Aufklärung und Kritik 2001; 1: 1-14

Roland Heynkes, 26.4.2003 (zuletzt aktualisiert am 19.5.2003)

Gliederung

bibliographische Angaben
meine Kritik an diesem leider nicht aufklärenden Pamphlet

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Hofmann,K. - Vom Rinderwahnsinn zum Menschenwahn. Ursachen und Folgen von BSE - Aufklärung und Kritik 2001; 1: 1-14

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Gleich in den ersten beiden Sätzen bringt der Diplomchemiker und ehemalige wissenschaftliche Direktor am Institut für Chemie der Bundesanstalt für Fleischforschung Kulmbach Klaus Hofmann seine grundsätzliche Position auf den Punkt: Nicht BSE, sondern die von den Medien verbreitete Furcht vor der Rinderkrankheit habe unermeßlichen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Dazu gibt er später noch seinen von Schopenhauer abgeleiteten Wahlspruch zum Besten: "Wir dürfen uns nur von solchen Gefahren beunruhigen lassen, die gewiß sind, und nicht von all jenen, die möglich sind, denn von diesen gibt es zu viele!"

Typisch für seine Grundhaltung ist die Behauptung: "Auch wenn die Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht bewiesen ist: was BSE bewirkt hat, grenzt bereits an Menschenwahn!". Weil die Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen extrem gut belegt und nur rein prinzipiell nicht beweisbar ist, ist diese Formulierung eine Verharmlosung durch Verdrehung der Tatsachen. Außerdem ist es grotesk, wie der Autor damit nicht die alte Schlamperei, sondern die seit dem Dezember 2000 erreichten enormen Verbesserungen als Menschenwahn diffamiert. Hinsichtlich der EU-Kommission leugnet er sogar, daß diese sich geändert habe.

Angesichts des Verfütterungsverbotes für tierische Proteine und Fette schlicht unwahr und unfair sind die Darstellungen des Autors, das "BSE-Bekämpfungsprogramm" der Bundesregierung habe nur aus hierfür natürlich ungeeigneten BSE-Schnelltests bestanden und man bekämpfe nur die Symptome und nicht die Ursachen von BSE. Die Ursache für den vorübergehenden Rückgang des Rindfleischkonsums sieht der Autor nicht die Entdeckung deutscher BSE-Rinder, sondern in der damals noch nicht lange im Amt befindliche Bundesregierung. Vielleicht hat tatsächlich einmal der Bundeskanzler im Fernsehen etwas durcheinander gebracht, aber ansonsten wurde die wegen des Markteinbruches notwendig gewordene Vernichtung von EU-weit 400.000 Rindern von deutschen Politikern von Anfang an als reine Marktentlastungsmaßnahme und nicht als BSE-Bekämpfung bzw. Verbraucherschutz dargestellt.

Der Autor mag nicht einsehen, wieso BSE-Fälle bei in Deutschland geborenen Rindern eine andere Qualität haben, als BSE-Erkrankungen bei aus England oder der Schweiz importierten Tieren. Auch das spezielle Problem des Kannibalismus bei reinen Pflanzenfressern und die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft hinsichtlich der BSE-Vermeidung versteht der Autor nicht und beklagt stattdessen wortreich die Gedankenlosigkeit Anderer und einen angeblich eklatanten Mangel an naturwissenschaftlichen Kenntnissen bei den Andersdenkenden. Die Schuld für angeblich falsche politische Entscheidungen sieht er bei den Politikern und nicht in der Uneinigkeit der Wissenschaft. Zwar spricht er das Problem der widersprüchlichen "Experten"-Aussagen an, bietet hierfür aber keine Lösung an und vergrößert stattdessen mit falschen und überwiegend unbelegten Aussagen die Verwirrung seiner Leser.

Das beginnt schon mit der Behauptung, Tiermehle seien die wahren Auslöser von BSE. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, daß Tiermehle nur ein Übertragungsweg und nicht der Auslöser oder die Ursache von BSE sein können. Ähnlich unglaublich ist die von jeglicher Sachkenntnis ungetrübte Behauptung, man habe in England bis 1980 Tier-und Knochenmehle bei 130°C sterilisiert und deshalb keine hygienischen Probleme gehabt. Der Autor hat immer noch nicht begriffen, daß Tiermehl in England genau wie überall in Europa und den USA zu keinem Zeitpunkt wirklich BSE-sicher sterilisiert wurde. Naiv oder scheinheilig klagt der Autor die Senkung Temperaturen bei der Produktion britischen Tiermehles an, ohne dabei die bis Mitte des Jahres 2000 in Deutschland übliche Produktion von Fleischknochenmehl bei genauso niedrigen Temperaturen zu erwähnen. Diese Tatsache leugnet oder übersieht er einfach und erklärt irreführend, Deutschland sei das einzige EU-Land mit vollständiger Umsetzung der eigentlich EU-weit vorgeschriebenen 130°C-Erhitzung (eigentlich 133°C) gewesen.

