Voreingenommenheiten beruhen letztlich auf Unkenntnis und Gedankenlosigkeit. Auch das Eilverbot für Tiermehle war davon bestimmt. Von einer Regierung sollte man jedoch erwarten, dass ihre Entscheidungen von rationalen Argumenten geprägt sind.
Als Verursacher von BSE galten zuletzt schlicht "Tiermehle". Das erleichterte es, sie zu verbieten. Doch der entscheidende Fehler lag im Weglassen des Prädikats "unzureichend erhitzt". Denn nur die nicht ausreichend sterilisierten Fleischmehle hatten in England BSE ausgelöst (s. Kapitel 3).
Von den in Deutschland hergestellten Tiermehlen kann, wenn überhaupt, nur eine äußerst geringe BSE-Gefahr ausgehen:
1. Hierzulande verarbeitetes Rohmaterial dürfte kaum Scrapie-Erreger enthalten, denn im Gegensatz zu England sind an Scrapie erkrankte Schafe in Deutschland sehr selten. Außerdem fallen viel weniger Schafe zur Tiermehlverarbeitung an.
2. Die Sterilisation der Fleischmehle ist in Deutschland seit langem gesetzlich vorgeschrieben. Viele Anlagen wurden in den letzten Jahren verstärkt überprüft und modernisiert.
3. Die Gefahr des Auftretens von BSE in Deutschland war auch dadurch gering, weil es nicht üblich war, Tiermehle an Rinder zu verfüttern.
4. Zusätzliche und endgültige Sicherheit bietet der Tiermehl-Erhitzungs-Tests, mit dem die ausreichende Sterilisation jederzeit überprüft werden kann (s. Kapitel 6).
Man sollte annehmen, die Fleischmehlindustrie habe unter dem Tiermehlverbot zu leiden und die Argumente für die Verwertung ihrer Produkte lägen im Interesse der Lobby. Doch etwas Besseres als ein Verbot - und das möglichst auf ewig - konnte gar nicht geschehen, denn während bisher der Absatz von Tiermehl stagnierte, beträgt er jetzt 100 Prozent: Die Produkte werden vom Staat komplett aufgekauft und vernichtet.
Daß man an BSE sogar gut verdienen kann, ist auch dem Münchner Anwalt Michael Witti nicht entgangen, der in den USA für gute Dollars gegen Futtermittelhersteller und die EU klagen will (hoher Streitwert, hohe Einnahmen!). Er möchte allerdings nur die "tickende Zeitbombe BSE" entschärfen und "Tiermehle weltweit vom Markt nehmen lassen"[13]. Gewiß edel gedacht, aber doch falsch, weil eben nicht die Tiermehle das Problem sind, sondern deren unzureichende Sterilisation!
6. BSE-Prophylaxe
Eine wirksame BSE-Prophylaxe ist nur durch konsequente Tiermehlsterilisation möglich. Für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Sterilisation (direkt am Produkt!) wurde der bereits in Kapitel 3 erwähnte Tiermehl-Erhitzungs-Test (TET) entwickelt. Ein mit dem TET geprüftes Tiermehl erweist sich dann als sicher, wenn es unter einem bestimmten, generell festgelegten Referenzwert bleibt. Dieser wurde an Tiermehlen ermittelt, deren Erhitzungsbedingungen genau bekannt waren.
Auch wenn Rinder künftig nicht mehr mit Tiermehlen gefüttert werden dürfen, ist die vorschriftsmäßige Sterilisation der Tiermehle und die Anwendung des Erhitzungs- Tests aus folgenden Gründen weiterhin wichtig:
1. Es ist nie ganz auszuschließen, dass trotz des Fütterungsverbots Tiermehle an Rinder verfüttert werden. Sind sie jedoch ausreichend sterilisiert, was durch den Test überprüft und garantiert werden kann, besteht nicht die geringste Gefahr.
