NR AEID
AU Gajdusek,D.C.
TI Unconventional viruses and the origin and disappearance of kuru
QU Nobel Lecture, December 13, 1976, published in Science 1977 Sep 2; 197(4307): 943-60
IA http://nobelprize.virtual.museum/nobel_prizes/medicine/laureates/1976/gajdusek-lecture.pdf
PT journal article
IN
In seiner Dankesrede zur Verleihung des Nobelpreises am 13. Dezember 1976 erklärte D. Carleton Gajdusek, Kuru sei die erste chronisch degenerative Krankheit des Menschen gewesen, bei der man habe zeigen können, dass ein "slow virus" die Ursache sei. Dabei waren ihm offenbar die mit den ungewöhnlichen biologischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften begründeten Zweifel an der viralen Natur des infektiösen Agens und Alternativmodelle bekannt, obwohl er entsprechende Zitate leider unterschlägt. Er wußte auch, dass es im Gegensatz zu Kuru bei tatsächlich slow-virus-bedingten Krankheiten Entzündungen im Gehirn und Reaktionen des Immunsystems gibt und auch in seinem Labor waren intensive Bemühungen um die Isolation eines Virus erfolglos. Er sah aber noch genügend Gründe, den Erreger ein Virus zu nennen. Ein Photo von dem vermeintlichen Kuru-Virus wäre allerdings ein überzeugenderer Beweis gewesen, als der Scheck des zu Irrtümern neigenden Nobelpreis-Komitees. Vielleicht glaubte man im so bereitwillig und erkannte ihm den Preis zu, weil, wie er ausführte, kurz nach der Proklamation eines "slow virus" als Ursache von Kuru, tatsächlich einige Erkrankungen auf weit zurückliegende, virale Infektionen mit ganz anderen akuten Symptomen zurückgeführt werden konnten. So ehrte man anscheinend den Falschen als Entdecker einer neuen Gruppe menschlicher Krankheiten, die allerdings nach seinen eigenen Worten bei Tieren längst bekannt waren.
Gajdusek bemühte sich um eine Relativierung der außerordentlichen Resistenz der Scrapie-Infektiosität gegenüber ultravioletter Strahlung mit dem Argument, dass das kleinste bekannte RNA-Virus zwar nicht in gereinigter Form, aber doch immerhin im Pflanzensaft sogar noch strahlungsresistenter sei.
Der Autor führt eine lange Reihe von Primaten an, die sich im Experiment als empfänglich für Kuru, CJK, Scrapie und Nerz-TSE erwiesen. Leider ist diese Tabelle nicht vollständig interpretierbar, weil eine Legende mit Erklärungen und Daten fehlt. Es wird aber deutlich, dass Schimpansen besonders leicht, verschiedene mit dem Menschen weniger verwandte Primaten schon weniger leicht und mit längeren Inkubationszeiten infiziert wurden. Nach vielen vergeblichen Übertragungsversuchen mit anderen Tierarten gelang es schließlich auch mit Nerz und Frettchen. Mit Hirnen von CJK-Patienten gelang der Gruppe des Autors eine Übertragung nicht nur auf verschiedene Affenarten, sondern auch auf eine Hauskatze (Inkubationszeit 30 Monate) und Meerschweinchen. In der zweiten Passage verkürzten sich die Inkubationszeiten bei Katzen auf 19, 19, 21, bzw. 24 Monaten. Bei Hamstern und Mäusen war die Gruppe des Autors mit Kuru und CJK nicht erfolgreich.
CJK-infizierte Affen starben teilweise nach nur wenigen Tagen Krankheit oder sogar ohne vorher beobachtete Symptome.
