Journal of General Virology 2003 Apr; 84(Pt 4): 1021-31

Roland Heynkes, 1.2.2006

Gliederung

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Wells,G.A.H.; Hawkins,S.A.C.; Austin,A.R.; Ryder,S.J.; Done,S.H.; Green,R.B.; Dexter,I.; Dawson,M.; Kimberlin,R.H. - Studies of the transmissibility of the agent of bovine spongiform encephalopathy to pigs - Journal of General Virology 2003 Apr; 84(Pt 4): 1021-31

meine Zusammenfassung des Artikels nach oben

Aus dem Jahr 1979 gibt es einen Bericht über einen vergeblichen Versuch zur Übertragung von Kuru auf das Schwein [ATWG].

Im Februar und März 1989 wurden mit 10%igem Hirnstamm-Homogenat von 4 BSE-Rindern parenteral (0,5 ml intrazerebral, 8-9 ml intraperitoneal und 1-2 ml intravenös) im Alter von 1-2 Wochen 10 Ferkeln inokuliert. Als Negativkontrollen injizierte man 11 Schweinen statt Hirnstamm-Homogenat nur Salzlösung. Eines der inokulierten Schweine starb nach 10 Tagen und wurde durch eines der Kontrolltiere ersetzt. Zwei weitere inokulierte Schweine (nach 47 bzw. 50 Wochen) und zwei Kontrollschweine mussten ebenfalls vorzeitig krankheitsbedingt getötet werden. Die erfolgreiche Übertragung von BSE auf eines der restlichen 8 Empfängerschweine wurde 1990 gemeldet [ANHT] und später bestätigt [APSA,ATWH]. Dieses Tier musste 74 Wochen nach der Inokulation getötet werden. Seit 1994 ist auch klar, daß das Gehirn dieses mit BSE infizierten Schweins für Mäuse infektiös war [ABXD]. Drei weitere Empfängerschweine wurden nach 105-107 Wochen ohne klinische Symptome getötet und bei zwei dieser drei Schweine wurden histopathologisch Anzeichen für eine erfolgreiche BSE-Übertragung gefunden [ATWI,ATWJ]. Die restlichen 4 Empfängerschweine entwickelten neurologische Symptome und mussten deshalb nach 139, 151, 152 bzw. 163 Wochen getötet werden. Bei den 5 erkrankten Tieren lagen die Inkubationszeiten zwischen 69 und 150 Wochen und sie mussten nach Krankheitsphasen von 5-13 Wochen getötet werden. Genau wie zwei von drei vorzeitig getöteten Empfängerschweinen fand man auch bei allen fünf erkrankten Schweinen neuropathologisch Durchlöcherungen als Anzeichen für eine TSE-Diagnose und konnte sie auch immunhistochemisch sowie durch die Bioassays bestätigen. Für die Bioassays wurden folgende Gewebe entnommen:

per bioassay getestete Gewebe parenteral inokulierter Schweine
Gewebe Wochen nach der Inokulation
74 105-107 139-163 255-263
Hirnrinde + + + +
Rückenmark   +   +
Milz +   +  
Thymus     +  
mesenterialer Lymphknoten +   +  
Magen     +  
Jejunum     +  
distales Ileum     +  
Pankreas     +  
Leber +   +  
Niere +   +  

Die erste Spalte steht für ein einziges sehr früh erkranktes Schwein. Die zweite Spalte steht für 4 gesunde Kontrollschweine und 3 gesunde Empfängerschweine, von denen sich 2 als infiziert erwiesen. Die dritte Spalte steht für ein gesundes Kontrollschwein und 4 bereits erkrankte Empfängerschweine, deren Gewebe für den Bioassay jeweils vereinigt wurden. Die vierte Spalte steht für 4 gesunde Negativkontrollen, deren Gewebe individuell überprüft wurden.