2. Auch bei der Verfütterung an andere Tiere, z. B. Schweine, müssen die Tiermehle ordnungsgemäß sterilisiert sein. Andernfalls können sie u. U. infektiöse Prionen aufnehmen und weitergeben, auch wenn sie selber nicht daran erkranken. Auch in diesem Fall ist die Sicherheit der Tiermehle und ihre Kontrolle entscheidend wichtig.
Der Tiermehl-Test ist zugleich ein Indikator für die einwandfreie Funktion der Sterilisationsanlagen. Eventuell auftretende technische Mängel können - falls sie nicht schon durch die permanente Registrierung der physikalischen Parameter auffallen - spätestens durch die Kontrolle der Endprodukte sicher erkannt sowie behoben werden. Der TET erlaubt ferner die Überwachung der Warenströme in und zwischen den Ländern und gibt dem Futtermittelhersteller die benötigte Sicherheit bei der Wareneingangskontrolle. Der Erhitzungs- Test schafft somit in allen Bereichen Sicherheit, und sein EU-weiter, flächendeckender Einsatz würde es erlauben, Risiko-Tiermehle völlig und endgültig aus dem Futtermittelkreislauf zu eliminieren.
Es ist zu erwarten, dass bei einem konsequenten Einsatz des Tests BSE in 5-6 Jahren der Vergangenheit angehört. Zudem wäre damit nur ein geringer Bruchteil jener Kosten verbunden, die bisher die Symptombekämpfung, wie die Vernichtung von Rinderherden, die Fleischmehlverbrennung und der BSE-Test bei unzähligen Tieren, verschlingt und noch verschlingen wird.
Unlängst glaubte "Der Spiegel"[14] kritisieren zu müssen, dass bei der Untersuchung von Tiermehlen in einem nordbayerischen Untersuchungsamt >>die Bayern einen Sonderweg gegangen waren: Sie hatten die "Elisa"-Werte" einfach erhöht und duldeten damit das ungenügend erhitzte Tiermehl aus ihren Anlagen. Im Klartext: sie wollten nichts sehen<<. Als Urheber des Tests ist mir der Fall genauestens bekannt, so daß ich richtigstellen darf:
Die Untersucher hatten den Referenzwert keineswegs eigenmächtig erhöht, sondern das Staatsministerium hatte den ursprünglichen Referenzwert des Verfahrens in eigener Machtvollkommenheit "per Erlaß" herabgesetzt in dem Glauben, mit diesem "strengeren" Maßstab etwas Gutes geschaffen zu haben. Doch der neue Maßstab war falsch. Man erreichte damit, dass Tiermehle, die durchaus vorschriftsmäßig sterilisiert waren, plötzlich als "nicht ausreichend erhitzt" beurteilt wurden. Ein Eigentor des Ministeriums!
Eine ähnliche, wenn auch mäßigere Erniedrigung der "Meßlatte" hatte zuvor das Bundeslandwirtschaftsministerium vorgenommen. Beide Ministerien hielten eine Rücksprache mit dem Urheber des Tests nicht für nötig. Ein solches Vorgehen ignoriert nicht nur Urheberrechte, sondern ist auch Ausdruck von Anmaßung und sachlicher Inkompetenz, die in Form von "Erlassen" jede weitere Einmischung von Wissenschaftlern in "nachgeordneten Dienststellen" unterbindet. Den Schaden dürfen diese dann aber, wie im vorliegenden Falle, wieder ausbügeln!
