NR AJVO

AU Kihm,U.; Hörnlimann,B.; Heim,D.

TI [Risk analysis and Epidemiology of BSE in Switzerland]

OT Risikoanalyse und Epidemiologie von BSE in der Schweiz

QU Mitteilungen aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene. Travaux de chimie alimentaire et d'hygiène 1996; 87: 38-47

VT Einleitung
Im Jahre 1986 wurde in Grossbritannien (GB) an histologischen Hirngewebepräparaten eines Rindes erstmals die Diagnose bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) gestellt. Diese Rinderseuche, die auch Rinderwahnsinn genannt wird, gehört zu der Krankheitsgruppe der übertragbaren schwammförmigen Gehirnerkrankungen (transmissible spongiforme Enzephalopathien, TSE; kurz: SE). Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick zum aktuellen Stand der BSE zu geben und die wichtigsten Ergebnisse der Risikoanalyse aufzuzeigen (Riskofaktoren).
Ergebnisse der Risikoanalyse in Grossbritannien
Die ursprüngliche Quelle der BSE-Epidemie ist höchstwahrscheinlich die homologe Krankheit bei Schafen, Scrapie.
Wilesmith konnte in mehreren Studien belegen, dass die Krankheit mit kontaminiertem Tierkörpermehl (TKM) auf Rinder übertragen wird (1-3). Eine indirekte Bestätigung seiner Hypothese liefert zudem die Tatsache der abnehmenden Inzidenzrate seit 1993, rund fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Fütterungsverbots (4).
Kraftfutter für Rinder enthielt vor dem Fütterungsverbot Tierkörpermehl, das unter anderem aus Schlachtabfällen von an Scrapie erkrankten Schafen hergestellt worden war. Der ausschlaggebende Risikofaktor war indessen die Änderung der Verfahrenstechnik bei der Herstellung von Tierkörpermehl anfangs der 80er Jahre. Durch ungenügende Hitzebehandlung (5) und infolge eines neuen Fettextraktionsverfahrens wurden die Scrapie-Erreger nicht mehr genügend inaktiviert und konnten somit die Artbarriere zwischen Schaf und Rind durchbrechen. In Grossbritannien gab es eine sehr grosse Schafpopulation mit einer hohen Scrapieprävalenz (noch heute).
Das zeitliche und örtliche Zusammenspiel dieser verschiedenen Risikofaktoren hat letzlich zum Problem der BSE geführt.
Aktuelle BSE Situation: Grossbritannien
Von 1987 bis 1992 wurde in GB ein exponentieller Anstig der BSE Jahresinzidenz verzeichnet. Bis Ende März 1996 sind 160'042 Rinder der BSE zum Opfer gefallen. Die Unterbrechung der Infektionskette erfolgte 1988 durch das Verbot der Verfütterung von Tierkörpermehl an Rinder. Rund fünf Jahre nach diesem Erlaß begann die BSE-lnzidenzrate zu sinken: 1993 stellte man erstmals eine Inzidenzabnahme gegenüber dem Vorjahr fest. Der abnehmende Trend hat sich seither deutlich fortgesetzt. Die späte Wirkung der Maßnahmen entspricht wissenschaftlich begründeten Erwartungen, denn die Inkubationszeit dauert durchschnittlich etwa fünf Jahre. Somit kann der Rückgang der BSE seit 1993 wohl als Ergebnis der wichtigsten Interventionsmaßnahme, dem Fütterungsverbot für Tierkörpermehl an Wiederkäuer (kurz "Fütterungsverbot") vom 18. Juli 1988, interpretiert werden.
Zur Frage der vertikalen und horizontalen BSE Übertragbarkeit
Die Frage, ob es bei BSE eine Übertragung von Erregern von der Kuh auf das un- oder neugeborene Kalb gibt (sog. "vertikale Übertragung"), ist weiterhin aktuell. Existiert tatsächlich ein Infektionsweg "Mutter->Jungtier" - wie bei Scrapie - so könnte dies bedeuten, dass die BSE Bekämpfungsmaßnahmen nicht in absehbarer Zeit zu einem endgültigen Erfolg (sprich Nullinzidenz) führen.
