Science 1997 Jan 17; 275(5298): 402-5

Roland Heynkes, 20. Januar 1997 (aktualisiert am 5. Mai 2001)

Gliederung

bibliographische Angaben
meine Zusammenfassung des Artikels

bibliographische Angaben

Lasmézas,C.I.; Deslys,J.P.; Robain,O.; Jaegly,A.; Beringue,V.; Peyrin,J.M.; Fournier,J.G.; Hauw,J.J.; Rossier,J.; Dormont,D. - Transmission of the BSE agent to mice in the absence of detectable abnormal prion protein - Science 1997 Jan 17; 275(5298): 402-5

meine Zusammenfassung des Artikels

Durch intrazerebrale Inokulation (Injektion ins Gehirn) wurden 30 C57BL/6-Mäuse mit einem 25%-igen Homogenat eines BSE-Gehirnes infiziert. Alle Tiere erkrankten nach 368-719 Tagen mit typischen Symptomen spongiformer Enzephalopathien (schwammförmiger Gehirnerkrankungen) und histopathologisch (unter dem Mikroskop) wurden durch Apoptose (zellulärer Selbstmord) vom Typ I zerstörte Neuronen gefunden. Interessanterweise konnten nur bei 11 der 30 Mäuse erkennbare Löcher, Astrozytose, sowie durch Antikörpermarkierung auf einem Western blot proteaseresistente Prionproteine nachgewiesen werden. Für den sogenannten Western blot wurden Gehirnproteine in einem Polyacrylamidgel nach Größen aufgetrennt und danach auf ein Filter übertragen. Auf diesem Filter können dann die Prionproteine mit Antikörpern sichtbar gemacht werden, sofern sie von den Antikörpern erkannt werden. Ein Zusammenhang zwischen der Inkubationszeit und der Existenz von Löchern, Astrozytose und der Existenz proteaseresistenter Prionproteine bestand nicht. Die Infektion weiterer Mäuse mit Gehirnbrei von Mäusen mit markierbarem proteaseresistenten Prionprotein führte mit gleichmäßig kurzen Inkubationszeiten bereits nach etwa 150 Tagen zum Tod und in allen Fällen waren wiederum proteaseresistente Prionproteine und Löcher nachweisbar. Dagegen waren die Inkubationszeiten der Empfängermäuse mit 250-850 Tagen sehr unterschiedlich, wenn Gehirnmasse einer toten Maus ohne nachgewiesene Löcher und Prionprotein injiziert worden war. Außerdem traten wiederum nur bei 8 von 13 Mäusen proteaseresistente Prionproteine und Löcher auf. Immerhin war der Anteil der Mäuse ohne proteaseresistente Prionproteine bei der zweiten Passage wesentlich geringer. Unter den Tieren mit kurzen Inkubationszeiten waren fast nur solche mit proteaseresistentem Prionprotein, während Mäuse mit und ohne proteaseresistente Prionproteine bei den längeren Inkubationszeiten gleich häufig waren. Bei einer dritten Passage waren die Ergebnisse ganz ähnlich. Die Empfänger von Gehirnbrei mit proteaseresistentem Prionprotein starben mit proteaseresistentem Prionprotein und einheitlich kurzen Inkubationszeiten von 150 Tagen. Diesmal starben jedoch die Empfänger von Gehirnbrei ohne proteaseresistentes Prionprotein fast alle mit proteaseresistentem Prionprotein und mit etwas längeren aber deutlich einheitlicheren Inkubationszeiten von 250-450 Tagen.

Die Löcher und die Astrozytose scheinen also an die Akkumulation der von den Antikörpern markierten proteaseresistenten Prionproteinen gekoppelt zu sein, während das Absterben der Neuronen unabhängig von den markierbaren Amyloiden beobachtet wurde.

Da sie mit ihren Antikörpern kein proteaseresistentes Prionprotein fanden und wegen der Existenz etlicher Erregerstämme, vermuten die Autoren, daß es Erreger außerhalb der Prione, wahrscheinlich mit Nukleinsäuren als genetischem Material geben müsse. Möglicherweise wurde jedoch bei einem Teil der Mäuse das proteaseresistente Prionprotein wegen einer etwas anderen räumlichen Struktur von den verwendeten Antikörpern nicht erkannt oder die Aggregate waren einfach nur viel kleiner.

Die Autoren meinen, BSE zeichne sich gegenüber anderen übertragbaren spongiformen Enzephalopathien durch eine wesentlich größere Übertragbarkeit auf andere Spezies aus und dies könne die Prion-Theorie nicht erklären, weil die Höhe der Speziesbarriere von der Ähnlichkeit zwischen infizierenden und körpereigenen Prionproteinen abhänge. Ich kann diese Einschätzung angesichts der erfolgreichen Übertragungen von Scrapie auf sehr viele andere Tierarten nicht teilen. Wenn überhaupt, dann ist diese Eigenschaft bei BSE lediglich etwas ausgeprägter. Außerdem muß durchaus nicht nur die Ähnlichkeit über die Höhe der Speziesbarriere entscheiden. Beispielsweise könnten die Stabilität gebildeter Polymere, die Selektivtät der Oberflächen im Sinne von Generalschlüssel versus Zimmerschlüssel oder die Verteilung von Ladungen und hydrophoben Bereichen viel wichtiger als die Ähnlichkeit für die Fähigkeit eines Prionproteins zur Überwindung von Speziesbarrieren sein.

Weiterhin interpretieren die Autoren die Verkürzung der Inkubationszeit und die Durchsetzung des Amyloidtyps während der ersten Passagen in einer neuen Wirtsspezies, als eine Adaptation des Erregers. Hinter dieser Ansicht steht die Vorstellung eines genetischen Bauplanes.

Sämtliche Beobachtungen dieses Experimentes lassen sich aber ebenso gut damit erklären, daß zunächst die Inkubationszeit bei der ersten Passage durch die Unterschiede zwischen den fremden und den körpereigenen Prionproteinen und danach durch die Koexistenz verschiedener Varianten wirtseigener proteaseresistenter Prionproteine verlängert wird. Während zunächst das fremde Prionprotein dem körpereigenen seine Form aufprägt, setzt sich möglicherweise nach und nach die für das Wirtsprionprotein energetisch günstigste Form durch. Dabei können unterschiedliche Formen auch zu verschiedenen klinischen Symptomen, pathologischen Schädigungsmustern und Bandenmustern in der Polyacrylamidgelelektrophorese führen. Die Koexistenz verschiedener Varianten sowie die Oberflächenstrukturen bestimmter Varianten und ihrer Spaltungsprodukte können auch ihre Fähigkeit zur Aggregation beeinflussen.

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