Minutes of the 81st meeting held on 25th February 2004

Roland Heynkes, 13.4.2004

Gliederung

  bibliographische Angaben
  meine Zusammenfassung der SEAC-Stellungnahme
  Blut-Transfusionen und das Risiko der CJK-Übertragung
  Epidemiologie der neuen CJK-Variante
  Unterschiede in den Systemen zur BSE-Überwachung
  BSE-Schutzmaßnahmen in den USA
  Hinweise auf eine neue BSE-Variante in Italien
  Auch in Japan und Frankreich gibt es Hinweise auf neue BSE-Varianten.
  Was ist zu tun?
  Die Bedeutung neuer BSE-Varianten für den Menschen wird vom SEAC nur gestreift.
  Referenzen

bibliographische Angaben nach oben

Smith,P.; Bassett,J.; Brown,D.; Browne,C.; Bulfield,G.; Carrell,R.; Chambers,J.; Hooper,N.; Jinman,P.; Lasmezas,C.; McConnell,I.; Manson,J.; Medley,G.; Rudge,P. - Spongiform Encephalopathy Advisory Committee (SEAC) - Minutes of the 81st meeting held on 25th February 2004 - http://www.seac.gov.uk/minutes/final81.pdf

meine Zusammenfassung der SEAC-Stellungnahme nach oben

Blut-Transfusionen und das Risiko der CJK-Übertragung nach oben

Im Herbst 2003 starb an der "neuen", höchstwahrscheinlich auf BSE-Infektionen zurück gehenden CJK-Variante ein Emfänger einer Blutspende, die im März 1996 von einem Menschen gespendet wurde, der seinerseits 1999 an der nvCJK erkrankte. Proben von peripheren Geweben des mutmaßlich durch Blut eines BSE-infizierten Menschen sekundär mit BSE infizierten Patienten durften nicht entnommen werden. Die Mengenverhältnisse der unterschiedlich glykosilierten Formen des proteaseresistenten Prionproteins im Gehirn dieses Patienten entsprachen aber dem für die nvCJK typischen Muster.

Die Leukozytendepletion, von der sich das SEAC eine Schutzwirkung verspricht und die seit 1998 in Großbritannien zur Anwendung kommt, kam bei der anscheinend infektiösen Blutspende noch nicht zum Einsatz. Am britischen Institute of Animal Health läuft eine Studie, in der an BSE-infizierten Schafen untersucht wird, ob die Leukozytendepletion tatsächlich eine Schutzwirkung hat.

Vermutlich wegen der offensichtlichen Mitverantwortung von Politik und Behörden, aber sicher auch wegen des Risikos der weiteren Verbreitung von BSE-Infektionen beim Menschen durch sekundäre Übertragung von Mensch zu Mensch werden in Großbritannien die Empfänger von Blutspenden bekannter nvCJK-Opfer aufwändig ermittelt und informiert. Das SEAC verweist in diesem Zusammenhang auf die beunruhigende Tatsache, daß das Blut eines mit BSE infizierten Schafes bereits nach der Hälfte der Inkubationszeit für ein weiteres Schaf tödlich infektiös war. Den deshalb zu betreibenden Aufwand zur Vermeidung von Mensch-zu-Mensch-Übertragungen muß man also auch berücksichtigen, wenn man über die Kosten der BSE-Bekämpfung und der Verhinderung von BSE-Infektionen beim Menschen nachdenkt. Die britische Beratungskommission "Microbiological Safety of Blood and Tissues for Transplantation" überlegt auch, ob die Empfänger des Blutes von nvCJK-Patienten weiterhin ihrerseits Blut spenden dürfen. Zu prüfen wäre aber natürlich auch, bei welchen Organtransplantationen und Operationen ein besonderes Risiko von direkt oder möglicherweise indirekt mit BSE infizierten Personen ausgehen kann. Insgesamt wird da ein erhebliches ethisches und wirtschaftliches Problem sichtbar, auf welches ich allerdings schon 1995 aufmerksam gemacht hatte [ANDB].

