Journal of Virological Methods 2004 Apr; 117(1): 27-36

Roland Heynkes, 3.6.2004

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Buschmann,A.; Biacabe,A.-G.; Ziegler,U.; Bencsik,A.A.; Madec,J.Y.; Erhardt,G.; Luhken,G.; Baron,T.G.; Groschup,M.H. - Atypical scrapie cases in Germany and France are identified by discrepant reaction patterns in BSE rapid tests - Journal of Virological Methods 2004 Apr; 117(1): 27-36

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Nachdem man über Jahrzehnte hinweg den bequemen Glauben an die Nichtübertragbarkeit von Scrapie auf den Menschen mit der vemeintlich weltweit gleichen CJK-Häufigkeit trotz angeblich großer Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit von Scrapie begründet hat, stellen die Autoren die Sache in diesem Artikel endlich wesentlich vorsichtiger dar. Sie schreiben, daß Scrapie als für den Menschen nicht pathogen betrachtet werde, weil bisher keine augenfälligen klinischen oder epidemiologischen Verbindungen zwischen Scrapie und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bekannt wurden. Und sie fügen noch hinzu, daß dies zumindest unter natürlichen Bedingungen gelte. Diese zwischen den Zeilen distanzierte und windelweiche Formulierung erinnert an den großen Schwenk sehr vieler TSE-Forscher von der wissenschaftlich immer völlig unbegründeten Behauptung der Ungefährlichkeit von BSE für den Menschen, hin zum Eingeständnis, daß BSE wohl doch Menschen infiziert und getötet habe. Anschließend entziehen die Autoren der noch nie mit Fakten unterlegten Ungefährlichkeitsvermutung gegenüber Scrapie eines seiner Standbeine, indem sie klipp und klar feststellen, daß man überhaupt nicht gewußt habe, wie häufig Scrapie in den verschiedenen Ländern vorkommt. Immerhin läßt die Fragebogenaktion von Gravenor et al. [AEVF] erahnen, daß die Dunkelziffer erheblich sein muß.

Aus diesem Grund wurde im Frühjahr 2002 nach der neuerlichen, durch die Einführung der Schnelltests und die daraus resultierende Entdeckung zahlreicher BSE-Fälle in Frankreich und Deutschland ausgelöste BSE-Krise in den Jahren 2000 und 2001, ein relativ umfangreiches, EU-weites Scrapie-Testprogramm begonnen. Zum Einsatz kamen die im Markt vorhandenen BSE-Schnelltests, obwohl diese nur für den Nachweis von BSE evaluiert worden waren. Erst diese Arbeit sollte zeigen, ob sie überhaupt für den Nachweis von Scrapie zuverlässig geeignet sind. Und genau daran bestehen nach den Ergebnissen dieser Studie erhebliche Zweifel.

Die von den Autoren verglichenen Schnelltests sind folgende:

Der von BioRad vertriebene und in Deutschland besonders häufig verwendete kolorimetrische ELISA (http://www.bio-rad.com/pages/CRP/BioRadBSEProcedureDiagrams.pdf) setzt rund 350 mg homogenisiertes Hirnstamm-Gewebe ein und bedarf einer limitierten Inkubation mit Proteinase K, damit das normale zelluläre Prionprotein (PrPc) verdaut wird und die Messung nicht stört. Die nicht verdauten Proteine und Peptide werden gefällt, gelöst und in je eine von vielen Mulden einer Kunststoffplatte (Mikrotiterplatte) überführt, an deren Wände monoklonale Antikörper gegen das Prionprotein (PrPc und PrPsc) gebunden sind. Diese Antikörper binden selektiv das PrPsc in seiner Mulde, während andere Bestandteile des Homogenates weggespült werden. Danach werden die gebundenen PrPsc mit anderen Antikörpern markiert, an die ein Enzym gekoppelt ist, welches einen Farbstoff erzeugt. Die Konzentration des Farbstoffes wird durch Kolorimetrie ermittelt und lässt auf die Konzentration des PrPsc in der Probe schließen. Das Problem dieses Tests ist die Behandlung mit Proteinase K. Wenn die nicht ausreichend funktioniert, dann produziert unverdautes PrPc ein falsch positives Ergebnis. Es kann aber auch zu viel PrPsc verdaut werden, und dann erhält man ein falsch negatives Ergebnis. Erkennbar sind beide Probleme nicht, weil man nur das Ergebnis der Farbreaktion sieht.