7. Hoffnung durch neue Hypothese?
BSE ist in einigen wesentlichen Punkten noch immer eine rätselhafte Erkrankung. Das größte Fragezeichen war bisher, wie der BSE-Erreger, das Prionprotein, aus dem Verdauungstrakt in die Blutbahn gelangt, von wo aus es seinen Weg ins Gehirn antritt. Die Proteine können nicht ohne weiteres in die Blutbahn übergehen. Nahrungsproteine z. B. müssen, um vom Organismus genutzt werden zu können, zunächst durch Verdauungsenzyme in die niedermolekularen Bausteine, die Aminosäuren, zerlegt werden. Vom Blut werden sie zu den verschiedenen Organen und Körperzellen transportiert und schließlich durch Proteinbiosynthese zu körpereigenem Eiweiß zusammengesetzt. Dieser Umweg ist nötig, weil jedes fremdartige Protein, wenn es unmittelbar ins Gewebe oder ins Blut gelangt (wie z. B. bei Impfungen), sofort Abwehrmechanismen, sogenannte Immunreaktionen, auslöst. Denn Fremdproteine sind für jeden Organismus regelrechte Feinde. Sie müssen daher von ihm abgewehrt und unschädlich gemacht werden
Wie können nun Prionproteine aus dem Verdauungsbereich ins Körperinnere und schließlich bis ins Gehirn gelangen? Diese entscheidende Frage konnte bisher noch nicht schlüssig beantwortet werden. Möglicherweise kann dabei aber eine von mir kürzlich vorgeschlagene Hypothese [15] eine Erklärung geben. Sie geht davon aus, dass der BSE-Erreger als hochmolekulares Protein nicht von sich aus, so wie lebende Mikroorganismen, etwa Viren oder Bakterien, die "Magen-Darm-Schranke" überwinden kann.
Nun ist bekannt, dass Rinder auf der Weide mit dem Futter nicht selten spitze oder scharfkantige Gegenstände verschlucken, wie Hufnägel, Drahtstücke, Glasscherben und dergleichen. Hierdurch können im gesamten Verdauungsbereich Verletzungen entstehen, sogenannte Läsionen, die nun Eintrittspforten für die Prionen darstellen.
Die Läsionen-Hypothese würde erklären, warum immer nur einzelne oder wenige Rinder einer Herde an BSE erkranken und warum es bisher noch nicht überzeugend gelang, in gezielten Tierversuchen BSE-analoge Erkrankungen durch die normale Fütterung zu erzeugen [16]. Überträgt man die Läsionen-Hypothese auf den Menschen, so könnte man sagen, dass für den völlig Gesunden, der frei ist von offenen Magen- und Darmgeschwüren oder von Verletzungen im Verdauungsbereich, keine Gefahr besteht, durch den BSE-Erreger zu erkranken.
8. Diskussion und Folgerungen
Für die Beurteilung der BSE-Situation ist ein Vergleich der Häufigkeit von BSE in Europa aufschlußreich: England zählt z. Zt. 180.000 BSE-Fälle, der "Kontinent" rund 700 und Deutschland 32. Noch augenfälliger werden die Unterschiede im prozentualen Vergleich: 99,6 Prozent aller BSE-Rinder entfallen auf England, 0,4 Prozent somit auf das übrige Europa und nur 0,018 Prozent auf Deutschland. Doch in keinem anderen Land wird das BSE-Problem derart dramatisiert wie bei uns! Und dabei ist in Deutschland bislang nicht ein einziger (unter 80 Millionen Einwohnern) durch BSE erkrankt! Das heißt, wir haben gar nicht das Problem, sondern nur seine Sorgen! Das ist geradezu eine Definition von "Hysterie"! Die Medien haben es verstanden, den Menschen eine ungeheuere Bedrohung einzureden und unsere Politiker zu Reaktionen veranlaßt, die jeglicher Berechtigung und Souveränität entbehrten. Ein Gegengift gegen künstlich geschürte Ängste wäre Arthur Schopenhauers Rat (sinngemäß): Wir dürfen uns nur von solchen Gefahren beunruhigen lassen, die gewiß sind, und nicht von all jenen, die möglich sind, denn von diesen gibt es zu viele!
