Was ich fachfremd mit meinen Fünftklässlern und ihrem Politikbuch erarbeiten musste.
Roland Heynkes 1.10.2015, CC BY-SA-4.0 DE
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Politik ist das Diskutieren von Werten und das Aufstellen von Regeln für das Zusammenleben vieler Menschen. Das kann so funktionieren, dass ein freundlicher König, oder ein fieser Diktator einfach die Regeln aufstellt und seine Untertanen mit Hilfe von Soldaten oder Polizisten oder Geheimagenten zwingt, seine Regeln zu befolgen. In einer Demokratie dürfen im Gegensatz zu einer absoluten Monarchie oder Diktatur die Bürger mehr oder weniger viel mitbestimmen.
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Als Beispiele für Werte fanden wir Ruhe, den Schutz der eigenen Wohnung, Tierschutz, Kinderrechte, ein Recht auf Bildung, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Leben, Freiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und vor allem die Menschenwürde. Sie wurden teilweise als Staatsziele ins Grundgesetz geschrieben. Im Grundgesetz stehen die wichtigsten Werte unserer Gesellschaft und Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger. Deshalb dürfen auch Bundesregierungen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen und es auch nicht einfach ändern. Die Bundesregierung muss Gesetze machen, die den Staatszielen dienen. Für uns bedeutet das Recht auf Menschenwürde, dass wir uns gegenseitig mit Respekt behandeln sollen, weil auch wir selber mit Respekt behandelt werden wollen. Mit besonderem Respekt müssen Vertreter des Staates wie Polizisten, Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter behandelt werden, die für uns alle arbeiten und dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft funktioniert.
Politische Botschaften übermitteln Wünsche, Forderungen oder Meinungen zu Werten oder Regeln für das Zusammenleben. (S.8)
Man könnte meinen, bei der Festlegung von Werten und Regeln komme es vor allem auf das Ergebnis an. Wäre es so, dann bräuchte man keine Mitbestimmung, sondern müsste die Regeln einfach von den klügsten und wohlmeinendsten Menschen festlegen lassen. Aber schon Kinder wollen von Jahr zu Jahr mehr selbst entscheiden, selbst wenn ihre Eltern viel erfahrener sind und nur das Beste für ihre Kinder wollen. Dabei geht es den Kindern nicht nur um für sie bessere Entscheidungen, sondern sie wollen einfach nicht mehr wie kleinere, unselbständige Kinder behandelt werden. Letztlich geht es um Respekt und damit um ihre Menschenwürde. Denn die Menschenwürde wird verletzt, wenn ein Mensch weniger entscheiden darf, als er entscheiden könnte. Deshalb möchten Erwachsene nicht wie Kinder und Kinder nicht wie Babies behandelt werden.
Trotzdem können selbst Erwachsene nur sehr wenig wirklich mitbestimmen. Die Gesetze werden von Politikern und nicht von den Bürgern gemacht. Und die Bürger können nicht einmal bestimmen, welche Politiker die Gesetze machen sollen. Das entscheiden die Parteien und die Wähler können nur bei Wahlen mitentscheiden, wieviel Abgeordnete eine Partei ins Parlament schicken darf. Immer mehr Menschen sind deswegen enttäuscht und zunehmend wütend. Sie fühlen sich nicht ernstgenommen und viele wollen nicht einmal mehr wählen.
Die meisten Politiker und Journalisten und sogar viele Bürgerinnen und Bürger glauben, mehr Mitbestimmung sei nicht möglich. Dafür finden sie viele Gründe. Sie meinen,
Mitbestimmung kann teuer, kompliziert und schwierig sein, aber sie bleibt ein Menschenrecht. Und wer käme auf die Idee, kranken Menschen eine Zahnarzt- oder Krebsbehandlung zu verweigern, nur weil sie teuer, kompliziert und schwierig sind? Mitbestimmung ist ein wichtiger Wert und man muss einfach nach Möglichkeiten suchen, wie man möglichst viel Mitbestimmung möglich machen kann. Wir suchen gemeinsam nach neuen Lösungen.
