Spielt die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit eine Rolle bei Augenoperationen, Augeninnendruckmessungen und dem Probieren von Kontaktlinsen?

Roland Heynkes, 24.11.2001 (zuletzt aktualisiert am 2.5.2004)

Gliederung

Augeninnendruckmessungen scheinen ein Creutzfeldt-Jakob-Risikofaktor zu sein.
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde anscheinend gelegentlich auch durch Augenhornhauttransplantationen übertragen.
In den Augen scrapie-infizierter Hamster wurde Infektiosität gefunden.
Die Augenhornhaut eines mit dem Creutzfeldt-Jakob-Erreger infizierten Meerschweinchens erwies sich als infektiös.
Nicht nur bei der neuen Variante, sondern auch bei sporadischer CJK wurde krankheitstypisches PrPsc in den Augen gefunden.
Die Hornhaut eines Creutzfeldt-Jakob-Patienten scheint infektiös gewesen zu sein.
Empfehlungen
Literaturliste

Augeninnendruckmessungen scheinen ein Creutzfeldt-Jakob-Risikofaktor zu sein.

In einer allerdings mit lediglich 26 Patienten und 40 passend ausgewählten Kontrollpersonen sehr schwachen Fall-Kontroll-Studie zur Ermittlung von Risikofaktoren für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ergab sich ein scheinbar erhöhtes CJK-Risiko nach Augeninnendruckmessungen [ADAX]. Beweiskräftig ist dies natürlich nicht, aber es spricht eher für eine Infektiosität der Augenhornhaut von Creutzfeldt-Jakob-Patienten. Unterstützt wird diese Befürchtung durch den experimentellen Befund, daß die zur Messung des Augeninnendruckes verwendeten Tonometer Eiweißmoleküle verschleppen und auf diese Weise theoretisch auch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit übertragen könnten [APEL]. Dieses Risiko lässt sich aber anscheinend durch Abwischen und noch besser durch Abwaschen der Tonometerspitzen mit Wasser stark reduzieren [APEL].

Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde anscheinend gelegentlich auch durch Augenhornhauttransplantationen übertragen.

Eine 55 Jahre alte Patientin erkrankte 18 Monate nach der Transplantation einer Augenhornhaut von einem Spender, der ebenfalls an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit starb [ADQJ]. Eine 63 Jahre alte Patientin erkrankte 16 Monate nach der Transplantation einer Augenhornhaut von einem Spender, über dessen Creutzfeldt-Jakob-Status nichts bekannt ist [ANCX]. Eine 45 Jahre alte Patientin erkrankte 30 Jahre nach der Transplantation einer Augenhornhaut von einer Spenderin, die ebenfalls an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit starb [AFGP]. Eine Empfängerin von Augenhornhaut eines Creutzfeldt-Jakob-Patienten starb mit 49 Jahren an der gleichen Krankheit [ADHW]

Keiner dieser 4 Fälle ist ein echter Beweis für eine Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch Augenhornhauttransplantationen, denn die Infektionsquelle könnte auch eine andere sein. Aber es ist sehr auffällig, daß in mindestens 3 dieser 4 bekannten Fälle von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Empfängern von Augenhornhaut auch der Spender an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit starb. Immerhin sind jeweils 2 mit durchschnittlich 1 Fall pro Million Menschen und Jahr extrem selten beobachtete Ereignisse miteinander verknüpft. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Spender und ein Empfänger einer Hornhaut rein zufällig beide an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sterben, liegt bei nur 10-12. Bei geschätzt 500 Millionen (5x108) einer Creutzfeldt-Jakob-Überwachung unterliegenden Menschen würde man nur alle 1012 dividiert durch 5x108 = 2000 Jahre mit einer solchen Beobachtung rechnen. Die drei bisher beobachteten Fälle lägen im Rahmen des zufällig zu erwartenden, wenn sie die einzigen in einem Zeitraum von 6000 Jahren wären. Natürlich können 3 Spender/Empfänger-Paarungen rein zufällig innerhalb von nur 2 Jahrzehnten beobachtet werden, und während der restlichen 5980 Jahre tritt kein weiterer mehr auf. Aber das ist offensichtlich recht unwahrscheinlich.

In den Augen scrapie-infizierter Hamster wurde Infektiosität gefunden.

Bei intrazerebral inokulierten Hamstern wurden bereits nach 50 Tagen im Sehnerv, in der Retina, der Aderhaut zwischen Retina und Lederhaut, der Linse und sogar in der Hornhaut der Augen hohe Titer gefunden [AFLF]. Die Infektiosität wandert anscheinend durch den Sehnerv in die Augen ein. Besonders wichtig ist der Nachweis von Infektiosität in oder auf gründlich gereinigten und sogar an 3 Wochen lang kultivierten Epithelzellen von der Augenhornhaut eines infizierten Hamsters [AHXB].

Auch wenn natürlich nicht direkt vom Hamster auf Creutzfeldt-Jakob-infizierte Menschen geschlossen werden kann, so läßt doch gerade dieser direkte experimentelle Nachweis von TSE-Infektiosität auf der äußeren Oberfläche des Auges besondere Vorsicht beim direkten Kontakt mit der Augenhornhaut vorsorglich empfehlenswert erscheinen.

Die Augenhornhaut eines mit dem Creutzfeldt-Jakob-Erreger infizierten Meerschweinchens erwies sich als infektiös.

Die Augenhornhaut eines CJK-infizierten Meerschweinchens wurde in die vorderen Augenkammern von 6 Empfängermeerschweinchen injiziert und infizierte vier der Empfänger tödlch [AHUO].