Bis zum 27. Oktober 1995 erkrankten in GB 23'002 Rinder an BSE, die nach dem 18. Juli 1988 geboren wurden, sog. BAB Fälle = born after the feedban. Davon wurden 46,4% in der 2. Hälfte des Jahres 1988, 40,8% im Jahr 1989, 10,6% im Jahr 1990, 2,1% im Jahr 1991 und der Rest danach geboren: acht Tiere 1992 und ein Tier 1993. Insbesondere für diese nach dem Fütterungsverbot geborenen Tiere ist die Frage naheliegend, ob sie über den vertikalen Infektionsweg angesteckt worden sind. Die neulich veröffentlichten Resultate einer epidemiologischen Studie zeigten, dass für eine vertikale Übertragung kein statistisch signifikantes Risiko vorliegt (6). Gemäss offizieller britischer Erklärung für die vielen BAB Fälle liegen dem Problem zwei miteinander verknüpfte Risikofaktoren zugrunde:
1. Das Verbot, potentiell infektiöse Organe auch nicht in die tierische Nahrungskette gelangen zu lassen (Specified Offal Ban), konnte nicht sofort umgesetzt werden.
2. Eine gelegentliche Kontamination des Rinderkraftfutters nach Produktion von Schweinefutter, welchem legalerweise heute noch TKM beigemischt wird, soll aus technischen Gründen gelegentlich vorkommen. Tatsächlich ging in Regionen, wo intensive Schweinehaltung vorkommt (z.B. im Osten Englands), die BSE Inzidenz weniger deutlich zurück als in anderen Regionen des Landes.
Da der zweite Faktor nicht 100%ig ausgeschaltet werden kann, wurde die Kontrolle der Einhaltung des Specified Offal Ban seit Sommer 1995 rigoros verschärft.
Die Möglichkeit der BSE-Übertragung von Tier zu Tier (horizontal) kann nach der Studie von Hoinville et al. nicht ganz ausgeschlossen werden (6): Für Kälber die ein bis drei Tage nachdem ein an BSE erkranktes Tier in einer Herde kalbte, geboren wurden, stellte man ein leicht erhöhtes, statistisch signifikantes Risiko fest (Odds Ratio = 1,48 / Vertrauensintervall = 1,07-2,05 / p = 0,018). Ob dies von epidemiologischer Relevanz ist, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Immerhin spricht die experimentelle Beobachtung im Organinfektiositätstest mit der Plazenta (Cotyledonen) sowie mit Fötalhüllen und Lochialflüssigkeiten dagegen: Im Gegensatz zu Scrapie (7) ist eine Infektiosität der bei der Geburt in die Umgebung ausgeschiedenen Nachgeburtsteile und -flüssigkeiten von an BSE erkrankten Tieren nicht feststellbar (4,8). Eine Verschleppung von Scrapie auf diesem Weg wurde bereits 1940 von Greig vermutet (9) und in den 70er Jahren von Pattison bestätigt (10).
Aktuelle BSE Situation: Welt
Ausserhalb von Grossbritannien tritt BSE erst seit 1989, nur in wenigen Ländern und in viel geringerem Ausmass auf. Die meisten Länder der Welt sind indessen nicht betroffen.
Nordirland (1656 Fälle), Irland (126), Portugal (29) und Frankreich (13) haben die Seuche wie die Schweiz (207) höchstwahrscheinlich durch Import von BSE-kontaminiertem Tierkörpermehl eingeschleppt (11).
Deutschland (5 Fälle), das Sultanat Oman (2), Italien (2), die Falkland Inseln (1), Dänemark (1) und Kanada (1) haben BSE ausschließlich bei Kühen diagnostiziert, die als Jungtiere in Grossbritannien gehalten wurden und danach in die entsprechenden Länder exportiert worden sind; dies trifft auch auf einige betroffene Tiere Irlands und Portugals zu. (Tabelle)
Aktuelle BSE Situation: Schweiz
Am 2. November 1990 wurde der erste Fall von BSE in der Schweiz diagnostiziert. Bis zum 7. November 1995 sind in der Schweiz 180 Kühe an BSE erkrankt. Bei allen betroffenen Tieren handelt es sich um in der Schweiz geborene Milchkühe.
In den meisten betroffenen Schweizer Herden trat bisher nur ein BSE Fall pro Herde auf; Ausnahmen bilden vier Betriebe mit zwei bis drei Fällen.