Epidemiologie der neuen CJK-Variante nach oben

Außerhalb Großbritanniens gab es bis zu dieser Stellungnahme des SEAC 6 nvCJK-Fälle in Frankreich sowie je einen Fall in Irland, Italien, Kanada und den USA. Aber nur die französischen und italienischen Fälle lebten nicht in den späten 80er Jahren im Vereinigten Königreich. Dem SEAC wurde von 146 britischen nvCJK-Fällen bis zum Januar 2004 berichtet, von denen 7 noch lebten. Einen signifikanten Unterschied zwischen Frauen (64) und Männern (82) konnte das SEAC nicht erkennen. Das Durchschnittsalter betrug zum Zeitpunkt der Erkrankung 28 Jahre (12-74) und zum Zeitpunkt des Todes 29 Jahre (14-74). Die mittlere (mediane) Krankheitsdauer betrug 14 Monate (6-40). Alle 124 daraufhin untersuchten Fälle waren Methionin-homozygot hinsichtlich der Aminosäure 129 des Prionproteins.

Zur Entwicklung der Fallzahlen stellt das SEAC fest, daß eine zuverlässige Vorhersage nicht möglich ist und das weitere Peaks für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden können, obwohl die Entwicklung momentan ermutigend aussieht.

Unterschiede in den Systemen zur BSE-Überwachung nach oben

Im Vereinigten Köngreich werden laut Aussage von Dr. Mandy Baily (DEfRA) mindestens 2 Jahre alte Rinder auf BSE getestet, wenn sie auf der Farm oder im Schlachthof krank oder notgeschlachtet werden müssen. Sind die Tiere über 30 Monate alt, dann kommt ihr Fleisch nicht in den Handel. Der Text macht aber nicht ganz klar, ob diese Tiere dennoch getestet werden.

Dr. Danny Matthews vom Central Veterinary Laboratory in Addlestone (Surrey, United Kingdom) machte darauf aufmerksam, daß die Definitionen der BSE-Risikogruppen länderübergreifend kaum vergleichbar unterschiedlich seien, daß sich aber die USA an dem seiner Ansicht nach auf eine Maximierung der Verdachtsmeldungen angelegten britischen System orientieren. Professor Wilesmith meinte allerdings, daß nur etwa 2% der in England als Risikorinder betrachteten Tiere in den USA als Downers gelten würden. Er findet diese Definition in den USA zu eng. Dank teilweise wirksamer Schutzmaßnahmen vermutet Dr. Matthews in den USA ein mit Kontinentaleuropa vergleichbares BSE-Risiko.

Dr. Matthews berichtete dem SEAC, daß in den USA jährlich 35 Millionen Rinder geschlachtet werden und das man dort mit jährlich 600.000 verendeten, kranken oder verletzten Rindern mit potentiell erhöhtem BSE-Risiko rechnen müsse. Im Fiskaljahr 2002 (10/2002-20/2003) wurden in den USA nicht einmal 20.000 Rinder getestet. Die sehr niedrigen Anforderungen des Office des International Epizooties (OIE) wurden damit erfüllt, aber den Verantwortlichen in den USA ist selbst klar, daß diese Testzahl deutlich zu niedrig war. Trotz einer starken Zunahme der Tests werden selbst im Jahr 2004 nur 40.000 Risiko-Rinder getestet. Einer Steigerung auf eine angemessene Testzahl stehen nach Ansicht von Dr. Matthews logistische Probleme entgegen. Seltsam, daß Japan und die meisten europäischen Staaten relativ problemlos zu Testquoten in der Lage waren, welche die Supermacht USA überfordern sollen.

Ein US-System zur individuellen Rinder-Identifizierung soll in den USA eingeführt werden. In Kanada überlegen die Behörden, ob sie mehr Geld in die BSE-Überwachung investieren und (vermutlich jährlich) 8.000 Rinder (rund 1% der Schlachtrinder) auf BSE testen sollen.