Mit Hirnhomogenat (5%) von einem Patienten übertrug man die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch intrazerebrale Inokulation auf 2 Schimpansen (Inkubationszeiten 12 bzw. 13 Monate), einen Kapuzineraffen (Unterfamilie Cebinae, capuchin) (Inkubationszeit 31 Monate) und einen Krallenaffen (Unterfamilie Callitrichidae, marmoset) (Inkubationszeit 43 Monate) übertragen. Mit Hirnhomogenat eines anderen Patienten übertrug man die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch intrazerebrale Inokulation auf 1 Schimpansen (Inkubationszeit 13 Monate) und eine Katze (Inkubationszeit 30 Monate). Mit Hirnhomogenat von einem selbst mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit infizierten Schimpansen wiederum übertrug man die Krankheit durch intrazerebrale Inokulation auf 3 Schimpansen (Inkubationszeiten 10, 13 bzw. 14 Monate), 1 grüne Meerkatze (Cercopithecus aethiops, African green) (Inkubationszeit 14 Monate), 2 Totenkopfaffen (Saimiri, squirrel monkey) (Inkubationszeiten 19, bzw. 21 Monate), 1 Rhesus-Affen (Macaca mulatta, Rhesus) (Inkubationszeit 60 Monate), 1 Bären- oder Stumpfschwanzmakak (Macaca arctoides, Stump-tailed macaque) (Inkubationszeit 60 Monate), 1 Javaneraffen bzw. Langschwanzmakak (Macaca fascicularis, Crab-eating Macaque, Cynomolgus Monkey oder Long-tailed Macaque) (Inkubationszeit 60 Monate). 1 Halsbandmangabe (Cercocebus torquatus, Collared oder Sooty mangabey) und ein Schweinsaffe (Macaca nemestrina, Pig-tailed macaque) wurden, vermutlich nach 60 Monaten, ohne erkennbare Symptome getötet und erwiesen sich erst in der histopathologischen Untersuchung als infiziert. Mit Hirnhomogenat der 3 Schimpansen der zweiten Passage (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) übertrug man die Krankheit durch intrazerebrale Inokulation in einer dritten Passage auf 2 Schimpansen (Inkubationszeiten 12 bzw. 13 Monate), 1 Geoffroy-Klammeraffen (Ateles geoffroyi, Spider monkey) (Inkubationszeit 24 Monate), 2 Kapuzineraffen (Unterfamilie Cebinae, capuchin) (Inkubationszeiten 28 bzw. 35 Monate), 2 Rhesus-Affen (Macaca mulatta, Rhesus) (Inkubationszeit 43 bzw. 52 Monate), sowie 6 Totenkopfaffen (Saimiri, squirrel monkey) (Inkubationszeiten von 21, 22, 3x24, bzw. 47 Monaten). Mit dem Hirnhomogenat eines Schimpansen der dritten Passage (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit) übertrug man die Krankheit durch intrazerebrale Inokulation noch in drei weiteren Passagen 2 Schimpansen (Inkubationszeiten 11, 11,5, 12,5, 13 bzw. 16 Monate).
Viel kann man allerdings mit diesen Angaben zu den Inkubationszeiten nicht anfangen, weil der Autor zwar die Konzentrationen, nicht aber die injizierten Mengen der Hirnhomogenate angibt.
Tabellarisch gab es folgende erfolgreiche Übertragungen mit den Inkubationszeiten in Monaten:
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit-Übertragungen
Mensch (CJK) Schimpanse (CJK)
Schimpanse 12, 13, 13 10, 11, 11,5, 12,
12,5, 13, 13 13,
14, 16
Kapuzineraffe, 31 28, 35
(Unterfamilie
Cebinae,
capuchin)
Krallenaffe, 43
(Unterfamilie
Callitrichidae,
marmoset)
Hauskatze 30
grüne Meerkatze 14
(Cercopithecus
aethiops,
African green)
Totenkopfaffe 19, 21, 21, 22,
(Saimiri, 24, 24, 24, 47
squirrel monkey)
Rhesus-Affe 43, 52, 60
(Macaca mulatta,
Rhesus)
Bären- oder 60
Stumpfschwanzmakak
(Macaca arctoides,
Stump-tailed macaque)
Javaneraffe bzw. 60
Langschwanzmakak
(Macaca fascicularis,
Crab-eating Macaque,
Cynomolgus Monkey
oder Long-tailed
Macaque)
Geoffroy-Klammeraffe 24
(Ateles geoffroyi,
Spider monkey)
Halsbandmangabe neahei
(Cercocebus torquatus,
Collared oder Sooty
mangabey)
Schweinsaffe neahei
(Macaca nemestrina,
Pig-tailed macaque)
neahei = nicht erkrankt, aber histologisch erkennbar infiziert
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Scrapie-Übertragungen
Schaf Ziege Maus Totenkopfaffe Javaneraffe
Maus 13 7 4, 4,
4, 4
4
Schaf 13, 13
Ziege x 13, 13,5
Geoffroy-Klammeraffe 38
(Ateles geoffroyi,
Spider monkey)
Totenkopfaffe 31 14,14 35, 35
(Saimiri, 31
squirrel monkey) 33
Javaneraffe bzw. 73 65 27
Langschwanzmakak
(Macaca fascicularis,
Crab-eating Macaque,
Cynomolgus Monkey
oder Long-tailed
Macaque)
Kapuzineraffe, 32, 35,5
(Unterfamilie
Cebinae,
capuchin)
Rhesus-Affe 30, 37
(Macaca mulatta,
Rhesus)
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Der Autor meint, dass Kuru hauptsächlich über die Schleimhäute von Augen, Mund und Nase, oder durch Verletzungen der Haut übertragen wurde, weil die Fore zwar Fleisch kochten, sich aber selten oder nie wuschen. Die Frauen öffneten die Schädel verstorbener Angehöriger, aber Gajdusek verrät leider nicht, was sie dann mit dem Gehirn taten. Er spricht von rituellem Kannibalismus, aber was soll das sein? Auf jedenfall kamen dabei die verwandten Frauen, ihre Töchter und ihre kleinen Söhne mit dem hochinfektiösen Material in Berührung. Die Männer und halbwüchsigen Jungen lebten und aßen getrennt von den Frauen und beteiligten sich selten an der Beerdigungszeremonie.
