Dr. Ingrid Schütt-Abraham
13. November 2001
Auf der BgVV-Veranstaltung, an der neben der Zielgruppe der amtlichen Tierärzte auch Vertreter der Zulassungsbehörden, der obersten Landesbehörden, der Veterinärmedizinischen Fakultäten, des Schweizer Bundesamtes für Veterinärwesen, der Steiermärkischen Landesregierung und der Schlachtwirtschaft teilnahmen, wurden die mit den BSE-Vorbeugemaßnahmen bei der Schlachtung zusammenhängenden Probleme aus Sicht von Wissenschaft und Praxis dargelegt und mit den weit über 200 Teilnehmern lebhaft und teils kontrovers diskutiert.
Meine persönlichen Schlussfolgerungen aus dieser Veranstaltung sind:
Wenn die Prion-Hypothese richtig ist - und derzeit sprechen die Indizien dafür - muss dies zu Konsequenzen hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen führen, da es
Bei der Schlachtung derzeit noch bestehende Kontaminationsrisiken (innere Kontamination durch den penetrierenden Bolzenschuss, oberflächliche Kontamination beim Bolzenschuss und Kopfabsetzen, insbesondere auch der Kopfbearbeitung und Spaltung der Tierkörper vor Entfernung des Rückenmarks sowie die Kontamination des Abwassers mit ZNS-Gewebsfragmenten) müssen beseitigt werden. Alternative Verfahren wie die Elektrobetäubung und das Absaugen des Rückenmarks vor Spaltung der Tierkörper sind allerdings noch nicht uneingeschränkt praxistauglich. Das zusammenhängende Entfernen von Kopf und Wirbelsäule unter Verzicht auf die Spaltung der Tierkörper würde ein Kontaminationsrisiko ausschließen, schränkt jedoch die Untersuchungsmöglichkeiten bei der Fleischuntersuchung am Band ein.
Beim Absetzen des Kopfes und beim penetrierenden Bolzenschuss wird die Schädelhöhle eröffnet. Eine Oberflächenkontamination des Kopfes mit ZNS-Material bei der Weiterbehandlung des Kopfes ist damit unvermeidlich. Dieses Risiko wird durch Entfernung des gesamten Kopfes als SRM beseitigt. Die Entfernung von Blut, Herz und Lunge als SRM würde darüber hinaus zumindest das Risiko durch nicht-kapillargängige ZNS-Fragmente, die bei der Bolzenschussbetäubung in den Kreislauf eindringen können, eliminieren.
Nach den auf dem Seminar vorgetragenen Erfahrungen aus der Praxis ist angesichts der großen Zahl der Betriebe auf der Verarbeitungs- und der Einzelhandelsstufe und der begrenzten amtlichen Personalkapazität eine sichere Überwachung der Entfernung und des Verbleibs der SRM höchstens bis zur Stufe der Zerlegungsbetriebe möglich. Entfernung und Verbleib der SRM müssen dabei durchgehend bis zur Verbrennung dokumentiert werden. Dies schließt eine Plausibilitätsprüfung der anfallenden Mengen ein, wie sie bereits bei voraufgegangenen EG-Kontrollen gefordert wurde.
Die vollständige Inaktivierung von BSE-Erregern auf allen im Schlachtablauf kontaminierten Oberflächen ist so gut wie unmöglich, da es viele Oberflächen gibt, die aus verschiedenen Gründen mit dem Desinfektionsmittel nicht ausreichend intensiv und lange genug in Kontakt gebracht werden können. So können zwar Sägeblätter in Desinfektionsmittel eingelegt werden, nicht aber die Sägengehäuse mit ihrer eingebauten Elektronik. Entsprechendes gilt für den Bolzenschussapparat: der aus Metall bestehende Bolzen kann desinfiziert werden, nicht aber das von ihm beim Zurückziehen kontaminierte Innere des Laufes und die darin befindlichen beweglichen Teile wie Gummipuffer oder Rückstellfedern.
Rinder, die sich aufgrund ihres Alters bereits in einem fortgeschrittenen BSE-Inkubationsstadium befinden können, sollten bereits im Herkunftsbestand vor der Abgabe zur Schlachtung einer klinischen Untersuchung auf BSE-verdächtige Anzeichen unterzogen werden. Nur Tiere ohne neurologische Symptome sollten zur Normalschlachtung gelangen. Das Ergebnis dieser Untersuchung sollte in einem Dokument, welches das Schlachttier begleitet und dem amtlichen Tierarzt bei der Schlachttieruntersuchung vorgelegt werden muss (beispielsweise dem Rinderpass), bescheinigt werden.
Die Forschung zur Entwicklung von Tests, mit denen eine BSE-Infektion bereits im Frühstadium am lebenden Tier erkannt werden kann, sollte gefördert werden, um das Risiko, dass infizierte Tiere unerkannt in die Nahrungskette gelangen, zu reduzieren.
Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, müssen Maßnahmen zur Reduzierung des BSE-Risikos für Verbraucher und Nutztierbestände EG-weit einheitlich vorgeschrieben sein. Die derzeit in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Verordnungen reduzieren das bei der Schlachtung bestehende Kontaminationsrisiko jedoch nicht so weit, wie es möglich wäre. Da die EG-Verordnungen diesbezüglich nur Mindestanforderungen stellen, besteht jedoch Spielraum für schärfere nationale Empfehlungen. Nach den EG-Vorgaben in anderen Mitgliedstaaten gewonnenes Fleisch kann zwar nicht vom deutschen Markt fern gehalten werden. Fleisch, das entsprechend strengeren nationalen Vorgaben gewonnen würde, wäre jedoch mit einem geringeren BSE-Risiko behaftet und könnte dementsprechend beworben werden.
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