Tatsache ist: Die schweren Folgen der BSE-Krise in Deutschland betrafen bisher nicht die menschliche Gesundheit, sondern ausschließlich Wirtschaft und Politik! Die Zahl der unverkäuflichen Rinder in der EU kann nach Aussage von EU-Agrarkommissar Franz Fischler [17] bald nicht mehr eingelagert und entsorgt(!) werden. Er beschwor eine "absolute Katastrophe", die nur durch mehr Rindfleischessen aufgehalten werde könne.
Doch die gegenwärtige BSE-Krise ist nicht neu. Sie hat sich in mehren Intervallen wiederholt. Neu ist nur ihr jetziges, verheerendes Ausmaß. Diese Krise drängt nach einer vernünftigen, sachgerechten und dauerhaften Lösung, die mit Eilverordnungen und dirigistischen Zwangsmaßnahmen nicht zu erreichen ist.
Einer der Gründe dafür, dass sich der Rinderwahnsinn vom Ursprungsland Großbritannien auf den "Kontinent" ausbreiten konnte, liegt in der völligen Vernachlässigung der von der EU beschlossenen Maßnahme der Tiermehlsterilisation. BSE wird von einem pathogenen Protein verursacht und hat den Charakter einer schleichenden Vergiftung.[15] BSE ist somit keine Seuche, wird jedoch noch immer als solche bezeichnet und behandelt. Diese falsche Einstufung ist auch für die Vernichtung ganzer Herden verantwortlich, in denen immer nur einzelne Tiere erkranken. Sie hat zur Dramatisierung und zu folgenschweren politischen Entscheidungen beigetragen.
Die Ursache von BSE sind nicht generell Tiermehle, sondern ihre unzureichende Sterilisation. Nur durch die Beseitigung dieser Ursache kann BSE auf Dauer beseitigt werden.!
Tiermehle wurden in England bei unverantwortlich niedrigen Temperaturen hergestellt und an Rinder verfüttert. Doch selbst nach dem Bekanntwerden dieser Ursache wurden sie noch jahrelang exportiert. Milchaustauscher [18], die in letzter Zeit als BSE-Auslöser diskutiert werden, können für die Ausbreitung in England nicht verantwortlich gewesen sein.
Nach Ablauf des sechsmonatigen Tiermehlverbots werden Tiermehle wieder in den Handel gelangen. In dem trügerischen Gefühl, dass mit diesem Verbot die Gefahr gebannt sei, wird vergessen, dass die vorgeschriebenen Sterilisationsvorschriften auch künftig nicht nur durchgeführt, sondern auch zuverlässig kontrolliert werden müssen. Hierbei kann der in Deutschland erprobte Tiermehl-Erhitzungs-Test, der jederzeit eine sicher Kontrolle der Sterilisation am Produkt ermöglicht, von entscheidender Bedeutung sein. Vorbereitungen für seinen flächendeckenden Einsatz sind jedoch noch nicht in Sicht.
Zwischen Wissenschaft und Politik bestehen Zielkonflikte, die durch folgende Positionen gekennzeichnet sind: Die Politik nimmt oft nur wahr, was ihren augenblicklichen Zielen dient und entspricht. Die Wissenschaft dagegen hat ein prinzipielles Interesse, das von ihr als richtig und wichtig Erkannte in die Praxis umzusetzen. In Sachfragen ist es daher notwendig, dass dieser Konflikt im Interesse der Allgemeinheit dahingehend gelöst wird, dass durch gleichgerichtete Anstrengungen das anzustrebende Ziel auch tatsächlich erreicht wird. Alles sollte getan werden, was diesem Ziel dient, und alles sollte unterlassen werden, was diesem Ziel schadet.
Die bitterste Lehre aus der BSE-Krise besteht in der Erkenntnis, dass die EU nicht in der Lage war, die Ausbreitung von BSE von Großbritannien auf den Kontinent zu verhindern und in einigen ihrer Entscheidungen sogar dazu beigetragen hat, dass BSE sich ausbreiten konnte. Die Wahrnehmung dieser Erkenntnis darf nicht daran scheitern, dass die deutsche Gegenwartspolitik alles daran setzt, "europatauglich" zu werden.
