Nature 1995 Dec 21-28; 378(6559): 779-83

Roland Heynkes, 30.12.2003

Gliederung

bibliographische Angaben
meine kritische Zusammenfassung des Artikels
Theoretisch-biologische Untersuchung des Experimentes von Collinge et al.

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Collinge,J.; Palmer,M.S.; Sidle,K.C.L.; Hill,A.F.; Gowland,I.; Meads,J.; Asante,E.; Bradley,R.; Doey,L.J.; Lantos,P.L. - Unaltered susceptibility to BSE in transgenic mice expressing human prion protein - Nature 1995 Dec 21-28; 378(6559): 779-83

meine kritische Zusammenfassung des Artikels nach oben

Es wurden die transgenen Mausstämme Tg110 und Tg152 verwendet, die 50 bzw. 200% der für menschliche Hirne normalen Expression aufweisen und 2-4 bzw. 30-50 Kopien des menschlichen Prionproteins besitzen sollen. Als infektiöses Agens für die Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde das Prion-Isolat PDG170 von einem einzigen Menschen verwendet.

In einer noch nicht abgeschlossenen Studie mit Gehirnhomogenaten von 8 verschiedenen Patienten soll sich abzeichnen, daß Mäuse mit ausschließlich menschlichem Prionprotein mit Inkubationszeit um 200 Tage deutlich früher als solche erkranken, die zusätzlich noch ihre normalen Maus-Prionproteine besitzen. Entsprechende Daten werden nicht angegeben, aber der beschriebene Effekt ist bereits aus der Literatur bekannt. Die Studie soll einmal das gesamte Spektrum der menschlichen Prionkrankheiten abdecken. Es ist erstaunlich, daß ein Wissenschaftler an so etwas glaubt.

Mit dem menschlichen CJK-Isolat PDG170 wurden nach Injektionen in transgene Mäuse folgende Ergebnisse erzielt:
Stamm Versuchstiere Erkrankte Inkubationszeit
Tg110 6 5 484+/-40
Tg152 10 10 287+/-12

Die Mäuse mit der im Vergleich zum menschlichen Gehirn halben Prionprotein-Expression hatten eine um gut 2/3 längere Inkubationszeit als die mit der im Vergleich zum menschlichen Gehirn doppelten Prionprotein-Expression. Je mehr passende Prionproteine der infizierte Organismus bereit hält, umso schneller verläuft der Krankheitsprozeß. Dies ist schon länger aus anderen Arbeiten bekannt.

Mit dem menschlichen CJ-Isolat PDG170 wurden nach Injektionen in transgene Tg152-Mäuse mit verschiedenen Genotypen folgende Inkubationszeiten beobachtet:
Genotyp Versuchstiere Erkrankte Inkubationszeit
hu+/0 w+/+ 9 8 297+/-15
hu+/+ w+/+ 10 10 244+/-9
hu+/0 w0/0 9 9 212+/-4
hu+/+ w0/0 9 8 196+/-3
hu0/0 w+/+ 10 0 >490

Die Mäuse hatten keine (hu0/0), 30-50 Kopien des menschlichen Prionprotein-Gens auf nur einem der beiden Chromosomen (hu+/0) oder das entsprechende Gen-Cluster auf beiden Chromosomen (hu+/+). Außerdem besaßen sie auf beiden Chromosomen je 1 Mauspriomproteingen, welche entweder intakt (w+/+) oder zerstört (w0/0) waren. Wie schon früher gezeigt wurde, war die Inkubationszeit umso kürzer, je mehr passende und je weniger schlecht passende Prionproteine das infizierte Tier bereit stellte. Interessanterweise erkrankten die Wildtypmäuse nicht. Da die Übertragung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf Mäuse bereits mehrfach gelang, scheint das Infektionsverfahren nicht sehr effektiv gewesen zu sein. Vielleicht lag es aber auch am Erregerstamm.

Die 1%igen Gehirnhomogenate von durch das CJ-Isolat PDG170 infizierten Tg152-Mäusen mit dem Genotyp hu+/+ w+/+, sowie aus dem Creutzfeldt-Jakob-Patienten PDG170 wurden genotypisch unterschiedlichen neuen Mäusen injiziert.

