Science 1982 Apr 9; 216(4542): 136-44

Roland Heynkes, 5.1.2003

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Prusiner,S.B. - Novel proteinaceous infectious particles cause scrapie - Science 1982 Apr 9; 216(4542): 136-44

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In seinem Review schreibt Prusiner, es gebe keine Berichte über tatsächlich beobachteten Kanibalismus im Gebiet der Fore. Dies ist erstaunlich, da Gajdusek mit seinen detallierten Berichten genau diesen Eindruck erweckt [AEID]. Bei den von der Prusiner-Gruppe gehaltenen Hamstern und dem dort verwendeten Scrapie-Stamm beträgt die LD50 für die Infektion bei intrazerebraler Inokulation nur 1 Milliardstel der LD50 bei oraler Inokulation. Prusiner schreibt allerdings ID50 anstatt LD50 und lässt damit eine scharfe Trennung zwischen einer Infektion und einer tödlichen und daher erkennbaren Infektion vermissen. Außerdem übersetzt er ID50 falsch als "median infectious dose", also mittlere infektiöse Dosis. Dem Autor war 1982 keine antigene Wirkung des Scrapie-Erregers bekannt. Da man diesen auch nicht in Zellkulturen vermehren oder nachweisen kann, war für ihn die Entwicklung eines Nachweissystems mit sehr kurzen Inkubationszeiten bei Hamstern sehr wichtig.

Prusiner wiederholt seine Feststellung, daß bei intrazerebraler Inokulation von Hamstern die Inkubationszeit umgekehrt proportional zur eingesetzten Dosis ist. Genauer gesagt ist der Logarithmus der in Tagen gemessenen mittleren Inkubationszeit minus 40 eine lineare Funktion vom Logarithmus der eingesetzten Dosis. Diese sehr genaue und schnelle Methode zur Ermittlung der Infektiosität einer Präparation nutzte Prusiner, um eine Methode zur Anreicherung der Infektiosität aus Hamsterhirnen zu entwickeln und damit deren Eigenschaften untersuchen zu können. Deoxycholsäure-Extrakte von Hamsterhirnhomogenaten wurden bei 4°C zunächst mit Microkokkennuklease und anschließend mit Proteinase K verdaut. Aus den Verdauungstrümmern wurde die verbliebene Infektiosität durch Cholsäure-Sarkosyl-Extraktion, eine Ammoniumsulfat-Fällung und anschließend noch durch eine Sarkosyl-Agarosegelelektrophorese bei 4°C angereichert. Nach der Eluation aus dem Gel war das Verhältnis von Infektiosität zu Protein 100-1000-fach größer als zu Beginn der Reinigung. Bei einer Infektiosität von 10^6,5-10^8,5 lD50 fand man in einem Milliliter noch 20-50 µg Protein, <1 µg DNA und weniger als 10 µg RNA.

Einen Tag nach einer intrazerebralen Inokulation mit 10^7 LD50 findet man in einem Hamsterhirn nur noch 10^2 LD50. Während der folgenden 50 Tage steigt der Titer gleichmäßig über das ganze Gehirn verteilt bis auf 10^9 LD50 an, ohne das klinisch oder neuropathologisch irgendwelche Störungen oder Schäden erkennbar wären. Während der folgenden 10-15 Tage entwickeln sich die typischen Bewegungsstörungen und man findet 60-70 Tage nach der Inokulation überall im Gehirn vakuolisierte Neuronen und eine Astrogliose, obwohl der Titer nicht weiter ansteigt.

Als Urheber der Hypothese replizierender Proteine nennt Prusiner korrekt Pattison [AJHH] und Griffith [AEWT], vergißt dabei allerdings Alper et al. [AAFU] und [AAFT]. Außer der Kreation eines neuen Namens bestand seine eigene Leistung offenbar in der Auswahl der richtigen unter einer großen Zahl alternativer Hypothesen, die er aufzählt. Wichtig, weil ohne Beteiligung von Nukleinsäuren, waren darunter aber nur die 1967 von Gibbons und Hunter publizierte Idee sterisch veränderter Membrankomponenten unter Beteiligung von Zuckerstrukturen [AENG] und eventuell eine E.J.Field zugeschriebene Hypothese mit replizierenden Polysacchariden [AEAF]. Prusiner wählte aber auch nicht einfach zufällig, sondern aufgrund intensiver Erfahrung mit der Anreicherung der Infektiosität aus. Insbesondere gelang es seiner Arbeitsgruppe, Scrapie-Infektiosität frei von Membranen anzureichern, obwohl ein Teil der Infektiosität an Lipide gebunden zu sein schien.