BSE-Schutzmaßnahmen in den USA nach oben

Wiederkäuer-Protein darf in den USA seit 1997 nicht mehr an Wiederkäuer, aber immer noch an Schweine und Geflügel verfüttert werden. Als weitere US-amerikanische Schutzmaßnahme wertet Dr. Matthews Rückrufaktionen, mit denen die Behörden als riskant eingestufte Rinderprodukte aus dem Verkehr zu ziehen versuchen. Im Falle des ersten in den USA geschlachteten BSE-Falles gelang dies aber nicht vollständig, weil das Testverfahren viel zu lange dauerte und man das Testergebnis nicht vor dem Verkauf abwartete. Das für EU-Bürger von US-amerikanischem Fleisch ausgehende Risiko wird aber schon deshalb als gering eingestuft, weil wegen des Gebrauchs von in der EU unzulässigen Hormonen kaum amerikanisches Fleisch nach Europa importiert wird.

Hinweise auf eine neue BSE-Variante in Italien nach oben

Dr. Cristina Casalone, Dr. Pierluigi Acutis, Dr. Sergio Ferrari und Dr. Gianluigi Zanusso berichteten dem SEAC, daß in Italien im Rahmen einer aktiven Überwachung mit 1,6 Millionen Schnelltests 103 BSE-Fälle gefunden wurden. Von diesen wurden nur acht 5-15 Jahre alte Tiere einer genaueren Untersuchung unterzogen. Zwei der 8 untersuchten Rinder erwiesen sich trotz normalen Prionprotein-Genotyps als atypisch. Mit Antikörpern gegen das Prionprotein fand man amyloide Ablagerungen oberhalb des Kleinhirndaches, aber nur eine schwache Markierung im Stammhirn. Im Western blot dominierte die unglykosilierte Form des Prionproteins und die Proteinase K erzeugte ein ungewöhnlich kleines Prionprotein-Fragment. Damit ähnelten diese beiden Fälle molekularbiologisch eher einer klassischen als der neuen CJK-Variante. Anscheinend zur Unterstreichung der Bedeutung ihrer Entdeckung halten es die Autoren für angemessen, gleich einen ganz neuen Namen für die von Ihnen gefundene BSE-Variante einzuführen. Sie nennen diese bovine amyloidotic spongiform encephalopathy (BASE).

Seit Januar 1996 werden auch im Vereinigten Königreich Western blots zur BSE-Diagnose eingesetzt, aber man hat dort noch keine BSE-Varianten gefunden. Allerdings muß man auch genau hinsehen, denn sehr auffallend sind die Unterschiede nicht. Das SEAC hat dies ebenso erkannt, wie die Tatsache, daß bei den allermeisten britischen BSE-Fällen nie solche sensitiven Methoden angewendet wurden.

Die Mitglieder des SEAC stimmen in der Einschätzung überein, daß die Entdeckung eines alternativen BSE-Phänotyps eine interessante und wichtige Entwicklung ist und wissen, daß auch experimentell im Central Veterinary Laboratory in Addlestone mit Scrapie infizierte Rinder von normalem BSE abweichende molekulare Phänotypen zeigten. Das SEAC erwähnt speziell die beunruhigende Tatsache, daß bei der italienischen Variante ausgerechnet im für die Probennahme verwendeten Hirnstamm relativ wenig PrPsc zu finden war. Deshalb ist es auch problematisch, daß man bei den früheren britischen BSE-Fällen nur die Stammhirne und diese auch nur immunhistochemisch untersuchte, sodaß man diese nun nicht mit den neuen Varianten vergleichen kann. Natürlich besteht das selbe Poblem auch in anderen EU-Ländern und insbesondere auch in Deutschland.