Für BSE-Tests, die lediglich die Auswirkungen betreffen, ist ein riesiger Markt geschaffen worden (der Wert wird mit 2,5 Milliarden Mark jährlich angegeben). Ihre Hersteller haben sicher kein Interesse daran, BSE möglichst schnell zu beseitigen. Es gibt sogar Hinweise, dass der Markt dafür über die Medien und die Politik vorbereitet wurde. Die Sterilisationskontrolle der Tiermehle, die das Problem beseitigen könnte, wäre weitaus billiger. Ist das der Grund, warum auf diesem Gebiete so wenig geschieht? Es wäre beschämend!
Eine englische Expertenkommission [19] hatte sich einmal etwa so geäußert: BSE ist kein Problem, aber wenn es eines werden sollte, dann ist es ein sehr ernstes. Inzwischen hat sich gezeigt, dass nicht das Rind das Problem ist, sondern der Mensch.
Anmerkungen und Literatur
1 Englische Abkürzung für "bovine spongiforme enzephalopathie", schwammartige Hirnerkrankung beim Rind, oft als "Rinderwahnsinn" bezeichnet. Steht im Verdacht, auf den Menschen übertragbar und für die "neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit" verantwortlich zu sein. Während der Rinderwahnsinn die Folge einer Hirnerkrankung ist, wäre unter "Menschenwahn" etwa "eine der Wirklichkeit widersprechende Vorstellung" zu verstehen, an der mit "unkorrigierbarer Überzeugung festgehalten wird" (Großes Lexikon der Büchergilde Gutenberg. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a. M., Wien, Zürich, 1968, Bd. 4, S. 548).
2 Es handelt sich um die Zurückgetretenen Angela Fischer (Bundesgesundheitsministerin), Karl-Heinz Funke (Bundeslandwirtschaftsminister) und Barbara Stamm (Bayer. Gesundheitsministerin).
3 K. W. Richter: Verwirrter Endverbraucher. Bayer. Rdsch. v. 30. 1. 2001
4 Höhere Preise stehen nur sehr bedingt mit der objektiv erfaßbaren Qualität in Verbindung. So gibt es durchaus auch eine "imaginäre (eingebildete) Qualität", die einen erheblichen Einfluß auf die Wertschätzung, auf die Nachfrage und damit auf den Preis haben kann, s. K. Hofmann: Der Qualitätsbegriff bei Lebensmitteln am Beispiel Fleisch. Verbraucherdienst 43 (H.6), 488-491(1998)
5 R. Böhm: Die Dimension der Tierkörperbeseitigung in Deutschland - Quantifizierung und Differenzierung. Dtsch. Tierärztl. Wochenschr. 104 (H.7), 229-264 (1997), ebenda S. 240
6 O. Riedinger: Das Problem Tiermehl in der EU. Vortrag beim "Tiermehl-Workshop" der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach am 10. 12. 1998. Kurzfassung der Vorträge S. 5
7 2. Halbjährlicher Bericht der EU-Kommission (Brüssel) v. 18. 11. 1998, S. 52
8 Immunchemischer Test zur Kontrolle des Sterilisationsgrades von Fleischmehlen. Prinzip und Durchführung: K. Hofmann: Erhitzungsnachweis bei Tiermehlen - Sind Tiermehle in Deutschland ausreichend erhitzt? Fleischwirtschaft 76 (H.7), 707-711 (1996). Der Test wurde an der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach - zeitweise gegen erhebliche Widerstände von Seiten der Wirtschaft und der vorgesetzten Behörde - bis zur Praxisreife entwickelt. Da sich infizierte und völlig unzureichend erhitzte Tiermehle in England als die Verursacher von BSE erwiesen, ist der flächendeckende Einsatz des Tests für die Bekämpfung der inzwischen sich auf dem europäischen Festland ausbreitenden Epidemie von großer potentieller Bedeutung. Trotz seiner Leistungsfähigkeit ist der Test auf Bundesebene lediglich zur Anwendung empfohlen und nicht amtlich vorgeschrieben worden. Eine Unterlassung, die wohl die Ausbreitung von BSE in unserem Lande mitverschuldet und den notwendigen Sprung auf die EU-Ebene verhindert hat.