Prusiner beschreibt eine Reihe vergeblicher Versuche, die Scrapie-Infektivität anzureichern. Dabei fielen eine erstaunliche Heterogenität hinsichtlich verschiedener Eigenschaften wie elektrischer Ladung, Partikelgröße und Dichte, sowie die störende Eigenschaft auf, bei Wärme mit Bestandteilen der Zellen zu aggregieren. Diese Heterogenität sowie die Erfahrung aus den Isolierungsversuchen ließen Prusiner vermuten, daß es auf der Oberfläche des infektiösen Agens hydrophobe Bereiche geben könnte. Offenbar dachte er dabei an die Möglichkeit der Aggregation durch hydrophobe Wechselwirkungen bzw. Wasserausschluß.

Der Autor zählt eine große Anzahl von Experimenten auf, die eine außerordentliche Unempfindlichkeit des Scrapie-Agens gegenüber Nukleinsäure schädigenden Prozeduren ergaben. Dagegen kann die Infektiosität mit Methoden reduziert werden, die Proteine angreifen:

Die Tabelle zeigt die Emfindlichkeit der Scrapie-Infektiosität gegenüber verschiedenen Agentien
Typ wirkungslos inaktivierend
Proteasen   Proteinase K, Trypsin
chemische Angriffe   Diethylpyrocarbonat, Butanedion, Phenylmethylsulfonylfluorid
Detergentien Triton X-100, Nonidet P-40, Octylglucosid, Sulfobetain 3-14, 1-Dodecyl-Propandiol-3-phosphorylcholin, Cholsäure, Sarkosyl Natrium-Dodecylsulfat (SDS), Lithium-Dodecylsulfat (LDS)
Ionen Na+, K+, Cl-, SO4-2, EDTA-4, PO4-3 Guanidiniumionen, Thiocyanationen, Trichloressigsäure
Denaturantien   Harnstoff
organische Lösungsmittel Methanol, Ethanol Phenol

Wegen der neuartigen Eigenschaften des Scrapie-Agens, nennt der Autor es Prion für "small proteinaceous infectious particle". Vermutlich erstmals fällt auch der Begriff Prionprotein. Die Aufzählung verschiedener Möglichkeiten zur Erklärung einer Krankheitsübertragung ohne Nukleinsäuren erweist sich im Nachhinein als unvollständig und fehlerhaft. Zu diesem Zeitpunkt war der Autor noch weit davon entfernt, den Übertragungsmechanismus zu verstehen.

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AAFT . Alper,T.; Cramp,W.A.; Haig,D.A.; Clarke,M.C. - Does the agent of scrapie replicate without nucleic acid? - Nature 1967 May 20; 214(90): 764-6

AAFU . Alper,T.; Haig,D.A.; Clarke,M.C. - The exceptionally small size of the scrapie agent - Biochemical and Biophysical Research Communications 1966 Feb 3; 22(3): 278-84

AEAF . Field,E.J. - Transmission experiments with multiple sclerosis: an interim report - British Medical Journal 1966 Sep 3; 2(513): 564-5

AEID . Gajdusek,D.C. - Unconventional viruses and the origin and disappearance of kuru - Science 1977 Sep 2; 197(4307): 943-60

AENG . Gibbons,R.A.; Hunter,G.D. - Nature of the scrapie agent - Nature 1967 Sep 2; 215(105): 1041-3

AEWT . Griffith,J.S. - Self-replication and scrapie - Nature 1967 Sep 2; 215(105): 1043-4

AJHH . Pattison,I.H.; Jones,K.M. - The possible nature of the transmissible agent of scrapie - Veterinary Record 1967 Jan 7; 80(1): 2-9

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