Leider nur graphisch zeigt der Autor, dass in den benachbarten Bergtälern mit 160 Dörfern und wenig mehr als 35.000 Einwohnern die Frauen zu Beginn der Aufzeichungen im Jahr 1957 etwa fünfmal so häufig von Kuru betroffen waren, wie Männer. Aber auch Kinder und sogar Kleinkinder beiderlei Geschlechts erkrankten damals oft an Kuru. Das in verschiedenen Dörfern zwischen 1957 und 1962 eingeleitete Ende des hauptsächlich von Frauen als Trauerritus für Verwandte praktizierten Kannibalismus wirkte jedoch bei den Frauen und ihren Kindern viel schneller und stärker als bei den Männern, sodaß die Häufigkeit von Kuru bis 1975 bei den Frauen fast bis auf die Inzidenz der Männer abnahm. Dies könnte eine Folge deutlich kürzerer Inkubationszeiten aufgrund viel höherer Dosen aufgenommener Infektiosität bei den Frauen gewesen sein. Insgesamt nahm die jährliche Kuru-Sterblichkeit von 1957 bis 1959 noch leicht zu und danach bis 1975 auf weniger als ein Fünftel ab und es soll bis dahin kein nach dem Ende des Kannibalismus geborenes Kind an Kuru erkrankt sein.
In Gehirnen von Kuru-Patienten fand man nach den Angaben des Autors 10^8 infektiöse Einheiten pro Gramm, aber er vergaß zu erwähnen, um was für Einheiten es sich dabei handelte. Eigentlich kann es sich kaum wirklich um infektiöse Einheiten, sondern eher um LD50-Einheiten gehandelt haben und natürlich kann diese Angabe auch nur für eine bestimmte Empfänderspezies und eine bestimmte Aplikationsform gelten. Aber ein Nobelpreisträger muß ja nicht alles wissen und verstehen. Jedenfalls fand man in welchen Übertragungsexperimenten auch immer, nur selten Kuru-Infektiosität in Leber oder Milz und überhaupt keine in Blut, Urin, Leukozyten, Cerebrospinalflüssigkeit, Plazenta, oder embryonalen Membranen.
Bei seinen Übertragungsexperimenten lernte der Autor, dass das selbe infektiöse Agens in verschiedenen Affenarten unterschiedliche Hirnregionen bevorzugt schädigte.
In einem Schema zeigt Gajdusek, dass er die nicht bewiesene Übertragung von Scrapie auf Menschen für möglich hält.
In seiner Dankesrede zur Verleihung des Nobelpreises am 13. Dezember 1976 erklärte D. Carleton Gajdusek auch, dass bis dahin keine Übertragung menschlicher oder tierischer TSEs mit Blut gelang. Dennoch übertrug seine Arbeitsgruppe 3 Schimpansen je 300 ml Blut von einem Creutzfeldt-Jakob-Patienten. Das Ergebnis dieses Experimentes stand noch aus.
MH Adolescent; Adult; Animal; Brain/microbiology; Cannibalism; Child; Creutzfeldt-Jakob Syndrome/etiology/microbiology/transmission; Dementia/etiology; Encephalitis, Arbovirus/etiology; Female; Human; Kuru/*etiology/genetics/microbiology/transmission; Male; New Guinea; Pan troglodytes; Pedigree; Prions; Scrapie/etiology; Sheep; Slow Virus Diseases/etiology; Viruses, Unclassified/isolation & purification
SP englisch
PO USA
EA Nobelpreis-Vorlesung und Science-Artikel
OR Prion-Krankheiten G
ZF kritische Zusammenfassung von Roland Heynkes