Die Fälle sind über große Teile des Landes verbreitet. Ausnahmen bilden die Kantone Glarus (GL), Basel (BS und BL), Thurgau (TG) und Genf (GE), wo bisher keine BSE Fälle aufgetreten sind.
Ein Vergleich der bisher vorliegenden Daten zwischen der Rassenzugehörigkeit betroffener Tiere und dem Anteil der Rassen in der Milchkuhpopulation lässt den Schluss zu, dass keine Rassenprädisposition vorhanden ist.
Das Durchschnittsalter der betroffenen Schweizer Tiere beträgt rund fünf Jahre.
Von den aus Grossbritannien bekannten Risikofaktoren (Vorkommen von Scrapie, hohe Schafdichte, Änderung der Tierkörpermehlherstellungstechnik und Verfütterung von Tierkörpermehl an Rinder) war nach bisheriger Erkenntnis in der Schweiz nur der letztere von Bedeutung (12), (s. unten). Im Rahmen der Verordnung über Sofortmaßnahmen gegen die SE der Wiederkäuer (VSEW) wurde die Verfütterung von Tierkörpermehl an Wiederkäuer ab dem 1. Dezember 1990 verboten. Damit wurde auch in der Schweiz die Infektionskette unterbrochen. Die Zahl der BSE-Fälle stieg jedoch wegen der Jahre dauernden Inkubationszeit bis 1995 an. Der Verlauf der BSE-Epidemie in der Schweiz entspricht - mit einer leichten Verzögerung des auf 1994 prognostizierten Maximums von monatlich sechs Fällen - unserer 'worst-case' Prognose von 1991/1992.
Die jährliche Inzidenzrate entwickelte sich von 1991 bis 1994 exponentiell, die quantitative Entwicklung sieht - jeweils gegenüber dem Vorjahr - folgendermassen aus: 1992 betrug sie gegenüber 1991 das 1,68fache; 1993 gegenüber 1992 das 1,97fache; 1994 gegenüber 1993 das 2,18fache und 1995 gegenüber 1994 (nur noch) das 1,16fache. Hätte der Trend einer exponentiell zunehmenden Inzidenzrate angehalten, so wären 1995 gesamthaft mehr als 100 Fälle zu erwarten gewesen. Mit rund 6 BSE Fällen pro Monat (für 1995) sind in der verbleibenden Zeit aber nur noch knapp ein Dutzend Fälle und somit für das ganze Jahr rund 73 Fälle zu erwarten (Tabelle 1).
BSE-Risikofaktoren in der Schweiz
Die Schafdichte in der Schweiz ist im Vergleich zu derjenigen in GB traditionell sehr niedrig. Scrapie wurde in der Schweiz erstmals 1982 vermutet (13); seither sind noch fünf weitere Fälle vorgekommen (1 Fall 1991, 3 Fälle 1993 und 1 Fall 1995). Deshalb dürften diese BSE-Risikofaktoren in der Schweiz keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt haben.
Hingegen wurde die Verfütterung von tierischen Proteinen aus Schlachtabfällen in Form von Tierkörpermehl (TKM) bis Ende 1990 praktiziert. Kraftfutterprodukte für Rinder, denen überhaupt Proteine tierischer Herkunft beigemischt wurde, enthielten schätzungsweise 2,6 % TKM (12). Im Kälberaufzuchtfutter dürfte gelegentlich ein etwas höherer Prozentsatz an TKM vorhanden gewesen sein (bis 7%). Eine drastische Änderung der TKM-Herstellungstechnik mit der damit verbundenen Temperatursenkung beim Sterilisationsprozess fand, im Gegensatz zu Grossbritannien, in der Schweiz nicht statt. Hiesiges TKM wurde nach Angaben der Hersteller fortan mit 120° bis 140° während 20 bis 30 Minuten bei 3 bar produziert.
Die vorläufigen Ergebnisse unserer Abklärungen deuten darauf hin, dass BSE in der Schweiz auf importierte, kontaminierte Futtermittelkomponenten britischer Herkunft zurückzuführen ist (11). Bei bisher vier an BSE erkrankten Tieren, die nach dem Datum des Fütterungsverbots geboren wurden (sog. BAB Fälle = born after the ban), gibt es keine Hinweise auf eine vertikale Übertragung. Die Mütter dieser Tiere waren nie BSE verdächtig. Die vier Tiere kamen am 10. Januar 1991, am 10. März 1991, am 19. Oktober 1991 und am 30. November 1991 zur Welt. Es gibt keine Hinweise auf eine illegale TKM-Beimischung in das Rinderkraftfutter. Eine Kontamination mittels TKM-haltigem Schweine- oder Geflügelfutter ist indessen denkbar.
