Meine Zusammenfassung des BgVV-Seminars


Tierärztliche Überwachung der BSE-Vorsorgemaßnahmen bei der Fleischgewinnung


am 07. und 08. November 2001 im BgVV in Berlin

Dr. Ingrid Schütt-Abraham


13. November 2001

Auf der BgVV-Veranstaltung, an der neben der Zielgruppe der amtlichen Tierärzte auch Vertreter der Zulassungsbehörden, der obersten Landesbehörden, der Veterinärmedizinischen Fakultäten, des Schweizer Bundesamtes für Veterinärwesen, der Steiermärkischen Landesregierung und der Schlachtwirtschaft teilnahmen, wurden die mit den BSE-Vorbeugemaßnahmen bei der Schlachtung zusammenhängenden Probleme aus Sicht von Wissenschaft und Praxis dargelegt und mit den weit über 200 Teilnehmern lebhaft und teils kontrovers diskutiert.

Meine persönlichen Schlussfolgerungen aus dieser Veranstaltung sind:

Gliederung


Erregerkenntnis

BSE-Vorbeugemaßnahmen sind unter Berücksichtigung der vorhandenen Kenntnisse über den BSE-Erreger zu erlassen.

Wenn die Prion-Hypothese richtig ist - und derzeit sprechen die Indizien dafür - muss dies zu Konsequenzen hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen führen, da es

Kontaminationsrisiken im Schlachtablauf

Derzeit bestehende Kontaminationsrisiken im Schlachtablauf sind nicht sofort zu beseitigen, verlangen aber mittelfristig Veränderungen der Schlachttechnik.

Bei der Schlachtung derzeit noch bestehende Kontaminationsrisiken (innere Kontamination durch den penetrierenden Bolzenschuss, oberflächliche Kontamination beim Bolzenschuss und Kopfabsetzen, insbesondere auch der Kopfbearbeitung und Spaltung der Tierkörper vor Entfernung des Rückenmarks sowie die Kontamination des Abwassers mit ZNS-Gewebsfragmenten) müssen beseitigt werden. Alternative Verfahren wie die Elektrobetäubung und das Absaugen des Rückenmarks vor Spaltung der Tierkörper sind allerdings noch nicht uneingeschränkt praxistauglich. Das zusammenhängende Entfernen von Kopf und Wirbelsäule unter Verzicht auf die Spaltung der Tierkörper würde ein Kontaminationsrisiko ausschließen, schränkt jedoch die Untersuchungsmöglichkeiten bei der Fleischuntersuchung am Band ein.

Ausweitung der SRM-Definition

Die Einstufung als SRM sollte auf den gesamten Wiederkäuerkopf (einschließlich Zunge, sofern sie nicht kontaminationsfrei entnommen werden kann) ausgedehnt werden. Bei Tieren, die mit dem penetrierenden Bolzenschuss betäubt wurden, sollten darüber hinaus auch Blut, Herz und Lunge zu SRM erklärt werden.

Beim Absetzen des Kopfes und beim penetrierenden Bolzenschuss wird die Schädelhöhle eröffnet. Eine Oberflächenkontamination des Kopfes mit ZNS-Material bei der Weiterbehandlung des Kopfes ist damit unvermeidlich. Dieses Risiko wird durch Entfernung des gesamten Kopfes als SRM beseitigt. Die Entfernung von Blut, Herz und Lunge als SRM würde darüber hinaus zumindest das Risiko durch nicht-kapillargängige ZNS-Fragmente, die bei der Bolzenschussbetäubung in den Kreislauf eindringen können, eliminieren.

Entfernung der Wirbelsäule

SRM müssen grundsätzlich im Schlachtbetrieb entfernt werden, Wirbelsäulen spätestens auf der Stufe der Zerlegungsbetriebe. Eine Entfernung der Wirbelsäule auf späteren Handelsstufen ist amtlicherseits nicht mehr kontrollierbar.