Auch in Japan und Frankreich gibt es Hinweise auf neue BSE-Varianten. nach oben

Die japanischen und französischen Fälle molekular abweichender Glykosilierungsmuster sollen sich laut SEAC von den italienischen unterscheiden. Das SEAC sieht aber Forschungsbedarf, weil die bekannten Unterschiede im Glykosilierungssmuster und in der Verteilung des PrPsc im Gehirn bestehen und sonst praktisch nichts über die Varianten bekannt ist. Das SEAC schließt offenbar die Möglichkeit nicht aus, daß es sich bei den neuen BSE-Varianten um spontan entstandene Fälle handelt. Man fragt sich sogar, ob nicht die Varianten einfach geschlechts- oder alterbedingt sein könnten. Forschung im Central Veterinary Laboratory Addlestone zeigte keinen Einfluß von Rasse und Alter auf das Schädigungsmuster, aber dabei wurde anscheinend nur das Stammhirn untersucht.

Was ist zu tun? nach oben

Das SEAC hält es vor einer Stamm-Typisierung in Mäusen für verfrüht, allein aufgrund phänotypischer Unterschiede in einigen Rindern von einem neuen BSE-Stamm zu sprechen. Überhaupt beklagen seine Mitglieder das Fehlen von Richtlinien für eine BSE-Klassifizierung nach dem Vorbild der CJK-Klassifizierung. Sie wünschen sich vom OIE eine Definition der BSE-Diagnose aufgrund des molekularen Phänotyps, klinischer Symptome, der Pathologie und der Epidemiologie.

Offenbar hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, ganze Gehirne bis zum Abschluß der BSE-Schnelltests zu verwahren, um dann im Falle eines positiven Testergebnisses Untersuchungsmaterial für die Suche nach und die genauere Untersuchung von neuen BSE-Varianten zu haben. Leider stieß dieser Vorschlag nicht auf die Zustimmung aller Länder. Einige Hundert in England gesammelte BSE-Gehirne könnten allerdings möglicherweise noch untersucht werden. Das SEAC betonte die Wichtigkeit der Identifizierung und Untersuchung weiterer BSE-Fälle mit ungewöhnlichen Eigenschaften. Es schlägt vor, ältere Western blots noch einmal gründlich im Hinblick auf Lauflängen und Glykosilierungsmuster zu untersuchen. Seltsamerweise sieht es diese Möglichkeit aber nur bei den Prionics-Schnelltests, obwohl doch auch die mittels BioRad-ELISA entdeckten BSE-Verdachtsfälle zumindest in Deutschland anschließend mit einem OIE-Western blot nach untersucht werden. Das SEAC schlägt vor, daß genau dies getan werden solle und das die Hirnproben außerdem immunhistochemisch untersucht werden sollten. Letzteres bringt natürlich nur dann große Vorteile, wenn das ganze Gehirn vorhanden ist. Zumindest in England ist dies nach Auskunft von Dr. Matthews nur bei bereits klinisch auffällig gewordenen Tieren der Fall. Aber auch in Deutschland werden ja zumindest bei Schlachttieren nur die Hirnstämme gesammelt.

Die Bedeutung neuer BSE-Varianten für den Menschen wird vom SEAC nur gestreift. nach oben

Die italienischen Gäste erwähnten auch die Ähnlichkeit ihrer neuen BSE-Variante mit sporadischen CJK-Fällen, so wie umgekehrt die Collinge-Gruppe gezeigt hatte, daß man beim Passagieren des normalen BSE-Stammes in Mäusen auch Änderungen der Stammeigenschaften in Richtung sporadischer CJK beobachten kann [AAUB]. Das SEAC findet beides interessant und wichtig, weist aber darauf hin, daß sich Maus-Experimente nicht einfach auf den Menschen übertragen lassen.

Referenzen nach oben

AAUB . Asante,E.A.; Linehan,J.M.; Desbruslais,M.; Joiner,S.; Gowland,I.; Wood,A.L.; Welch,J.; Hill,A.F.; Lloyd,S.E.; Wadsworth,J.D.; Collinge,J. - BSE prions propagate as either variant CJD-like or sporadic CJD-like prion strains in transgenic mice expressing human prion protein - EMBO Journal 2002 Dec 1; 21(23): 6358-66

ANDB . Heynkes,R. - Rinderwahnsinn - Durch die moderne Medizin erst gefährlich - Therapiewoche 1995; 15: 886-92 - http://www.heynkes.de/review.htm

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