British Medical Journal 1995 Oct 21; 311(7012): 1071-5

Roland Heynkes, 15.7.2001

Gliederung

bibliographische Angaben
meine Zusammenfassung des Artikels
Literaturliste

bibliographische Angaben

Ridley,R.M.; Baker,H.F. - The myth of maternal transmission of spongiform encephalopathy - British Medical Journal 1995 Oct 21; 311(7012): 1071-5

meine Zusammenfassung des Artikels

Unter Berufung auf eine reichlich veraltete Darstellung von Michael Alpers aus dem Jahre 1987 [ANCH] berichten die Autoren, kein nach 1959 geborenes Kind einer an Kuru erkrankten Mutter habe selbst Kuru entwickelt. Dies waren allerdings Beobachtungszeiträume von weniger als 29 Jahren mit einer nicht genannten, aber wahrscheinlich kleinen Zahl solcher Nachkommen.

Die Autoren sehen auch im Nachweis von CJK-Infektivität in Plazenta, Blut und Kolostrum einer Japanerin unmittelbar nach ihrer Schwangerschaft keinen Beweis für eine maternale Übertragung, weil das Kind dieser CJK-Patientin genau wie die Kinder zweier anderer CJK-Patientinnen [ABWB] nicht erkrankt sei. Allerdings war dieses japanische Kind nach dem Bericht von Tamai et al. [ALJP] gar nicht gestillt worden.

Als Argumente gegen die Existenz maternaler Übertragung führen sie auch an, daß die Nachkommen der von Tamai et al. mit CJK infizierten Mäuse [ALJP] ebenso wie die Nachkommen vieler CJK-infizierter Affen [AAGU] nicht erkrankt seien. Die Autoren behaupten aber auch, die britische BSE-Datenbank habe gezeigt, daß die Nachkommen von BSE-Kühen kein erhöhtes BSE-Risiko hätten. Diese Aussage ist zwar schlicht falsch, aber sie berufen sich eben auf eine ältere epidemiologische Studie von Wells und Wilesmith [AMJI] und die Ergebnisse der Weybridge-Kohortenstudie [AMMU] konnten die Autoren damals ja noch nicht kennen.

Die nach dem britischen Verfütterungsverbot von 1988 geborenen BSE-Rinder führen die Autoren zumindest weitgehend korrekt auf Kontamination von Rinderfutter mit dem damals nur für Wiederkäuerfutter verbotenen Tiermehl zurück. Als Beleg führen sie an, daß die BSE-Inzidenz in Gebieten mit großem Schweine- und Geflügelbestand erhöht sei. Fälle von BSE bei zugekauften Kühen in ansonsten nicht betroffenen Mutterkuhherden [AMJI] führen die Autoren als Hinweis auf nicht existierende horizontale Übertragung an. Die Autoren widersprechen auch Versuchen, die Fälle von BSE bei einer Kudu-Antilope und ihrer Mutter als Beleg für eine maternale Übertragung zu nehmen. Schließlich trat in der Folgezeit BSE auch bei anderen Kudu-Antilopen und 5 anderen exotischen Huftierarten auf [AGMP] und vermutlich in Folge des ersten britischen Verfütterungsverbotes traten nach 1993 keine weiteren Fälle mehr auf. In der Tat spricht dies eher für eine gemeinsame Infektionsquelle im Futter.

Seltsamerweise behaupten die Autoren, außer Scrapie beim Schaf und vielleicht bei Ziegen, sei nur die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit des Menschen endemisch und sie übersehen dabei das chronic wasting disease freilebender amerikanischer Hirsche.

Obwohl ihnen die dominante Vererbung der CJK bekannt ist, halten die Autoren es für möglich, daß sich Scrapie von gelegentlichen horizontalen Übertragungen abgesehen, hauptsächlich als rezessive Erbkrankheit ausbreite. Dabei wissen sie auch, daß die 4 polymorphen Codons 112, 136, 154 und 171 nur die Empfänglichkeit für Infektionen erhöhen und nicht selbst krank machen. Sie finden aber einfach, daß das Ausbreitungsmuster von Scrapie besser zu einer rezessiven Erbkrankheit passe.

Die Autoren weisen auf das beim Versuch des Nachweises von Scrapieinfektiosität in Schafsgeweben häufig aufgetretene Problem hin, daß scrapieresistente Empfängerschafe gar nicht, scrapieempfängliche Empfängerschafe jedoch auch ohne experimentelle Inokulation erkrankten. Hauptsächlich aus diesem Grund, aber auch wegen unzureichender Dokumentation insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Väter, halten die Autoren die zur Frage maternaler oder paternaler Übertragung von Scrapie bei Schafen durchgeführten Experimente für nicht schlüssig und dies ist nachvollziehbar. Ein zusätzliches Problem bei der Auswertung von Nachkommen empfänglicher und resistenter Schafe ist der Umstand, daß der Zufall in Form von eben auch bei empfänglichen Tieren nicht immer zustande kommendenden Infektionen eine große Rolle spielt. Eine relativ sauber durchgeführte Studie deutet nicht auf maternale Übertragung von Scrapie beim Schaf hin. Auch genetische Analysen sprechen beim Schaf wie beim Menschen eher für genetische Ursachen familiärer Häufungen.

Literaturliste

ANCH . Alpers,M. - Epidemiological and clinical aspects of kuru - In: Prusiner,S.B. und McKinley,M.P. (Editoren) Prions: novel infectious pathogens causing scrapie and Creutzfeldt-Jakob disease. San Diego: Academic Press, 1987: 451-65

AAGU . Amyx,H.L.; Gibbs,C.J.Jr; Gajdusek,D.C.; Greer,W.E. - Absence of vertical transmission of subacute spongiform viral encephalopathies in experimental primates - Proceedings of the Society for Experimental Biology and Medicine 1981 Apr; 166(4): 469-71

ABWB . Brown,P.; Cathala,F.; Raubertas,R.F.; Gajdusek,D.C.; Castaigne,P. - The epidemiology of Creutzfeldt-Jakob disease: conclusion of a 15-year investigation in France and review of the world literature. - Neurology 1987 Jun; 37(6): 895-904

AGMP . Kirkwood,J.K.; Cunningham,A.A. - Epidemiologic observations on spongiform encephalopathies in captive wild animals in the british-isles - Veterinary Record 1994; 135(N13): 296-303

ALJP . Tamai,Y.; Kojima,H.; Kitajima,R.; Taguchi,F.; Ohtani,Y.; Kawaguchi,T.; Miura,S.; Sato,M.; Ishihara,Y. - Demonstration of the transmissible agent in tissue from a pregnant woman with Creutzfeldt-Jakob disease - New England Journal of Medicine 1992 Aug 27; 327(9): 649

AMJI . Wells,G.A.H.; Wilesmith,J.W. - The neuropathology and epidemiology of bovine spongiform encephalopathy - Brain Pathology 1995 Jan; 5(1): 91-103

AMMU . Wilesmith,J.W.; Wells,G.A.; Ryan,J.B.; Gavier-Widen,D.; Simmons,M.M. - A cohort study to examine maternally-associated risk factors for bovine spongiform encephalopathy - Veterinary Record 1997 Sep 6; 141(10): 239-43

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