Von den Geweben des bereits nach 74 Wochen getöteten Schweins führte nur das Gehirn bei 17 von 19 Empfängermäusen zu tödlichen Infektionen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 594 Tagen. Bei einem schon nach 105 Wochen getöteten gesunden Empfängerschwein infizierte Hirngewebe 16 von 19 Mäusen tödlich mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 579 Tagen, aber auch Rückenmark dieses Schweins tötete 17 von 20 Mäusen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 623 Tagen. Bei einem schon nach 106 Wochen getöteten gesunden Empfängerschwein infizierte Hirngewebe alle 20 Mäuse tödlich mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 544 Tagen, während das Rückenmark dieses Schweins nur 13 von 20 Mäusen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 585 Tagen tötete. Bei den nach 139-163 Wochen krankheitsbedingt getöteten Empfängerschweinen wurden die jeweils gleichen Gewebe vereinigt. Das vereinigte Hirngewebe dieser 4 Schweine tötete 17 von 20 Mäusen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 525 Tagen. Die Infektiosität des Rückenmarks wurde nicht getestet. Von den getesteten übrigen Geweben waren nur der Magen bei 1 von 13 Empfängermäusen mit einer Inkubationszeit von 708 Tagen, das Jejunum bei 4 von 19 Empfängermäusen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 603 Tagen, das distale Ileum bei 2 von 19 Empfängermäusen mit Inkubationszeiten von durchschnittlich 637 Tagen und der Pankreas bei 1 von 14 Empfängermäusen mit einer Inkubationszeit von 599 Tagen tödlich. Die langen Inkubationszeiten zeigen aber, daß der Bioassay in diesem Experiment mit einer relativ geringen Sensitivität funktionierte. Wahrscheinlich litt das Experiment an einer natürlich nicht vorhersehbar hohen Speziesbarriere zwischen BSE-infizierten Schweinen und den verwendeten Empfängermäusen. Im Schwein vermehrt sich daher der BSE-Erreger wahrscheinlich in einer noch größeren Anzahl von Organen, als es hier gezeigt werden konnte. Vermutlich ähneln BSE-infizerte Schweine in dieser Hinsicht eher BSE-infierten Schafen als BSE-infizierten Rindern. Es ist aber auch möglich, daß man in den bereits klinisch erkrankten Schweinen nur die unspezifische Ausbreitung der Infektiosität vom Zentralnervensystem in die Peripherie am Ende der Inkubationszeit nachweisen konnte.

Letztlich wurden 7 von 8 Empfängerschweinen intrazerebral eindeutig erfolgreich mit BSE inokuliert. Neuropathologische Details wurden bereits publiziert [AKGY]. Bei den intrazerebral nur mit Salzlösung inokulierten Kontrolltieren fand man keinerlei Anzeichen für eine TSE, obwohl alle Schweine Kraftfutter erhielten, welches auch Tiermehl enthielt. Hätte man die Schweine mit garantiert BSE-freiem Futter gefüttert, dann hätte man als sinnvollere Negativkontrolle die Kontrolltiere intrazerebral mit Hirn-Homogenat garantiert BSE-freier Rinder inokulieren können. Vielleicht wusste man nicht, woher man solche Rinder und garantiert auberes Futter hätte bekommen können.