Dabei ergaben sich folgende Beobachtungen:
Quelle Empfänger injiziert erkrankt Inkubationszeit
Mensch hu+/0 w0/0 9 9 212+/-4
Tg152-Mäuse hu+/0 w0/0 9 9 213+/-5
Mensch hu0/0 w+/+ 10 0 >490
Tg152-Mäuse hu0/0 w+/+ 10 0 >490

Die mit dem Gehirnhomogenat des Creutzfeldt-Jakob-Patienten PDG170 infizierten Tg152-Mäuse sollen außer zwei Maus-Prionproteingenen 30-50 Kopien des menschlichen Prionprotein-Gens besessen haben. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß diese Mäuse zumindest ganz überwiegend menschliche Prione bildeten. Interessant ist allerdings, daß die Inkubationszeiten nach den Injektionen des menschlichen Homogenates so exakt denen nach Injektionen der Maushomogenate entsprachen. Wenn die transgenen Mäuse außerdem auch Mausprione bildeten, dann konnte deren Anteil niemals ausreichen, um die Mäuse der zweiten Passage in kaum mehr als der zweifachen Inkubationszeit zu töten. Zudem waren zumindest die Tg152-Mäuse wegen der vielen menschlichen Prionproteine denkbar ungeeignet für den Nachweis von Maus-Prionproteinen. Der Nachweis von Mausprionen in den mit menschlichen Prionen infizierten Mäusen wäre allerdings auch nicht besonders interessant.

Mit dem CJ-Isolat PDG170 und Tg152-Mäusen sowie mit monoklonalen 3F4-Antikörpern gegen menschliches Prionprotein gab es im Immunoblot folgende Signalmuster: (Fig. 1a)
Genotyp infiziert ohne Pk K mit Pk K
hu+/+ w+/+ ja stark stark
hu+/+ w+/+ nein stark keines
hu+/+ w+/+ ja stark stark
hu+/+ w+/+ nein stark keines
hu+/0 w+/+ ja schwach schwach
hu+/0 w+/+ ja stark stark
hu0/0 w+/+ nein keines keines
hu0/0 w0/0 nein keines keines
CJ-Patient ja schwach schwach
gesunder Mensch nein schwach keines

Vor der Behandlung mit Proteinase K wurden normale und "infizierte" menschliche Prionproteine durch die Antikörper markiert, nach dem Proteinase-Verdau konnten nur noch umgefaltete menschliche Prione markiert werden. Mit dem Creutzfeldt-Jakob-Erreger infizierte Mäuse bildeten nur dann menschliche Prionen, wenn sie menschliche Prionprotein-Gene besaßen. Da die Infektion von Wildtyp-Mäusen mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit früher bereits gelang, war die Infektionsprozedur anscheinend nicht ausreichend effektiv. Merkwürdig ist die nur schwache Antikörper-Reaktion mit den Prionproteinen aus den beiden Menschen und einer Maus mit dem Genotyp hu+/0 w+/+. Hier hätten die Signale zumindest vor dem Abbau mit der Proteinase K stark sein müssen. Außer diesen Merkwürdigkeiten liefert auch dieses Experiment keine neuen Erkenntnisse.

Mit dem CJ-Isolat PDG170 und Tg152-Mäusen sowie mit monoklonalen 3F4-Antikörpern gegen menschliches Prionprotein gab es im Western blot folgende Signalmuster: (Fig. 1b)
Genotyp infiziert ohne Pk K mit Pk K
hu0/0 w+/+ nein keines keines
hu+/+ w+/+ nein stark keines
hu+/+ w+/+ ja stark stark

Die Mäuse mit dem menschlichen Prionprotein-Gen produzieren menschliches Prionprotein, welches nach einer Infektion mit menschlichen Prionen zu neuen menschlichen Prionen aggregieren. Auch dies ist alles andere als neu.

Ein Stammhirn-Homogenat aus mehreren BSE-Rindern wurde Wildtyp-Mäusen der Rassen FVB und C57BL, sowie den daraus hervorgegangenen transgenen Linien Tg152 und Tg110 in die Gehirne injiziert. Nur mit Phosphat-gepufferter Salzlösung injizierte Kontrollmäuse blieben durchweg gesund.

Unter Ausschluß aller an anderen Krankheiten gestorbener Mäuse gab es bei den übrigen folgende Inkubationszeiten: (Fig. 2)
Stamm Versuchstiere Erkrankte Inkubationszeit
FVB 13 13 483+/-26
C57BL 7 4 471+/-69
Tg152 15 14 470+/-19
Tg110 11 11 456+/-21

Die Inkubationszeiten nach der BSE-Infektion wurden durch die Einführung kodierender DNA-Sequenzen für das menschliche Prionprotein nicht signifikant verändert. Die große Menge menschlicher Prionproteine in den Tg152-Mäusen führte wie erwartet zu spontanen neuromuskulären Degenerationen, aber nicht zu einer Verkürzung der BSE-Inkubationszeit. Dem mutmaßlich die Inkubationszeit verkürzenden Effekt der erhöhten Prionproteinmenge stand jedoch die hemmende Wirkung eines Gemisches verschiedener Prionproteine gegenüber. Die Autoren verwiesen allerdings nur auf den Inkubationszeit verkürzenden Effekt. Dieses Experiment spricht also nicht für eine immunisierende Wirkung des menschlichen Prionproteins.