9 C. v.Holst, K. O. Honikel, W. Unglaub, G. Kramer und E. Anklam: Determination of an appropriate heat treatment of animal waste using ELISA technique: results of a validation study. Meat, Science 54, 1-7 (2000)
10 D. Byrne stützte sich auf eine Studie des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses der EU, die auf den Daten über die Warenströme basierte. (dpa v. 2. 1. 2001). Die EU war somit über die drohende Gefahr bestens unterrichtet.
11 K. Hofmann: BSE ist keine Seuche. Allgem. Fleischer Ztg. v. 17. 1. 2001 (Nr. 3), S. 25; S. Lorenz: BSE ist keine Seuche. Zeitdokument 4/ 2000, 43-44
12 S. B. Prusiner: Prionen-Erkrankungen. Spektrum der Wissenschaft März 1995, 44-54; s. D. Riesner: Prionen-Krankheiten. Chemie in unserer Zeit 30 (Nr.2), 66-74 (1996)
13 N.N.:Exportverbot für britisches Fleisch verhängt. Bayer. Rdsch. v. 23. 2. 2001
14 S. Schreiber: Lieber nichts sehen - Bayerische Behörden mißachteten jahrelang EU-Vorschriften zum Schutze vor BSE. Der Spiegel Nr. l4/ 2001, S. 33
15 K. Hofmann: BSE - eine Verletzungserkrankung? Ein Erklärungsmodell zum Übertragungsweg des Erregers bei Rindern. Fleischwirtschaft 81 (H.1), 11-12 (2001)
16 S. Dahms: Epidemiologische Studien zur Übertragung der Bovinen Spongiformen Encephalopathie (BSE). Münch. Tierärztl. Wschr. 110, 161-165 (1997); zit. in E. Jonas und P. Lachmann, vgl. Anm. 19, ebenda S. 34. Die Untersuchungen, die zur Überprüfung der Kraftfutterhypothese durchgeführt wurden, wonach unzureichend erhitzte Tiermehle im Rinderfutter BSE auslösen, führten zu keinem eindeutigen Ergebnis.
17 N.N.: Fischler warnt vor einer absoluten Katastrophe. Allgem. Fleischer Ztg. 7/2001, S. 1
18 Milchaustauscher enthalten tierische Fette, die durch "kalte Extraktion" (mit Hilfe von Chlorkohlenwasserstoffen) aus möglicherweise infektiösem Material gewonnen wurden.
19 Southwood Report vom Feb. 1989, zit. In: E. Jonas und P. Lachmann: BSE und verwandte Erkrankungen. Verlag Hans Huber, Bern, 1999, S. 150
Zum Autor: Klaus Hofmann, Jahrg. 1934, ist Dipl.-Chemiker, ehem. Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Chemie der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach; seit Feb. 1999 im Ruhestand.

IN Gleich in den ersten beiden Sätzen bringt der Diplomchemiker und ehemalige wissenschaftliche Direktor am Institut für Chemie der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach Klaus Hofmann seine grundsätzliche Position auf den Punkt: Nicht BSE, sondern die von den Medien verbreitete Furcht vor der Rinderkrankheit habe unermeßlichen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Dazu gibt er später noch seinen von Schopenhauer abgeleiteten Wahlspruch zum Besten: "Wir dürfen uns nur von solchen Gefahren beunruhigen lassen, die gewiß sind, und nicht von all jenen, die möglich sind, denn von diesen gibt es zu viele!"