Selbstverständlich wollte man nicht nur wissen, ob Schweine überhaupt mit BSE infizierbar sind. Entscheidend war die Frage, ob sie auch oral infizierbar sind. Anstatt dies aber wegen der vergleichsweise extrem geringen Anzahl von Versuchstieren mit einer sehr großen Menge infekiösen Materials zu tun, wollte man es nur mit der maximalen Menge versuchen, die ein kommerziell gehaltenes Schwein während eines Lebens in Form von Tiermehl aufnehmen könnte. Man errechnete, daß Schweine üblicherweise während der ersten 3 Monate ihres kurzen Lebens bis zur Schlachtung etwa 56 kg Nahrungskonzentrat erhalten. Zieht man davon den Wassergehalt ab und geht von einem maximalen Tiermehlanteil von 15% aus, den könnte ein kommerziell aufgezogenes Schwein in den ersten 3 Monaten höchstens 80 g Tiermehl pro Tag fressen. Die Umrechnung der Autoren auf Hirnhomogenat ist für mich nicht nachvollziehbar, aber man wollte jedenfalls an jedes Empfängerferkel in Abständen von 1-2 Wochen 3 mal 400 g 10%iges Hirnhomogenat verfüttern. Seltsamerweise sprechen die Autoren dann aber im Methodenteil und in der Diskussion von insgesamt 1,2 kg infizierten Hirns pro Schwein und lassen dabei die Verdünnung unberücksichtigt. In Wirklichkeit haben die Ferkel nur durchschnittlich 120 g infektiöses Rinderhirn erhalten, was allerdings auch schon eine erhebliche Menge ist. Dem steht aber die sehr geringe Anzahl von nur 10 Versuchstieren gegenüber, während in der Landwirtschaft Hunderte von Millionen Schweinen mit Tiermehl gefüttert wurden. Außerdem wurden in diesem Verfütterungsexperiment 4 der ohnehin nur 10 Empfängerschweine nach nur 2 Jahren getötet und drei weitere Schweine mussten nach 80, 173 bzw. 265 Wochen krankheitsbedingt vorzeitig getötet werden. Lediglich 3 Empfängerschweine ließ man immerhin 7 Jahre am Leben und tötete sie nach 366 bzw. 367 Wochen.

Die praktische Durchführung dieses kleinen Versuchs einer oralen Inokulation von Schweinen begann im Jahr 1990 oder 1991 mit einem Homogenat aus 29 Rinderhirnen von bestätigten BSE-Fällen aus dem Jahr 1990 [APSA]. Dazu wurden 5 schwangere Säue verschiedener Rassen gekauft. Für die Verfütterungsgruppe und für die Kontrollgruppe wurden von jeder der 5 Rassen jeweils ein weibliches und ein kastriertes männliches Ferkel im Alter von 7-8 Wochen ausgesucht. Der Verfütterungsgruppe von 10 Ferkeln wurden im Mai und Juni 1990 dreimal jeweils 4 kg des Homogenates gegeben, und jedes soll etwas davon gefressen haben. Demnach hätten 10 Ferkel jeweils rund 1,2 kg Hirnhomogenat gefressen. Die Kontrollgruppe bekam ganz normales Futter und wurde getrennt von den inokulierten Tieren gehalten. Da frage ich mich allerdings, was man unter diesen Umständen eigentlich noch kontrollieren will. Die ersten jeweils 5 Versuchs- und Kontrolltiere wurden schon 2 Jahre nach der Inokulation getötet, die restlichen Tiere nach 7 Jahren. Den Empfängerschweinen wurden jeweils Hirnrinde, Medulla oblongata, Rückenmark, Musculus semitendinosus, Milz, Thymus, retropharyngealer Lymphknoten, mesenterialer Lymphknoten, Kniekehlen-Lymphknoten, Magen, distales Ileum, Pankreas, Leber und Niere entnommen und histopathologisch, immunhistochemisch, elektronenmikroskopisch und durch intrazerebrale (20 µl) sowie intraperitoneale (100 µl) Inokulation von je 20 C57BLJ6- und RIII-Mäusen mit 10%igen Gewebesuspensionen untersucht. Für die Bioassays wurden die Gewebe der nach 80-109 Wochen getöteten Schweine wurden ebenso zusammen gemischt (pooled) wie die Gewebe der nach 350-371 Wochen getöteten. Die RIII-Empfängermäuse wurden nach 650 Tagen getötet, die C57BLJ6-Mäuse nach 700 oder 950 Tagen. Mit keiner dieser Methoden fand man bei einem der Empfänger- oder Kontrolltiere Anzeichen für eine TSE-Infektion.