Obwohl das für eine EU-weite Durchsetzung der 133°C-Sterilisation in gleicher Weise gelten würde, behauptet der Autor, das Tiermehlverbot wirke erst nach etwa 6 Jahren und diene daher nur der Beruhigung der Bevölkerung. Vielleicht meint er die natürlich um die Mindestinkubationszeit verzögerte Auswirkung auf die BSE-Fallzahlen, aber auch diese Auswirkung des Verfütterungsverbotes wird eben nicht erst nach der durchschnittlichen Inkubationszeit von 6 Jahren erkennbar. Vor allem aber hat das Verfütterungsverbot binnen weniger Wochen die Neuinfektion deutscher Rinder weitestgehend unterbunden und davon profitierten die Konsumenten von Kalbfleisch bereits binnen zweier Jahre. Er bezeichnet die Erwartung der Verlängerung des EU-weiten Tiermehlverfütterungsverbotes für illusorisch und hält sie offensichtlich für überflüssig. Stattdessen möchte er den von ihm oder seinen Mitarbeitern entwickelten Test zur Überwachung der Tiermehlherstellung eingesetzt sehen. Von diesem behauptet er, er könne eine ausreichende Hitzebehandlung nachweisen. Dabei ist ein solcher Nachweis grundsätzlich unmöglich, solange keine empfindlicheren Verfahren für den Nachweis von Infektiosität zur Verfügung stehen.

Für einen Mitarbeiter der BAFF erschreckend schlecht informiert behauptet der Autor, die BSE-Schnelltests dauerten mehrere Stunden bis Tage und es sei deswegen technisch und zeitlich ausgeschlossen, alle Schlachttiere testen zu können. Offensichtlich hat er keine Ahnung von den Schnelltests und ihrer absolut problemlosen Integration in die Abkühlzeit der Schlachthälften. Lediglich dort, wo eine Warmfleischzerlegung genehmigt war, führen BSE-Tests tatsächlich zu einer Verzögerung.

Falsch ist auch die Behauptung, die Schnelltests könnten prinzipiell bei weniger als 30 Monate alten Rindern nicht ansprechen. Es ist schon peinlich, daß ausgerechnet im Januar 2001 gleich zweimal per Schnelltest BSE-Infektionen bei nur 28 Monate alten deutschen Rindern nachgewiesen wurde. Der Autor hätte es aber auch besser wissen müssen, weil es vorher schon in England jüngere BSE-Fälle gab. Hierzu passend nennt er 1986 als das Jahr des ersten BSE-Falles. In Wirklichkeit erkrankte die erste eindeutig diagnostizierte Kuh bereits im September 1985 an BSE und die erste Veröffentlichung der Entdeckung von BSE als neue Krankheit erfolgte 1987.

Auch in der Frage des Ursprunges der BSE-Epidemie beschreibt der Autor einseitig und wie eine Tatsache die unter Fachleuten längst umstrittene These, daß zu Tiermehl verarbeitete Kadaver scrapiekranker Schafe die ersten Rinder infizierten. Angesichts dieser Fülle von Unwahrheiten und Fehlinterpretationen ist es schon nebensächlich, daß er den irischen EU-Kommissar Byrne als Engländer bezeichnet. Aber nicht nebensächlich und ein eklatanter Mißbrauch der Wissenschaft ist es, wenn der Autor die immer noch umstrittene und keineswegs bewiesene Prionhypothese als nachgewiesen bezeichnet (So muß er rein formal den klassischen Seuchenbegriff nicht auf BSE anwenden.) und wenn er gleichzeitig entgegen der Prionhypothese und aller Ergebnisse der TSE-Forschung die Prionen als nicht vermehrungsfähig und nicht ansteckend bezeichnet.

Wer so wenig von BSE versteht, sollte nicht darüber schreiben. Aber es geht dem Autor offensichtlich nicht um Wissenschaft, sondern um Propaganda für die Tiermehlverfütterung. Als krönenden Abschluß leugnet er auch noch die zahlreichen erfolgreichen Übertragungen von Scrapie und BSE durch Verfütterung. Er behauptet, BSE sei völlig ungefährlich, sofern man nicht durch Verletzungen im Verdauungstrakt vorgeschädigt sei. Wen wundert es da noch, daß der Autor auch noch nebenbei und selbstverständlich ohne jeden Nachweis behauptet, Milchaustauscher könnten für die Ausbreitung von BSE in England nicht verantwortlich gewesen sein.

Berechtigt ist allerdings Hofmanns Kritik am Export britischen Tiermehls, der nach dem britischen Verfütterungsverbot noch gesteigert wurde. Das war in der Tat ein unentschuldbares Verbrechen gegen Verbraucher und die europäische Landwirtschaft.

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