Typisch für seine Grundhaltung ist auch die Behauptung: "Auch wenn die Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht bewiesen ist: was BSE bewirkt hat, grenzt bereits an Menschenwahn!". Weil die Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen extrem gut belegt und nur rein prinzipiell nicht beweisbar ist, ist diese Formulierung eine Verharmlosung durch Verdrehung der Tatsachen. Außerdem ist es grotesk, wie der Autor damit nicht die alte Schlamperei, sondern die seit dem Dezember 2000 erreichten enormen Verbesserungen als Menschenwahn diffamiert. Hinsichtlich der EU-Kommission leugnet er sogar, dass diese sich geändert habe.
Angesichts des Verfütterungsverbotes für tierische Proteine und Fette schlicht unwahr und unfair sind die Darstellungen des Autors, das "BSE-Bekämpfungsprogramm" der Bundesregierung habe nur aus hierfür natürlich ungeeigneten BSE-Schnelltests bestanden und man bekämpfe nur die Symptome und nicht die Ursachen von BSE. Die Ursache für den vorübergehenden Rückgang des Rindfleischkonsums sieht der Autor nicht die Entdeckung deutscher BSE-Rinder, sondern in der damals noch nicht lange im Amt befindliche Bundesregierung. Vielleicht hat tatsächlich einmal der Bundeskanzler im Fernsehen etwas durcheinander gebracht, aber ansonsten wurde die wegen des Markteinbruches notwendig gewordene Vernichtung von EU-weit 400.000 Rindern von deutschen Politikern von Anfang an als reine Marktentlastungsmaßnahme und nicht als BSE-Bekämpfung bzw. Verbraucherschutz dargestellt.
Der Autor mag nicht einsehen, wieso BSE-Fälle bei in Deutschland geborenen Rindern eine andere Qualität haben, als BSE-Erkrankungen bei aus England oder der Schweiz importierten Tieren. Auch das spezielle Problem des Kanibalismus bei reinen Pflanzenfressern und die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft hinsichtlich der BSE-Übertragung versteht der Autor nicht und beklagt stattdessen wortreich die Gedankenlosigkeit Anderer und einen angeblich eklatanten Mangel an naturwissenschaftlichen Kenntnissen bei den Andersdenkenden. Die Schuld für angeblich falsche politische Entscheidungen sieht er bei den Politikern und nicht in der Uneinigkeit der Wissenschaft. Zwar spricht er das Problem der widersprüchlichen "Experten"-Aussagen an, bietet hierfür aber keine Lösung an und vergrößert stattdessen mit falschen und überwiegend unbelegten Aussagen die Verwirrung seiner Leser.
Das beginnt schon mit der Behauptung, Tiermehle seien die wahren Auslöser von BSE. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass Tiermehle nur ein Übertragungsweg und nicht der Auslöser oder die Ursache von BSE sein können. Ähnlich unglaublich ist die von jeglicher Sachkenntnis ungetrübte Behauptung, man habe in England bis 1980 Tier-und Knochenmehle bei 130° sterilisiert und deshalb keine hygienischen Probleme gehabt. Der Autor hat immer noch nicht begriffen, dass Tiermehl in England genau wie überall in Europa und den USA zu keinem Zeitpunkt wirklich BSE-sicher sterilisiert wurde. Scheinheilig klagt der Autor die Senkung Temperaturen bei der Produktion britischen Tiermehles an, ohne dabei die bis Mitte des Jahres 2000 in Deutschland übliche Produktion von Fleischknochenmehl bei genauso niedrigen Temperaturen zu erwähnen. Diese Tatsache leugnet er und behauptet sogar, Deutschland sei das einzige EU-Land mit vollständiger Umsetzung der eigentlich EU-weit vorgeschriebenen 130°-Erhitzung (eigentlich 133°) gewesen.