Immunoblots von Hirnhomogenaten mit oder ohne Proteinase K - Vorbehandlung der mit BSE bzw. CJK infizierten Mäuse wurden mit dem polyklonalen Antikörpergemisch R073 gegen Prionproteine aus Maus und Mensch markiert und lieferten folgende Signalstärken: (Fig. 3a)
Empfänger Inokulum PKK Signalstärke
FVB (Wildtyp) BSE nein sehr stark
FVB (Wildtyp) BSE ja stark
FVB (Wildtyp) PBS nein stark
FVB (Wildtyp) PBS ja nicht vorhanden
C57BL/6 (Wildtyp) BSE nein stark
C57BL/6 (Wildtyp) BSE ja stark
C57BL/6 (Wildtyp) PBS nein stark
C57BL/6 (Wildtyp) PBS ja nicht vorhanden
Tg152 BSE nein sehr stark
Tg152 BSE ja stark
Tg152 CJK nein stark
Tg152 CJK ja stark
Tg152 PBS nein sehr schwach
Tg152 PBS ja nicht vorhanden
Tg110 BSE nein stark
Tg110 BSE ja gut erkennbar
Tg110 CJK nein stark
Tg110 CJK ja stark
Tg110 PBS nein sehr schwach
Tg110 PBS ja nicht vorhanden
Mensch CJK nein sehr schwach
Mensch CJK ja schwach
Mensch --- nein sehr schwach
Mensch --- ja nicht vorhanden

Alle mit BSE oder CJK infizierten normalen und transgenen Mäuse bildeten proteaseresistente Prionproteine, während die lediglich mit PBS inokulierten normalen und transgenen Mäuse nur normale Prionproteine bildeten, welche durch die Proteinase K vollständig abgebaut wurden. Insofern entspricht das Ergebnis den Erwartungen. Ich verstehe allerdings nicht, warum die Antikörper bei den menschlichen Gehirnproben sowie bei den nicht infizierten transgenen Mäuse beider Linien im Gegensatz zu den nicht infizierten Wildtypmäusen auch vor der Behandlung mit Proteinase K kaum Prionprotein markieren.

Western blots von Hirnhomogenaten mit oder ohne Proteinase K - Vorbehandlung der mit BSE bzw. CJK-infizierten Mäuse wurden mit dem monoklonalen Antikörper 3F4 gegen menschliche Prionproteine markiert und lieferten folgende Signalstärken: (Fig. 3b)
Empfänger Erreger PKK Signalstärke (menschliches PrP)
Tg152 CJK nein sehr stark
Tg152 CJK ja sehr stark
Tg152 BSE nein sehr stark
Tg152 BSE ja nicht vorhanden
Tg152 PBS nein sehr stark
Tg152 PBS ja nicht vorhanden
Tg110 CJK nein sehr stark
Tg110 CJK ja sehr stark
Tg110 BSE nein sehr stark
Tg110 BSE ja nicht vorhanden
Tg110 PBS nein sehr stark
Tg110 PBS ja nicht vorhanden
FVB BSE nein nicht vorhanden
FVB BSE ja nicht vorhanden
C57BL/6 BSE nein nicht vorhanden
C57BL/6 BSE ja nicht vorhanden

Offenbar bilden beide transgene Mauslinien menschliches und Maus-Prionprotein und erzeugen nach Infektionen mit dem Creutzfeldt-Jakob-Erreger menschliche Prione. Nach Infektionen mit dem BSE-Erregergemisch waren jedoch bei beiden transgenen Mauslinien keine menschlichen Prione immunologisch erkennbar. Dagegen markierten die Antikörper in Hirnhomogenat von mit dem Creutzfeldt-Jakob-Erreger infizierten Tg152-Mäusen noch nach 300-facher Verdünnung menschliche Prione. Die in diesem Experiment verwendeten BSE-Erreger scheinen also die Maus-Prionproteine dieser beiden Mauslinien wesentlich leichter in die proteaseresistente Form umzuwandeln, als das in diesem Experiment untersuchte menschliche Prionprotein. Da es jedoch auch bei der BSE-Empfänglichkeit verschiedener Mausstämme erhebliche Unterschiede gibt, kann von diesem Experiment nicht auf die Übertragbarkeit wahrscheinlich existierender anderer BSE-Erreger auf Menschen mit einer der vielen anderen Varianten des menschlichen Prionproteins verallgemeinert werden.