Nach den auf dem Seminar vorgetragenen Erfahrungen aus der Praxis ist angesichts der großen Zahl der Betriebe auf der Verarbeitungs- und der Einzelhandelsstufe und der begrenzten amtlichen Personalkapazität eine sichere Überwachung der Entfernung und des Verbleibs der SRM höchstens bis zur Stufe der Zerlegungsbetriebe möglich. Entfernung und Verbleib der SRM müssen dabei durchgehend bis zur Verbrennung dokumentiert werden. Dies schließt eine Plausibilitätsprüfung der anfallenden Mengen ein, wie sie bereits bei voraufgegangenen EG-Kontrollen gefordert wurde.

Reinigung und Desinfektion

Im Schlachtbetrieb ist eine den BSE-Erreger sicher inaktivierende Desinfektion nicht überall möglich. Einer gründlichen Reinigung zur Beseitigung von Eiweiß- und Fettresten von allen Oberflächen kommt daher besondere Bedeutung zu.

Die vollständige Inaktivierung von BSE-Erregern auf allen im Schlachtablauf kontaminierten Oberflächen ist so gut wie unmöglich, da es viele Oberflächen gibt, die aus verschiedenen Gründen mit dem Desinfektionsmittel nicht ausreichend intensiv und lange genug in Kontakt gebracht werden können. So können zwar Sägeblätter in Desinfektionsmittel eingelegt werden, nicht aber die Sägengehäuse mit ihrer eingebauten Elektronik. Entsprechendes gilt für den Bolzenschussapparat: der aus Metall bestehende Bolzen kann desinfiziert werden, nicht aber das von ihm beim Zurückziehen kontaminierte Innere des Laufes und die darin befindlichen beweglichen Teile wie Gummipuffer oder Rückstellfedern.

BSE-Untersuchung im Herkunftsbestand

Über 24 Monate alte Rinder sollten bereits im Herkunftsbestand vor der Abgabe zur Schlachtung auf das Vorliegen BSE-verdächtiger Symptome untersucht werden. Die Untersuchung sollte in einem Begleitdokument belegt werden.

Rinder, die sich aufgrund ihres Alters bereits in einem fortgeschrittenen BSE-Inkubationsstadium befinden können, sollten bereits im Herkunftsbestand vor der Abgabe zur Schlachtung einer klinischen Untersuchung auf BSE-verdächtige Anzeichen unterzogen werden. Nur Tiere ohne neurologische Symptome sollten zur Normalschlachtung gelangen. Das Ergebnis dieser Untersuchung sollte in einem Dokument, welches das Schlachttier begleitet und dem amtlichen Tierarzt bei der Schlachttieruntersuchung vorgelegt werden muss (beispielsweise dem Rinderpass), bescheinigt werden.

BSE-Tests am lebenden Tier

Die Entwicklung von BSE-Tests am lebenden Tier sollte gefördert werden.

Die Forschung zur Entwicklung von Tests, mit denen eine BSE-Infektion bereits im Frühstadium am lebenden Tier erkannt werden kann, sollte gefördert werden, um das Risiko, dass infizierte Tiere unerkannt in die Nahrungskette gelangen, zu reduzieren.

BSE-Schutzmaßnahmen

BSE-Schutzmaßnahmen sollten grundsätzlich EG-einheitlich sein. Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall im nationalen Bereich strengere Maßnahmen gerechtfertigt sein können.

Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, müssen Maßnahmen zur Reduzierung des BSE-Risikos für Verbraucher und Nutztierbestände EG-weit einheitlich vorgeschrieben sein. Die derzeit in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Verordnungen reduzieren das bei der Schlachtung bestehende Kontaminationsrisiko jedoch nicht so weit, wie es möglich wäre. Da die EG-Verordnungen diesbezüglich nur Mindestanforderungen stellen, besteht jedoch Spielraum für schärfere nationale Empfehlungen. Nach den EG-Vorgaben in anderen Mitgliedstaaten gewonnenes Fleisch kann zwar nicht vom deutschen Markt fern gehalten werden. Fleisch, das entsprechend strengeren nationalen Vorgaben gewonnen würde, wäre jedoch mit einem geringeren BSE-Risiko behaftet und könnte dementsprechend beworben werden.

Copyright Dr. Ingrid Schütt-Abraham


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