Weil in den USA Schweine und Geflügel mit aus Wiederkäuern gewonnenen Futtermitteln gemästet werden, wurden von einer US-amerikanischen Arbeitsgruppe 8 Ferkel oral (4 mal 15 ml) und 12 Ferkel intrazerebral (0,75 ml) mit 10%igem Hirnhomogenat von in den USA an Scrapie erkrankten Schafen inokuliert. Sechs Ferkel dienten als Negativkontrollen und es gab sogar eine Positivkontrolle in Form von Schafen. Leider vergaßen die Autoren zu erwähnen, auf welche Weise diese Schafe inokuliert wurden und was aus ihnen wurde. Schon nach nur 6 Monaten wurden die Schweine getötet und man fand wie kaum anders zu erwarten immunhistochemisch keine Anzeichen von Scrapie-Infektionen in den Schweinen. Dieses Übertragungsexperiment wurde aber mit Wurfgeschwistern wiederholt und diesmal sollen die Schweine erst nach Inkubationszeiten von 3-7 Jahren getötet werden. Ähnliche Übertragungsversuche mit Empfängerschweinen laufen auch mit CWD-infektiösem Material von Wapiti, Maultierhirsch und Weißwedelhirsch. [ATYG]

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ABXD . Bruce,M.E.; Chree,A.; McConnell,I.; Foster,J.; Pearson,G.; Fraser,H. - Transmission of bovine spongiform encephalopathy and scrapie to mice: strain variation and the species barrier. - Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B: Biological Sciences 1994 Mar 29; 343(1306): 405-11

ATWI . Dawson,M.; Wells,G.A.H.; Parker,B.N.J.; Francis,M.E.; Scott,A.C.; Hawkins,S.A.C.; Martin,T.C.; Simmons,M.M.; Austin,A.R. - Transmission studies of BSE in cattle, pigs and domestic fowl - Transmissible Spongiform Encephalopathies, pp. 161-167. Edited by R. Bradley & B. Marchant. A Consultation on BSE with the Scientific Veterinary Committee of the Commission of the European Communities held in Brussels, 14-15 September 1993. Document VI/4131/94-EN. Brussels: European Commission, Agriculture.

APSA . Dawson,M.; Wells,G.A.H.; Parker,B.N.J.; Scott,A.C. - Transmission studies of BSE in cattle, hamsters, pigs and domestic fowl - Sub-Acute Spongiform Encephalopathies, edited by Ray Bradley, Marc Savey and Brian Marchant - Proceedings of a Seminar in the CEC Agricultural Research Programme, held in Brussels, 12-14 November 1990, 1991; 55: 25-32

ANHT . Dawson,M.; Wells,G.A.H.; Parker,B.N.J.; Scott,A.C. - Primary parenteral transmission of bovine spongiform encephalopathy to the pig - The Veterinary Record 1990 Sep 29; 127(13): 338

ATWG . Gibbs,C.J.Jr.; Gajdusek,D.C.; Amyx,H.L. - Strain variation in the viruses of Creutzfeldt-Jakob disease and kuru - Slow Transmissible Disease of the Nervous System, 1978 Volume 2: 87-110, (Editors, S.B. Prusiner & W.J. Hadlow). Academic Press, New York

ATYG . Greenlee,J.J.; Kunkle,R.A.; Hamir,A.N. - Experimental intracerebral and oral inoculation of scrapie to swine: preliminary report [abstract] - Proceedings of the American Association of Veterinary Laboratory Diagnosticians 48th Annual Conference. P. 38 - http://www.ars.usda.gov/research/publications/publications.htm?seq_no_115=180786

ATWJ . Hawkins,S.A.C.; Ryder,S.J.; Wells,G.A.H.; Austin,A.R.; Dawson,M. - Studies of experimental transmissibility of BSE and scrapie to pigs - Proceedings of the 15th International Pig Veterinary Society Congress, Birmingham, July 5-9 1998

ATWH . Kimberlin,R.H. - A scientific evaluation of research into bovine spongiform encephalopathy (BSE) - Transmissible Spongiform Encephalopathies, pp. 455-477. Edited by R. Bradley & B. Marchant. A Consultation on BSE with the Scientific Veterinary Committee of the Commission of the European Communities held in Brussels, 14-15 September 1993. Document VI/4131/94-EN. Brussels: European Commission, Agriculture.

AKGY . Ryder,S.J.; Hawkins,S.A.C.; Dawson,M.; Wells,G.A.H. - The neuropathology of experimental bovine spongiform encephalopathy in the pig - Journal of Comparative Pathology 2000 Feb-Apr; 122(2-3): 131-43

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