Der von Enfer Technology Ltd. und Abbott Laboratories vertriebene indirekte ELISA verbraucht 0,5-1 g homogenisiertes Hirnstamm-Gewebe und ist ebenfalls auf eine limitierte Inkubation mit Proteinase K angewiesen, ohne daß deren Wirksamkeit durch eine interne Kontrolle erkennbar wird. Von daher weist auch dieser Test die systembedingte Unsicherheit aller ELISAs auf. Im Gegensatz zum BioRad-ELISA verwendet aber der Enfer-ELISA statt eines monoklonalen Antikörpers ein polyklonales Antiserum und statt einer Farbreaktion benutzt er Chemielumineszenz. Polyklonale Antiseren haben den Vorteil eines breiteren Spektrums erkannter Epitope, aber dafür garantieren sie nicht über lange Zeit eine gleichbleibende Qualität. Die Erzeugung von Chemielumineszenz mit an die Markierungsantikörper gebundender (englisch: Horseradish) Meerrettich-Peroxidase soll die Empfindlichkeit des ELISA um etwa eine Größenordnung steigern, aber in der Praxis scheint sich dieser Vorteil gegenüber dem kolorimetrischen Verfahren des BioRad-Schnelltests nicht zu bestätigen.

Auch der von Prionics und Roche Diagnostics vertriebene Western blot [AKMB] unterwirft verdünnte Homogenate von je 500 mg aus dem Obex einer limitierten Behandlung mit Proteinase K, aber das Ergebnis dieser Verdauung ist als Bandenmuster überprüfbar. Unvollständige Verdauung des normalen PrPc würde sofort erkannt und könnte keine falsch positiven Ergebnisse produzieren. Zusätzlich hat der Western blot theoretisch den Vorteil, gleichzeitig die Molekularmasse und das Glykosilierungsmuster des Prionproteins zu zeigen. Dieser Vorteil kommt aber normalerweise nicht zum Tragen, weil zur Bestätigung positiver Schnelltestergebnisse ohnehin ein Western blot durchgeführt wird. Markiert werden die auf eine Membran übertragenen Prionproteine mit einem monoklonalen Antikörper, der nicht unbedingt zur Erkennung jeder PrPsc-Variante geeignet sein muß. Sichtbar gemacht werden gebundene Antikörper wie beim Enfer-Schnelltest durch Chemielumineszenz, was keine besonderen Vor- oder Nachteile mit sich zu bringen scheint.

Prionics und Roche Diagnostics vertreiben auch einen sogenannten Lumineszenz-Sandwich-ELISA [ABIL], beim dem ebenfalls 500 mg Obex homogenisiert und mit Proteinase K verdaut werden. Ein gegen das Prionprotein gerichteter monoklonaler Antikörper bindet das für die Chemielumineszenz-Reaktion benötigte Enzym Peroxidase aus dem Meerrettich an das nicht verdaute Prionprotein, während anschließend ein zweiter gegen eine andere Region des Prionproteins gerichteter monoklonaler Antiköper den ganzen Komplex an den Träger bindet. Durch die gleichzeitige Verwendung zweier unterschiedlicher monoklonaler Antikörper nimmt die Spezifität zu, aber das Risiko einer Nichterkennung bestimmter Prionproteine durch einen der beiden Antikörper nimmt ebenfalls zu.

Alle 8 in Deutschland mit Prionics Western blot entdeckten Scrapie-Fälle wurden auch problemlos von dem BioRad-ELISA erkannt. Aber 24 der 38 mit dem BioRad-ELISA in Deutschland gefundenen Scrapie-Fälle erschienen im Western blot und auch im ELISA von Prionics negativ. 10 von 11 dieser Scrapie-Schafe wurden auch mit dem ELISA von Enfer nicht erkannt. Im Gegensatz zum BioRad-ELISA erkannte der Enfer-ELISA auch nur einen der 8 ursprünglich mit dem Western blot von Prionics gefundenen deutschen Scrapie-Fälle. Ein Vorteil des polyklonalen Antiserums von Enfer ist also nicht zu erkennen, wenn statt BSE Scrapie identifiziert werden soll. Von den 24 nur mit dem BioRad-Schnelltest erkannten deutschen Scrapie-Fällen wurden per Immunhistochemie 3 nur sehr schwach sowie 6 auch mit verschiedenen Antikörpern überhaupt nicht erkannt und konnten nur durch den OIE-Western blot bestätigt werden. Wiederum erwies sich also die Immunhistochemie als nicht so zuverlässig, wie man das eigentlich von einem OIE-Goldstandard erwarten sollte.

Auch in Frankreich wurden von 92 ursprünglich mit dem BioRad-ELISA entdeckte Scrapie-Fälle 29 durch den Western blot von Prionics nicht bestätigt. Umgekehrt hatten die ELISAs keine Probleme bei der Bestätigung der ursprünglich mit dem Western blot von Prionics gefundenen Scrapie-Fälle. Der Austausch einzelner Reagentien oder Prozeduren verbesserte die Leistung des Western blots von Prionics nur wenig. Die Autoren mussten die Antikörper und die Proteinase K nebst Homogenisierungspuffer ersetzen, um einen eigenen, auch bei Scrapie gut funktionierenden Western blot zu entwickeln.

