http://europa.eu.int/comm/food/fs/sc/ssc/out79_en.pdf

Roland Heynkes, 27.5.2001

Gliederung

bibliographische Angaben
meine Zusammenfassung der SSC-Stellungnahme
Literaturliste

bibliographische Angaben

Scientific Steering Committee - Oral exposure of humans to the BSE agent: Infective dose and species barrier - Adopted by the Scientific Steering Committee at its meeting of 13-14 April 2000 following a public consultation via Internet between 6 and 7 March 2000 - http://europa.eu.int/comm/food/fs/sc/ssc/out79_en.pdf

meine Zusammenfassung der SSC-Stellungnahme

Während eines Treffens am 13. und 14. April 2000 nahm das SSC als Ergänzung einer entsprechenden Stellungnahme vom 9. und 10. Dezember 1999 die folgende durch eine Arbeitsgruppe vorbereitete und mit Unterstützung öffentlich erbetener Kommentare verbesserte Stellungnahme an. Das SSC stellt fest, daß BSE-Infektionen inzwischen allgemein als Ursache für die neue CJK-Variante akzeptiert werden. 1 Gramm Hirn von einem BSE-kranken Rind soll zwischen 10 und 1000 für die Hälfte der damit gefütterten Rinder tödliche Dosen (LD50) enthalten. Die Größenordnung der minimalen, für Menschen oral infektiösen Dosis läßt sich aber laut SSC nicht abschätzen. Obwohl wahrscheinlich eine Speziesbarriere zwischen Rind und Mensch existiert, läßt sich ihre Existenz nicht beweisen und schon gar nicht ihre Höhe bestimmen. Es ist auch nicht bekannt, ob mehrere kleine Dosen additiv wirken. Daher müßte man eigentlich immer vorsichtshalber den schlimmst denkbaren Fall annehmen. Das SSC warnt aber davor, daß die Kombination mehrerer Annahmen schlimmstmöglicher Fälle zu völlig unrealistischen Szenarien führen könnten. Als Beispiel hierfür wählt es allerdings ein ungeeignetes, weil die für die Infektion von Menschen erforderliche Dosis von der Speziesbarriere abhängt und man daher nicht von zwei unabhängigen Faktoren sprechen darf. Das SSC macht aber den bemerkenswerten Vorschlag, die internationale Gemeinde der TSE-Forscher solle ein realistisches Szenario des schlimmsten anzunehmenden Falles erarbeiten. Außerdem fordert das SSC weitere Forschung zur biophysikalischen Beschaffenheit des Erregers, zur biologischen Grundlage der Speziesbarriere und zur Pathogenese von TSE nach oraler Inokulation. Nach Ansicht des SSC müßte eine quantitative Einschätzung der BSE-Risiken für den Menschen die Höhe der Speziesbarriere zwischen Rind und Mensch, die Infektiositäten und die Verwendung der verschiedenen Rindergewebe, die minimale infektiöse Dosis und den Effekt wiederholter Aufnahme kleinster Dosen, den Weg des Erregers zum Zentralnervensystem des Menschen und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Infektion, die Pathogenese der TSE und die unterschiedlichen erblich bedingten Empfänglichkeiten berücksichtigen. Ich denke, daß das SSC da einige Dinge mehrfach nennt und nicht sauber gegeneinander abgrenzt, daß aber die Grundhaltung gegenüber dem Problem genau richtig ist.

Hinsichtlich der Speziesbarriere empfiehlt das SSC, alle Werte von 1-10.000 in die Berechnung einzubeziehen.

Auch wenn die Infektiosität für den Menschen unbekannt ist, verlangt das SSC in allen Ländern mit einem BSE-Risiko die Entfernung aller hochinfektiösen Gewebe aus menschlicher und tierischer Nahrung.

Hinsichtlich extrem niedriger und experimentell nicht nachweisbarer Erregerkonzentrationen meint das SSC, daß man bis hinunter zu den kleinsten Dosen von einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ausgehen und deren Wirkung auf die gesamte Bevölkerung betrachten sollte. Demnach würde es für die Gesamtpopulation keinen Unterschied machen, ob 1 Million Menschen jeweils eine Tausendstel LD50, oder ob 100.000 Menschen jeweils eine Hundertstel LD50 aufnähmen. In beiden Fällen müßte mit 500 Toten gerechnet werden. Mir scheint diese Annahme sehr vernünftig zu sein.

Bei wiederholter Aufnahme sehr kleiner Dosen geht das SSC von einer additiven Wirkung aus, sofern die Abstände der Aufnahme nicht zu groß sind. Diese Einschränkung ist für mich nicht nachvollziehbar, weil die Abstände der Aufnahme nur dann eine Rolle spielen könnten, wenn die einzelnen Dosen irgendwie kooperativ wirken würden. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte und in einem solchen Fall wäre die Dosis-Wirkungs-Beziehung auch nicht linear. Ich würde daher die additive Wirkung kleiner Dosen eher mit wiederholt durchgeführtem russischen Roulette vergleichen, wo die Zeitabstände zwischen den Schüssen auch keinen Einfluß auf die Überlebenswahrscheinlichkeit haben.

Hinsichtlich des Infektionsweges verweist das SSC auf die zumindest bei innerartlichen Übertragungsexperimenten wesentlich geringere Effizienz oraler Übertragungen. Es betont aber auch, daß man bei Übertragungen zwischen verschiedenen Arten nichts über den Effizienzabstand zwischen oraler und intrazerebraler Inokulation wisse. Dies stimmt allerdings nicht, denn Barlow und Middleton hatten hierzu bereits 1990 Zahlen vorgelegt [ANCB, ANCC] und inzwischen lieferten Taylor et al. noch exaktere Zahlen [ALMQ]. Danach ist in Wirklichkeit der Abstand zwischen oraler und intrazerebraler Inokulation bei Übertragungen zwischen verschiedenen Arten sehr viel geringer als bei innerartlichen Übertragungen.

Literaturliste

ANCB . Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Dietary transmission of bovine spongiform encephalopathy to mice - Veterinary Record 1990 Feb 3; 126(5): 111-2

ANCC . Barlow,R.M.; Middleton,D.J. - Oral transmission of BSE to mice - Sub-Acute Spongiform Encephalopathies, edited by Ray Bradley, Marc Savey and Brian Marchant - Proceedings of a Seminar in the CEC Agricultural Research Programme, held in Brussels, 12-14 November 1990, 1991; 55: 33-9 in Current Topics in Veterinary Medicine and Animal Science

ALMQ . Taylor,D.M.; Fernie,K.; Steele,P.J.; Somerville,R.A. - Relative efficiency of transmitting bovine spongiform encephalopthy to RIII mice by the oral route - Veterinary Record 2001 Mar 17; 148: 345

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