Risikopopulation, Entwicklung der Inzidenzrate und Prognose
Die Gesamtpopulation an Kühen in der Schweiz umfasste 1990 etwa 783'000 Tiere. Milchkühe bilden die BSE-Risikopopulation im weiteren Sinn (i.w.S.). Im engeren Sinn (i.e.S.) gehören nur die vor dem 1. Dezember 1990 geborenen Milchkühe zur Risikopopulation; damals trat das schweizerische Fütterungsverbot für Tierkörpermehl an Wiederkäuer in Kraft. Die genaue Anzahl der Risikopopulation i.e.S. ist aber aus keiner Statistik erhältlich. Es kommt hinzu, dass Rinder, die bis etwa ein Jahr nach dem 1. Dezember 1990 geboren wurden, einem gewissen BSE-Restrisiko ausgesetzt gewesen waren, wie die Erfahrung mit bisher vier BAB Fällen zeigt. Aus diesen Gründen wurde zur Berechnung der jährlichen BSE Inzidenzraten die gesamte Anzahl Kühe herangezogen, also die Risikopopulation i.w.S.
Die jährliche BSE Inzidenzrate Grossbritanniens betrug auf dem Höhepunkt der britischen Epidemie (Ende 1992 / anfangs 1993) 957,08 Fälle pro 100'000 adulte Rinder (14); im Vergleich dazu ist die extrapolierte schweizerische Inzidenzrate im Zeitpunkt des hier für 1995 postulierten Höhepunkts mit 9,60 Fällen pro 100'000 Kühen rund um einen Faktor 100 niedriger (Tabelle). Sofern keine unbekannten und unvorhersehbaren BSE Risikofaktoren eine Rolle spielen, die erst ab jetzt zum Tragen kommen, ist mit den vorhandenen Daten für die Schweiz 1996 ein Rückgang der absoluten Anzahl BSE Fälle bzw. der Jahresinzidenz gegenüber 1995 zu erwarten.
Maßnahmen in der Schweiz
Vorbeugende Maßnahmen zum Schutze des Konsumenten
Aufgrund der vorliegenden experimentellen BSE-Daten aus der Literatur bzw. aus Tierversuchen weiss man, dass das zentrale Nervengewebe (Gehirn und Rückenmark) und das lymphatische Gewebe des Darms sowie die Hornhaut des Auges potentielle Träger von BSE Infektiosität sind (8,15, R e f. Auge). Da 1989 diese Fakten noch nicht vorlagen, hat das unabhängige BSE-Expertenkommitee Konsumentenschutzempfehlungen an das britische Landwirtschaftsministerium gerichtet, die auf Erkenntnissen von Organinfektiositätstests bei Scrapie basierten. Bei Scrapie sind, im Gegensatz zu BSE, unter anderem auch die Milz und der Thymus infektiös (16). Die darauf erlassenen britischen Maßnahmen wurden später auch in unserem Konzept zum vorbeugenden Schutze des Konsumenten verankert: Verbot des Inverkehrbringens zwecks menschlichen Konsums von Gehirn, Rückenmark, Thymus, Milz und Därmen von Rindern, die älter sind als sechs Monate.
Um einem allfälligen, theoretisch nicht ausschliessbaren Restrisiko einer Übertragung der BSE auf den Menschen prophylaktisch Rechnung zu tragen, hat zudem die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) restriktive Zulassungsvorschriften für gewisse Organe und Gewebe erlassen: Pharmazeutika, welche Bestandteile der oben genannten Rinderorgane enthalten, wurden weitgehend aus dem Verkehr gezogen. Zudem besteht ein generelles Verbot für Medikamente mit Gewebe von Rindern aus Beständen mit BSE (17).
Tierseuchenpolizeiliche Maßnahmen
Die folgende Auflistung umfasst die wichtigsten erlassenen BSE Bekämpfungsmaßnahmen.