Nebenbei zeigt diese Studie, daß die wahre Scrapie-Inzidenz in Europa trotz des umfangreichen Testprogramms weiterhin unbekannt bleibt, weil nicht überall der BioRad-Test verwendet wurde, der sich als einziger BSE-Schnelltest als tauglich für den Nachweis von Scrapie erwiesen hat.

Bei einem typischen gesunden Schaf reichten bereits 2,5 µg/ml Proteinase K aus, das normale PrPc binnen 1 Stunde bei 37°C vollständig zu verdauen. Andererseits überstand das PrPsc eines normalen Scrapie-Schafes unter diesen Bedingungen selbst 500 µg/ml Proteinase K. Ein atypischer deutscher, nur vom BioRad-ELISA und dem OIE - Western blot identifizierbarer Scrapie-Fall wurde jedoch nur gerade noch erfolgreich detektiert, wenn man nicht mehr als 50 µg/ml Proteinase K verwendete. Also war bei wenigstens einem deutschen Scrapie-Fall das PrPsc nur recht wenig proteaseresistent, oder es wurden zumindest die von den verwendeten Antikörpern markierten Epitope abgeknabbert. Letzteres ist allerdings unwahrscheinlich, weil die Antikörper beider bei Scrapie nicht zuverlässig funktionierender Prionics-Schnelltests genau wie die Antikörper des zuverlässigeren französischen OIE - Western blots das Prionprotein in dessen Mitte markieren. Sollten solche Varianten auch bei BSE vorkommen, dann könnten durchaus viele BSE-Fälle zumindest von bestimmten BSE-Schnelltests übersehen werden. Vergleichsstudien wie diese könnten daher auch bei BSE nicht schaden.

Bei allen deutschen und 63 französischen Scrapie-Fällen wurde die kodierende Region des Prionproteins sequenziert und konnte dabei keine Korrelation der besonders proteasesensitiven Scrapie-Fälle mit bestimmten Genotypen erkennen. Allerdings kamen die als besonders resistent geltenden Allele ARR und AHQ bei den Scrapie-Fällen mit besonders proteasesensitivem PrPsc sehr viel häufiger als bei normalen Scrapie-Fällen vor. Möglicherweise erscheinen diese Allele ja auch deshalb so resistenzfördernd, weil Scrapie bei solchen Tieren nicht leicht nachweisbar ist.

Die 53 in Frankreich und Deutschland gefundenen Scrapie-Fälle mit besonders proteasesensitivem PrPsc sahen im Western blot anders aus, als die von Benestad et al. [APFF] in Norwegen beschriebenen Fälle, die durch eine zusätzliche Bande mit einer scheinbaren Molekularmasse von 12 kDa auffielen.

Momentan laufen Übertragungsstudien mit Hirnmaterial von Scrapie-Schafen mit besonders proteasesensitivem PrPsc, da nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß diese Tiere auch wirklich an einer übertragbaren spongiformen Enzephalopathie litten.

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APFF . Benestad,S.L.; Sarradin,P.; Thu,B.; Schonheit,J.; Tranulis,M.A.; Bratberg,B. - Cases of scrapie with unusual features in Norway and designation of a new type, Nor98 - Veterinary Record 2003 Aug 16; 153(7): 202-8

ABIL . Biffiger,K.; Zwald,D.; Kaufmann,L.; Briner,A.; Nayki,I.; Pürro,M.; Böttcher,S.; Struckmeyer,T.; Schaller,O.; Meyer,R.; Fatzer,R.; Zurbriggen,A.; Stack,M.; Moser,M.; Oesch,B.; Kübler,E. - Validation of a luminescence immunoassay for the detection of PrP(Sc) in brain homogenate - Journal of Virological Methods 2002 Mar; 101(1-2): 79-84

AEVF . Gravenor,M.B.; Cox,D.R.; Hoinville,L.J.; Hoek,A.; McLean,A.R. - Scrapie in Britain during the BSE years - Nature 2000 Aug 10; 406(6796): 584-5

AKMB . Schaller,O.; Fatzer,R.; Stack,M.; Clark,J.; Cooley,W.; Biffiger,K.; Egli,S.; Doherr,M.; Vandevelde,M.; Heim,D.; Oesch,B.; Moser,M. - Validation of a western immunoblotting procedure for bovine PrP(Sc) detection and its use as a rapid surveillance method for the diagnosis of bovine spongiform encephalopathy (BSE) - Acta Neuropathologica 1999 Nov; 98(5): 437-43

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