Mitteilungen aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene 1996; 87: 38-47

Roland Heynkes, 21.4.2004

Gliederung

bibliographische Angaben
meine kritische Bewertung des Artikels
Literatur

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Kihm,U.; Hörnlimann,B.; Heim,D. - Risikoanalyse und Epidemiologie von BSE in der Schweiz - Mitteilungen aus dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygiene. Travaux de chimie alimentaire et d'hygiène 1996; 87: 38-47

meine kritische Bewertung des Artikels nach oben

Die Autoren übernehmen die Aussagen älterer Publikationen zu unkritisch und kommen so aufgrund falscher Grundannahmen zu haltlosen Schußfolgerungen. So behaupten sie, daß für eine vertikale BSE-Übertragung kein statistisch signifikantes Risiko vorliege und verweisen auf die lächerliche Studie von Hoinville et al. [AFLN]. Erstens darf man nicht von einem nicht signifikanten Resultat einer Studie auf das tatsächliche Ausmaß eines Risikos schließen und zweitens sollte man sich die Studie genau ansehen. Hoinville et al. werteten Fallzahlen von zum Teil deutlich unter 10 statistisch aus und rechneten daraus auch noch Signifikanzen aus. Aus der Selbstverständlichkeit, daß sie keine signifikanten Ergebnisse bekamen, schlossen sie unsinnigerweise auf nicht vorhandene Zusammenhänge. Drittens sollte man immer überlegen, ob es nicht auch andere als die von den jeweiligen Autoren angebotenen Interpretationen gibt. Wenn wie im Falle von BSE nur ein kleiner Teil der infizierten Tiere erkrankt, dann können die Übertragungsrisiken für Kälber von erkrankten und nicht erkrankten Müttern natürlich nur wenig unterschiedlich sein. Es kann ja gut so sein, daß BSE nicht vertikal übertragen wird. Aber gezeigt wurde dies bisher so wenig wie das Gegenteil.

Die Objektivität der Autoren wird anscheinend durch eine Neigung zur Verharmlosung getrübt. Dies zeigen Formulierungen wie: "Die Möglichkeit der BSE-Übertragung von Tier zu Tier (horizontal) kann nach der Studie von Hoinville et al. nicht ganz ausgeschlossen werden" oder "... ist eine Infektiosität der bei der Geburt in die Umgebung ausgeschiedenen Nachgeburtsteile und -flüssigkeiten von an BSE erkrankten Tieren nicht feststellbar". Die horizontale Übertragung, kann nicht nur nicht ganz, sondern überhaupt nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil spricht gerade die angesprochene Studie [AFLN] eher dafür. Auch der Vergleich mit der viel besser untersuchten Scrapie sollte die Autoren eigentlich nachdenklich machen. Stattdessen verweisen sie aber lieber auf wissenschaftlich völlig irrelevante Fehlversuche bei der Übertragung des BSE-Erregers mit Plazenta-Material. Beweiskräftig sind höchstens positive Ergebnisse, wie die von Schafen bekannten.

Eigentlich müßten die Autoren auch wissen, daß das schweizerische ebenso wie das deutsche Verfahren zur Tierkörpermehlherstellung lediglich besser als das englische abreichern, ohne jedoch einen sicheren Schutz gegen Infektionen zu gewährleisten. Und warum erkennen nur so wenige Verantwortliche den Unterschied zwischen einer Infektion und einer tödlichen Infektion.

Wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist auch die wohl durch den Wunsch zur Problemverdrängung motivierte Behauptung: "Bei Scrapie sind, im Gegensatz zu BSE, unter anderem auch die Milz und der Thymus infektiös.". Die sehr begrenzte Empfindlichkeit der bisher eingesetzten Nachweisverfahren sollte den Autoren bekannt gewesen sein. Wenn die Kinder der Autoren nach kurzem Suchen ihre Pantoffeln für verschwunden erklären, dürften diese bei ihren Eltern wohl auf weniger blindes Vertrauen oder Leichtgläubigkeit stoßen.

Verräterisch ist auch die Formulierung "... theoretisch nicht ausschliessbaren Restrisiko einer Übertragung der BSE auf den Menschen". Spätestens seit der bekannte Übertragung von BSE auf einen Affen musste man dieses Risiko als erheblich und durfte es keinesfalls als theoretisch nicht ausschliessbares Restrisiko bezeichnen. Aus der Priontheorie folgt sogar zwingend, daß die Übertragung auf den Menschen möglich sein muß. Einfache chemische Reaktionen laufen nämlich immer mit Wahrscheinlichkeiten über 0 ab.

Da wundert es schon nicht mehr, wenn die Infizierbarkeit von Schweinen und die damit verbundenen Risiken unerwähnt bleiben. Für mich ist diese Arbeit keine Risikostudie, sondern eine enttäuschende und beunruhigende Beruhigungspille. Sie läßt wissenschaftliche Skepsis und Unbestechlichkeit vermissen.

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AFLN . Hoinville,L.J.; Wilesmith,J.W.; Richards,M.S. - An investigation of risk factors for cases of bovine spongiform encephalopathy born after the introduction of the 'feed ban' - Veterinary Record 1995 Apr 1; 136(13): 312-8

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