Nicht nur bei der neuen Variante, sondern auch bei sporadischer CJK wurde krankheitstypisches PrPsc in den Augen gefunden.

Das normale zelluläre Prionprotein wird von den Lichtsinneszellen (Outer Nuclear Layer) sowie von den horizontalen und bipolaren Verschaltungszellen (Inner Nuclear Layer) der Retina exprimiert. Nicht nur bei der neuen Variante, sondern auch bei sogenannter sporadischer Creutzfeldt-Jakob-Krankheit fand man das krankheitstypische PrPsc in den synaptischen Lagen der Retina oberhalb und unterhalb der inneren Zellkernschicht in Konzentrationen, die mit denen im Gehirn vergleichbar waren. Geringere Mengen PrPsc wurden auch im Sehnerven gefunden, kleinere PrPsc-Fragmente gab es in den Augenlinsen, aber man fand kein PrPsc in den anderen Schichten der Augen. Das Verhältnis der unterschiedlich stark glykosilierten Formen des Prionproteins PrPsc war in den Retinas anders als in den untersuchten Gehirnen. Statt einer starken Dominanz der zweifach glykosilierten Form fand man in der Retina eine gleichmäßigere Verteilung mit nur etwas weniger einfach glykosiliertem PrPsc. [ANER]

Die Hornhaut eines Creutzfeldt-Jakob-Patienten scheint infektiös gewesen zu sein.

Je 20 µl eines 1/10 in Salzlösung verdünnten Homogenates aus der Augenhornhaut eines nach nur dreimonatiger akuter Phase an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorbenen 70 Jahre alten Mannes, wurden 6 CF1-Mäusen intrazerebral inokuliert. 1 von 6 Mäusen erkrankte nach einer Inkubationszeit von 1037 Tagen mit klinischen TSE-Symptomen und zeigten auch histopathologisch das typische Bild, allerdings ohne sichtbare Amyloid-Ablagerungen. [ALLU]

Empfehlungen

Die britische Federation of Ophthalmic and Dispensing Opticians (FODO) empfahl den ihr angeschlossenen Optikern aufgrund einer Empfehlung des vom SEAC beratenen britischen Gesundheitsministeriums im Juni 2001, Kontaktlinsen nur noch von jeweils einem Kunden anprobieren zu lassen. Angesichts der in dieser kleinen Übersicht dargestellten Indizien für eine Infektiosität der Augenhornhaut von Creutzfeldt-Jakob-infizierten Menschen, kann man sich dieser Empfehlung nur anschließen und muß auch von Augeninnendruckmessungen mit direktem Kontakt nicht auswechselbarer Oberflächen zum Auge abraten.

Literaturliste

APEL . Amin,S.Z.; Smith,L.; Luthert,P.J.; Cheetham,M.E.; Buckley,R.J. - Minimising the risk of prion transmission by contact tonometry - The British Journal of Ophthalmology 2003 Nov; 87(11): 1360-2

ADAX . Davanipour,Z.; Alter,M.; Sobel,E.; Asher,D.; Gajdusek,D.C. - Creutzfeldt-Jakob disease: possible medical risk factors. - Neurology 1985 Oct; 35(10): 1483-6

ADHW . DeVoe,A.G. - Complications of keratoplasty - American Journal of Ophthalmology 1975 Jun; 79(6): 907-12

ADQJ . Duffy,P.; Wolf,J.; Collins,G.; DeVoe,A.G.; Streeten,B.; Cowen,D. - Possible person-to-person transmission of Creutzfeldt-Jakob disease - New England Journal of Medicine 1974 Mar 21; 290(12): 692-3

ANER . Head,M.W.; Northcott,V.; Rennison,K.; Ritchie,D.; McCardle,L.; Bunn,T.J.; McLennan,N.F.; Ironside,J.W.; Tullo,A.B.; Bonshek,R.E. - Prion protein accumulation in eyes of patients with sporadic and variant Creutzfeldt-Jakob disease - Investigative Ophthalmology and Visual Science 2003 Jan; 44(1): 342-6

AFGP . Heckmann,J.G.; Lang,C.J.; Petruch,F.; Druschky,A.; Erb,C.; Brown,P.; Neundörfer,B. - Transmission of Creutzfeldt-Jakob disease via a corneal transplant - Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry 1997 Sep; 63(3): 388-90

AFLF . Hogan,R.N.; Bowman,K.A.; Baringer,J.R.; Prusiner,S.B. - Replication of scrapie prions in hamster eyes precedes retinal degeneration - Ophthalmic Research 1986; 18(4): 230-5

AHUO . Manuelidis,E.E.; Angelo,J.N.; Gorgacz,E.J.; Kim,J.H.; Manuelidis,L. - Experimental Creutzfeldt-Jakob disease transmitted via the eye with infected cornea - New England Journal of Medicine 1977 Jun 9; 296(23): 1334-6

AHXB . Marsh,R.F.; Hanson,R.P. - Transmissible mink encephalopathy: infectivity of corneal epithelium. - Science 1975 Feb 21; 187(4177): 656

ALLU . Tateishi,J. - Transmission of Creutzfeldt-Jakob disease from human blood and urine into mice - Lancet 1985 Nov 9; 2(8463): 1074

ANCX . Uchiyama,K.; Ishida,C.; Yago,S.; Kurumaya,H.; Kitamoto,T. - An autopsy case of Creutzfeldt-Jakob disease associated with corneal transplantation - Dementia 1994; 8: 466-73

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