In Deutschland wird Politik auf verschiedenen Ebenen gemacht:
Es gibt die Landwirtschaft und die Gastwirtschaft, in der man beim Wirt etwas zu essen und zu trinken bestellen kann. Die Landwirtschaft produziert und die Gastwirtschaft tut etwas, was Menschen brauchen oder zumindest haben wollen. Zur Wirtschaft gehören aber auch alle Fabriken, Arztpraxen, Geschäfte und Banken sowie deren Kunden. Es gibt sogar die Recycling-, Abfall- und Abwasserwirtschaft, die sich um die Entsorgung von dem kümmert, was nicht mehr gebraucht wird.
Allgemein geht es in der Wirtschaft darum, dass (fast) jeder irgendetwas für andere Menschen nützliches leistet und als Gegenleistung von den Leistungen anderer Menschen profitieren kann. |
Zum Wirtschaftlichen gehört alles, was außerhalb des Privaten mit dem Austausch von Dingen oder Leistungen zu tun hat, die Menschen haben wollen. Hauptsächlich geht es also um das Herstellen, Verkaufen und Kaufen von Produkten sowie um das Leisten und Inanspruchnehmen (nutzen) von Arbeit (Dienstleistungen). Zur Wirtschaft gehören aber auch Ausbildung, Werbung und Entsorgung. (S.8)
Akteure (Handelnde) der Wirtschaft sind zum Beispiel Konsumenten, Produzenten wie Bauern und Fabriken sowie Dienstleister wie Verkehrsbetriebe (Bahn und Busse), Restaurants oder Händler (Kaufhäuser, Supermärkte, Discounter, Baumärkte).
Journalisten und Buchautoren verdienen mit ihrer Arbeit Geld und sind deshalb Teil der Wirtschaft. Andererseits mischen sie sich mit ihren Berichten und Kommentaren aber auch in die Politik ein. In die Politik mischen sich auch einflussreiche Vertreter der Wirtschaft ein und oft wechseln Politiker zwischen Politik und Wirtschaft hin und her. Außerdem gehört es zu den Aufgaben der Politik, mit Regeln in der Wirtschaft Betrug und Ausbeutung zu verhindern. Wirtschaft und Politik sind also eng miteinander verbunden und voneinander abhängig. Politiker hätten nichts zu verteilen, wenn die Wirtschaft nicht für Steuereinnahmen sorgen würden. Und die Wirtschaft könnte nicht funktionieren, würden nicht die Politiker für funktionierende Straßen, Kindergärten, Schulen, Universitäten und die Versorgung mit Wasser und Strom sorgen. Politik schafft Infrastruktur für die Wirtschaft und sorgt mit Gesetzen und Polizisten für Sicherheit. (S.8)
Bürgerinnen und Bürger können von ihrem Recht auf Mitbestimmung nur sinnvoll Gebrauch machen, wenn sie über anstehende Entscheidungen gut informiert sind. Dafür benötigen sie Informationen, über die oft nur die Regierungen verfügen. Leider neigen Regierungen dazu, ihr Wissen für sich zu behalten. Nichtregierungs-Organisationen fordern daher von Regierungen, ihr Wissen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu teilen. Jeweils am 28. September erinnern sie mit dem Right to know day an diese Forderung.
Neben Politik und Wirtschaft gibt es auch noch das Private abseits der Öffentlichkeit. Solange wir keine Gesetze brechen, geht es Wirtschaft und Politik nichts an, was wir alleine, in unseren Familien oder mit Freunden tun. Wir sollten das auch nicht freiwillig in die Öffentlichkeit tragen, indem wir in aller Öffentlichkeit laut telephonieren oder peinliche Bilder von uns per e-mail oder in sozialen Netzwerken verbreiten. Unsere Privatsphäre wird durch Gesetze geschützt, aber wir müssen sie auch selbst schützen.
Eine vollständige Trennung des Privaten von Politik und Wirtschaft ist allerdings auch nicht möglich. So müssen Staat und Wirtschaft private Probleme der Menschen beispielsweise bei der Kinderbetreuung oder mit weiten Wegen zur Arbeit berücksichtigen. Und in den Schulen lernen Kinder und Jugendliche nicht nur für ihre eigenen beruflichen Chancen, sondern auch für die Wirtschaft sowie den wirtschaftlichen und politischen Erfolg der ganzen Gesellschaft. Kein Mensch kann nur privat leben. Zum Überleben und erst recht für ein gutes Leben brauchen wir die Unterstützung vieler anderer Menschen.