Obwohl es sachlich falsch ist und für eine EU-weite Durchsetzung der 133°-Sterilisation in gleicher Weise gelten würde, behauptet der Autor, das Tiermehlverbot wirke erst nach etwa 6 Jahren und diene daher nur der Beruhigung der Bevölkerung. Er bezeichnet die Erwartung der Verlängerung des EU-weiten Tiermehlverfütterungsverbotes für illusorisch und hält sie offensichtlich für überflüssig. Stattdessen möchte er den von ihm oder seinen Mitarbeitern entwickelten Test zur Überwachung der Tiermehlherstellung eingesetzt sehen. Von diesem behauptet er, er könne eine ausreichende Hitzebehandlung nachweisen. Dabei ist ein solcher Nachweis grundsätzlich unmöglich, solange keine empfindlicheren Nachweisverfahren zur Verfügung stehen.
Die pure Inkompetenz spricht auch aus der Behauptung, die BSE-Schnelltests dauerten mehrere Stunden bis Tage und es sei deswegen technisch und zeitlich ausgeschlossen, alle Schlachttiere testen zu können. Offensichtlich hat der Autor keine Ahnung von den Tests und ihrer absolut problemlosen Integration in die Abkühlzeit der Schlachthälften. Lediglich dort, wo eine Warmfleischzerlegung genehmigt war, führen BSE-Tests tatsächlich zu einer Verzögerung.
Falsch ist auch die Behauptung, die Schnelltests könnten prinzipiell bei weniger als 30 Monate alten Rindern nicht ansprechen. Es ist schon peinlich, dass ausgerechnet im Januar 2001 gleich zweimal per Schnelltest BSE-Infektionen bei nur 28 Monate alten deutschen Rindern nachgewiesen wurde. Der Autor hätte es aber auch besser wissen müssen, weil es vorher schon in England jüngere BSE-Fälle gab. Hierzu passend verlegt er den ersten BSE-Fall sachlich schlicht falsch in das Jahr 1986.
Auch in der Frage des Ursprunges der BSE-Epidemie beschreibt der Autor einseitig und wie eine Tatsache die unter Fachleuten längst umstrittene These, dass zu Tiermehl verarbeitete Kadaver scrapiekranker Schafe die ersten Rinder infizierten. Angesichts dieser Fülle von Unwahrheiten und Fehlinterpretationen ist es schon nebensächlich, dass er den irischen EU-Kommissar Byrne als Engländer bezeichnet. Aber nicht nebensächlich und ein eklatanter Mißbrauch der Wissenschaft ist es, wenn der Autor die immer noch umstrittene und keineswegs bewiesene Prionhypothese als nachgewiesen bezeichnet (So muß er rein formal den klassischen Seuchenbegriff nicht auf BSE anwenden.) und wenn er gleichzeitig entgegen der Prionhypothese und aller Ergebnisse der TSE-Forschung die Prionen als nicht vermehrungsfähig und nicht anteckend bezeichnet.
Wer so wenig von BSE versteht, sollte nicht darüber schreiben. Aber es geht dem Autor offensichtlich nicht um Wissenschaft, sondern um Propaganda für die Tiermehlverfütterung. Als krönenden Abschluß leugnet er auch noch die zahlreichen erfolgreichen Übertragungen von Scrapie und BSE durch Verfütterung. Er behauptet, BSE sei völlig ungefährlich, sofern man nicht durch Verletzungen im Verdauungstrakt vorgeschädigt sei. Wen wundert es da noch, dass der Autor auch noch nebenbei und selbstverständlich ohne jeden Nachweis behauptet, Milchaustauscher könnten für die Ausbreitung von BSE in England nicht verantwortlich gewesen sein.

AD Dr. Klaus Hofmann (Kulmbach)

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ZF kritische Zusammenfassung von Roland Heynkes

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