Maßnahmen an der Grenze:
* Einfuhrverbot für lebende Tiere der Rindergattung aus Grossbritannien (GB);
* Einfuhrverbot für Tierkörpermehl aus GB; * Einfuhr von Tierkörpermehl nur aus kontrollierten Betrieben;
* Bewilligungspraxis für die Einfuhr von Rindfleisch aus GB ist sehr restriktiv;
Maßnahmen im Inland:
* Verfütterungsverbot von Tierkörpermehl an Wiederkäuer;
* Meldepflicht für BSE und Scrapie;
* Etablierung von zwei Diagnostiklaboratorien für BSE und Scrapie;
* Tötung und histologische Abklärung von Tieren mit Verdachtssymptomen;
* Verbrennen der Tierkörper erkrankter Kühe;
Die Kantonstierärzte kontrollieren die Einhaltung der tierseuchenpolizeilichen Maßnahmen im Inland. Das Verbot des Zumischens von TKM in Wiederkäuerkraftfutter wird anhand von Futteranalysen in der Forschungsanstalt für viehwirtschaftliche Produktion (FAG) in Posieux kontrolliert (18).
Zusammenfassung
Mit makroepidemiologischen Daten konnte 1994 gezeigt werden, dass BSE in der Schweiz höchstwahrscheinlich auf den direkten und indirekten Import von potentiell kontaminierten, britischen Futtermittelkomponenten zurückzuführen ist. Das am 1. Dezember 1990 erlassene Fütterungsverbots für Tierkörpermehl an Wiederkäuer wurde - gemäss Laborkontrollen - rasch und effektiv umgesetzt. Heute, im Jahr 1995, kann erstmals beobachtet werden, dass die Steigung der BSE Inzidenzrate in der Schweiz deutlich zurückgeht und im nächsten Jahr wird die Anzahl Fälle gegenüber 1995 rückläufig sein. Die lange Dauer zwischen Erlass und Greifen der Maßnahmen ist in der rund fünf Jahre langen Inkubationszeit begründet. Auch in Grossbritannien begann die BSE-Epidemie rund fünf Jahre nach dem dortigen Fütterungsverbot zurückzugehen. Sowohl Zeitpunkt des Höhepunkts der Epidemiekurve in der Schweiz wie auch die Entwicklung der Inzidenzrate entsprechen weitgehend unseren Prognosen von 1991/1992.
Résumé
Les données épidémiologiques de 1994 ont démontré que l'ESB a très certainement été introduite en Suisse par le biais d'importations directes et indirectes farines de viande provenant de Grande-Bretagne. L'interdiction du 1er décembre 1990 d'alimenter des ruminants avec des farines de viande, d'os ou d'aliments composés contenant de telles farines a été rapidement et efficacement appliquée selon les analyses de laboratoires. Pour la première fois, en 1995, on peut constater que l'évolution de la courbe d'incidence est en régression. Le nombre de cas en 1996 devrait utre en baisse par rapport á 1995. La période d'incubation de cinq ans explique la longue durée nécessaire á les mesures de lutte. La situation actuelle correspond amplement aux pronostics effectués en 1991/1992.
Summary
Based on macroepidemiologic analysis of 1994, there is evidence that the occurrence of BSE in Switzerland goes back to the direct and indirect import of potentially contaminated British feed compounds. Our 'feedban' for animal waste-derived protein which was put into effect on 1 December 1990, was immediately implemented as laboratory controls have shown. Today, in 1995, it can be observed for the first time that the gradient of the incidence rate curve is decreasing clearly and we expect a decrease of the number of cases in 1996 compared to 1995. The reason for the long duration between the start of the feedban and the visible effectiveness of this measure lays in the long BSE incubation time (about 5 years). In Great Britain too, the epidemic curve of BSE began to decline about five years after the feedban was put into effect. The current peak of the epidemic curve in Switzerland and the development of the incidence rate over the period of the past five years are in accordance to our expectations calculated in 1991/1992.
Literatur
1. Wilesmith, J.W., Wells, G.A.H., Cranwell, M.P. and Ryan, J.B.M.: Bovine spongiform encephalopathy: epidemiological studies. Vet. Rec. 123, 638-644 (1988).
2. Wilesmith, J.W., Ryan, J.B.M. and Atkinson, M.J.: Bovine spongiform encephalopathy: epidemiological studies in the origin. Vet. Rec. 128, 199-203 (1991).