Im Gegensatz zu Frankreich haben wir in Deutschland auch keine vollständige Trennung von Staat und Kirchen. Immerhin ist es aber seit dem 1648 in Münster und Osnabrück geschlossenen Westfälischen Frieden Privatsache, welcher Religion ein Mensch angehören möchte. Im Prinzip darf in Deutschland niemand wegen seiner Religion diskriminiert werden. Das gilt allerdings nicht in Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten, die zwar weitgehend vom Staat bezahlt, aber von einer Kirche geführt werden. Das ist zwar nicht perfekt, hat aber immerhin seit dem 30-jährigen Krieg ein friedliches Zusammenleben von Katholiken und Evangelischen ermöglicht. Seit dem Ende des nationalsozialistischen Terrors leben auch Juden eigentlich gleichberechtigt in Deutschland. Sie erleben aber nicht selten Anfeindungen und manchmal sogar Anschläge durch extreme Rechte, Linke und Islamisten.
Muslime kamen vor allem zwischen 1961 und 1973 als Arbeitskräfte, später hauptsächlich als Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland. Weil diese Zuwanderungen von Regierungen und Geflüchteten anfangs als vorübergehend betrachtet wurden, gab es kaum Bemühungen um Integration. Die gemeinsame Arbeit half, aber auf dem Wohnungsmarkt gab und gibt es Diskriminierung. Deshalb zogen viele Muslime in sozial schwächere Stadtviertel, was die Integration weiter erschwerte. Aber ihre Religion übten die vor allem aus der Türkei als Arbeitskräfte und deren Angehörige zugewanderten Muslime sehr unauffällig aus. Konflikte mit anderen Religionsgemeinschaften und den vielfach nicht religiösen Deutschen gab es lange praktisch nicht. Inzwischen ist aber unter jüngeren Muslimen ein Erstarken des politischen Islam mit zunehmender religiöser Intoleranz, Dominanzverhalten und Gewaltbereitschaft zu beobachten. Dazu tragen ungelöste internationale Konflikte, traumatische Kriegs- und Fluchterfahrungen, überforderte deutsche Infrastruktur und Sozialsysteme, sehr konservative Moscheevereine und Koranschulen, Hassprediger und das Gefühl bei, national und international diskriminiert zu werden. Zwar werden in Deutschland Muslime nicht als solche diskriminiert, aber sie gehören überproportional häufig zu denen, die es in Deutschland schon in der Schule und später auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, weil sie die deutsche Sprache nicht gut beherrschen, keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzen oder aus bildungsfernen Familien stammen. Daraus resultieren Mißerfolge und Frustration, die anfällig machen für Gemeinschaften, in denen man allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Gang, einem Klan, einer extremen Partei oder einer radikalen Religionsgemeinschaft scheinbar gleichberechtigt respektiert wird und die einem ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Außenstehenden vermitteln. Man wertet sich selbst auf, indem man beispielsweise Frauen, Homosexuelle, Andersgläubige oder Ungläubige betont respektlos behandelt. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime Aiman Mazyek hat daher gefordert, allen nach Deutschland einwandernden Muslimen eine in ihre Sprache übersetzte Fassung des deutschen Grundgesetzes zu geben und ihnen zu erklären, dass Gleichberechtigung und Religionsfreiheit in Deutschland für Alle gelten.
Kein Mensch ohne jede Unterstützung durch andere Menschen leben. Politik braucht man aber erst, wenn viele Menschen zusammenleben - also in einer Stadt. Deshalb stammt das Wort Politik vom griechischen Wort für Stadt. Gemeint waren damit aber nicht die Gebäude der Stadt, sondern deren Einwohner - also die Bürger einer Gemeinde oder Stadt.
Der griechische Philosoph Aristoteles nannte den Menschen ein Zoon politicon, also ein politisches Tier. Er meinte damit, dass der Mensch von Natur aus Politik brauche. Es ist tatsächlich so, wenn viele Menschen zusammenleben. Und es müssen viele Menschen zusammen leben, wenn sie in einer leistungsfähigen Zivilisation leben wollen.