3. Wilesmith, J.W., Ryan, J.B.M. and Hueston, W.D.: Bovine spongiform encephalopathy: case-control studies of calfs feeding practices and meat and bone meal inclusion in proprietary concentrates. Res. Vet. Sci. 52, 325-331 (1992).
4. Anonym. Bovine spongiform encephalopathy in Great Britain. A progress report. April 1995. MAFF, 3 Whitehall Place, London SW1A 2HH 1995.
5. Taylor, D.M.: Deactivation of BSE und Scrapie agents: Rendering and other UK studies. In: Bradley, R. and Marchant, B. (eds.) Transmissible spongiform encephalopathies, p.205-223. European Commission, Document VI/4131/94-EN 1994.
6. Hoinville, L.J., Wilesmith, J.W. and Richards, M.S.: An investigation of risk factors for cases of bovine spongiform encephalopathy born after the introduction of the "feed ban". Vet. Rec. 136, 312-318 (1995).
7. Pattison, I.H., Hoare, M.N., Jebett, J.N. and Watson, W.A.: Spread of scrapie to sheep and goats by oral dosing with foetal membranes from scrapie-affected sheep. Vet. Rec. 90, 465-468 (1972).
8. Middleton, D.J. and Barlow, R.M.: Failure to transmit bovine spongiform encephalopathy to mice by feeding them with extraneural tissues of affected cattle. Vet. Rec. 132, 545-547 (1993).
9. Greig, J.R.: Scrapie - observations on the transmission of the disease by mediate contact. Vet. J. 96, 203-206 (1940).
10. Pattison, I.H., Hoare, M.N., Jebett, J.N. and Watson, W.A.: Further observations on the production of scrapie in sheep by oral dosing with foetal membranes from scrapie-affected sheep. Brit. Vet. J. 130, 465-468 (1974).
11. Hörnlimann, B., Guidon, D. und Griot, C.: Risikoeinschätzung für die Einschleppung von BSE. Dtsch. tieraerztl. Wschr. 101, 295-298 (1994).
12. Hörnlimann, B. and Guidon, D.: Bovine spongiform encephalopathy (BSE): Epidemiology in Switzerland. In: Bradley, R. and Marchant, B. (eds.), Transmissible spongiform encephalopathies, p.13-24. European Commission, Document VI/4131/94-EN 1994.
13. Fankhauser, R., Vandevelde, M. und Zwahlen, R.: Scrapie in der Schweiz? Schweiz. Arch. Tierheilk. 124, 227-232 (1982).
14. Schreuder, B.E.C.: Animal spongiform encephalopathies - an update; part II. bovine spongiform encephalopathy (BSE). Veterinary Quarterly 16, 3, 182-192 (1994).
15. Wells, G.A.H., Dawson, M., Hawkins, S.A.C., Green, R.B., Dexter, I., Francis, M.E., Simmons, M.M., Austin, A.R. and Horigan, M.W.: Infectivity of the ileum of cattle challenged orally with bovine spongiform encephalopathy. Vet. Rec. 135, 40-41 (1994).
16. Hadlow, W.J., Kennedy, R.C., Race, R.E. and Eclund, C.M.: Virologic and histopathologic findings in dairy goats affected with natural scrapie. Veterinary Pathology. 17, 187-199 (1980).
17. Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel. BSE und Arzneimittel. Bulletin des BAG Nr. 38, 682-683 (1993).
18. Tätigkeitsbericht 1993-1994. FAG Posieux - Eidgenössische Forschungsanstalt für viehwirtschaftliche Produktion, S.42 (1995).

IN Die Autoren übernehmen die Aussagen älterer Publikationen zu unkritisch und kommen so aufgrund falscher Grundannahmen zu haltlosen Schußfolgerungen. So behaupten sie, dass für eine vertikale BSE-Übertragung kein statistisch signifikantes Risiko vorliege und verweisen auf die lächerliche Studie von Hoinville et al. [AFLN]. Erstens darf man nicht von einem nicht signifikanten Resultat einer Studie auf das tatsächliche Ausmaß eines Risikos schließen und zweitens sollte man sich die Studie genau ansehen. Hoinville et al. werteten Fallzahlen von zum Teil deutlich unter 10 statistisch aus und rechneten daraus auch noch Signifikanzen aus. Aus der Selbstverständlichkeit, dass sie keine signifikanten Ergebnisse bekamen, schlossen sie unsinnigerweise auf nicht vorhandene Zusammenhänge. Drittens sollte man immer überlegen, ob es nicht auch andere als die von den jeweiligen Autoren angebotenen Interpretationen gibt. Wenn wie im Falle von BSE nur ein kleiner Teil der infizierten Tiere erkrankt, dann können die Übertragungsrisiken für Kälber von erkrankten und nicht erkrankten Müttern natürlich nur wenig unterschiedlich sein. Es kann ja gut so sein, dass BSE nicht vertikal übertragen wird. Aber gezeigt wurde dies bisher so wenig wie das Gegenteil.
Die Objektivität der Autoren wird anscheinend durch eine Neigung zur Verharmlosung getrübt. Dies zeigen Formulierungen wie: "Die Möglichkeit der BSE-Übertragung von Tier zu Tier (horizontal) kann nach der Studie von Hoinville et al. nicht ganz ausgeschlossen werden" oder "... ist eine Infektiosität der bei der Geburt in die Umgebung ausgeschiedenen Nachgeburtsteile und -flüssigkeiten von an BSE erkrankten Tieren nicht feststellbar". Die horizontale Übertragung, kann nicht nur nicht ganz, sondern überhaupt nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil spricht gerade die angesprochene Studie [AFLN] eher dafür. Auch der Vergleich mit der viel besser untersuchten Scrapie sollte die Autoren eigentlich nachdenklich machen. Stattdessen verweisen sie aber lieber auf wissenschaftlich völlig irrelevante Fehlversuche bei der Übertragung des BSE-Erregers mit Plazenta-Material. Beweiskräftig sind höchstens positive Ergebnisse, wie die von Schafen bekannten.
Eigentlich müssten die Autoren auch wissen, dass das schweizerische ebenso wie das deutsche Verfahren zur Tierkörpermehlherstellung lediglich besser als das englische abreichern, ohne jedoch einen sicheren Schutz gegen Infektionen zu gewährleisten. Und warum erkennen nur so wenige Verantwortliche den Unterschied zwischen einer Infektion und einer tödlichen Infektion.
Wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist auch die wohl durch den Wunsch zur Problemverdrängung motivierte Behauptung: "Bei Scrapie sind, im Gegensatz zu BSE, unter anderem auch die Milz und der Thymus infektiös.". Die sehr begrenzte Empfindlichkeit der bisher eingesetzten Nachweisverfahren sollte den Autoren bekannt gewesen sein. Wenn die Kinder der Autoren nach kurzem Suchen ihre Pantoffeln für verschwunden erklären, dürften diese bei ihren Eltern wohl auf weniger blindes Vertrauen oder Leichtgläubigkeit stoßen.
Verräterisch ist auch die Formulierung "... theoretisch nicht ausschliessbaren Restrisiko einer Übertragung der BSE auf den Menschen". Spätestens seit der bekannte Übertragung von BSE auf einen Affen musste man dieses Risiko als erheblich und durfte es keinesfalls als theoretisch nicht ausschliessbares Restrisiko bezeichnen. Aus der Priontheorie folgt sogar zwingend, dass die Übertragung auf den Menschen möglich sein muß. Einfache chemische Reaktionen laufen nämlich immer mit Wahrscheinlichkeiten über 0 ab.
Da wundert es schon nicht mehr, wenn die Infizierbarkeit von Schweinen und die damit verbundenen Risiken unerwähnt bleiben. Für mich ist diese Arbeit keine Risikostudie, sondern eine enttäuschende und beunruhigende Beruhigungspille. Sie läßt wissenschaftliche Skepsis und Unbestechlichkeit vermissen.
Literatur
AFLN . Hoinville,L.J.; Wilesmith,J.W.; Richards,M.S. - An investigation of risk factors for cases of bovine spongiform encephalopathy born after the introduction of the 'feed ban' - Veterinary Record 1995 Apr 1; 136(13): 312-8

AD Prof.Dr.med.vet. Ueli Kihm, Direktor des Bundesamtes für Veterinärwesen, Bundesamt für Veterinärwesen, Liebefeld / Bern, Beat Hörnlimann und Dagmar Heim, Bundesamt für Gesundheitswesen, Abt. Epidemiologie, Bern und Institut für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe, Mittelhäusern, Kommentare und Fragen an bse-info@ivi.ch bzw. Tel. 031 323 03 03 Bern-Liebefeld, 27.3.96

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