Die Autoren erwähnen in diesem Zusammenhang leider nur die Notwendigkeit einer entsprechenden Untersuchung mit transgenen Mäusen, welche anstatt des Alanin-129 ein Methionin-129 kodieren. Den BSE-Erregern stünde im Menschen eine bis zu 30-fach längere Inkubationszeit zur Überwindung der Speziesbarriere zur Verfügung. Nach dem Chaperon-Konzept von Prusiner könnte man erwarten, daß menschliches Prionprotein in Mauszellen weniger gut in die proteaseresistente Form überführt werde und dies als Erklärung für die zumindest sehr stark überwiegende Bildung von Mausprionen in BSE-infizierten transgenen Mäusen anführen. Die problemlose Infektion dieser Mäuse mit menschlichem Prionprotein durch einen Creutzfeldt-Jakob-Erreger spricht jedoch dagegen.

Die Autoren injizierten auch BSE-Erreger in die Gehirne von 40 Mäusen mit ausschließlich menschlichen Prionproteinen. In den ersten 264 Tagen dieses Experimentes starb erwartungsgemäß noch keine dieser Mäuse an BSE.

Theoretisch-biologische Untersuchung des Experimentes von Collinge et al. nach oben

Zahlreiche Reagenzglas-Experimente legen den Schluß nahe, daß entsprechend der inzwischen von fast allen Wissenschaftlern akzeptierten Prionen-Hypothese, proteaseresistente Prionproteine in der Lage sind, ihre normalen Vorläufer in die proteaseresistente Form umzuwandeln. Diese Umwandlung wird jedoch offensichtlich stark erschwert, wenn sich die bereits proteaseresistenten Katalysatoren von den noch normalen Prionproteinen unterscheiden. Da sich die Varianten des Prionproteins innerhalb einer Tierart bekanntlich meistens weniger stark als zwischen verschiedenen Tierarten unterscheiden, führt dieser Effekt zu Speziesbarrieren. Das bedeutet, daß die Übertragung von Prionkrankheiten zwischen Indiviuen einer Art meistens leichter als zwischen Exemplaren verschiedener Arten erfolgt. Wie bei allen chemischen Reaktionen sind auch diese Speziesbarrieren nicht absolut, sie verlangsamen Umwandlungsreaktionen mit ungleichen Partnern nur beträchtlich. Bei der Analyse des entscheidenden Experimentes von Collinge et al. ist daher der Unterschied zwischen langsamen heterologen Umwandlungen durch fremde proteaseresistente Prionproteine und den sehr viel schnelleren homologen Umwandlungsreaktionen von normalen durch bereits proteaseresistenten Prionproteinen der selben Art zu beachten. Zusätzlich unterscheiden sich natürlich die Umwandlungsgeschwindigkeiten, wenn proteaseresistente Rinderprionproteine einerseits normale Maus-Prionproteine und andererseits normale menschliche Prionproteine umwandeln. Daher sind in erster Näherung für eine einfache Simulation des Experimentes von Collinge et al. 3 hypothetische Reaktionsgeschwindigkeiten zu unterscheiden, welche sich aus den jeweilen Relationen der erfolgreichen zu den vergeblichen Umwandlungsversuchen ergeben.

Tabelle 1: Hypothetische Umwandlungswahrscheinlichkeiten von Prionproteinen
proteaseresistentes Prionprotein normales Prionprotein Erfolgswahrscheinlichkeit der Umwandlungsreaktion relative Umwandlungswahrscheinlichkeit
Rind Mensch 1:10000 0,001
Rind Maus 1:5000 0,002
Maus Maus 1:10 1,0
Mensch Mensch 1:10 1,0

Die Tabelle zeigt für jeden Typ von proteaseresistentem Prionprotein, mit welcher hypothetischen, aber prinipiell denkbaren Wahrscheinlichkeit ein Prion ein mit ihm zusammentreffendes normales Prionprotein umzuwandeln vermag. Dabei wird angenommen, die Speziesbarriere zwischen Rind und Mensch sei doppelt so hoch wie die zwischen Rind und Maus. Dann würden in den transgenen Mäusen die Rinderprionen pro Zeiteinheit doppelt soviele Maus-Prionproteine wie menschliche Prionproteine an ihre katalytischen Enden anlagern und dabei in die proteaseresistente Form überführen. Nach der nahezu einhellig akzeptierten Prionen-Hypothese wird durch die Anlagerung körpereigener Prionproteine an fremde Prionen zumindest ein Teil der Speziesbarriere überwunden. Hinsichtlich seiner katalytischen Aktivität wird dadurch anscheinend aus einem Rinderprion ein Maus- oder Menschenprion.

Tabelle 2: Kleine Simulation des Beginns einer BSE-Infektion von transgenen Mäusen, wenn noch viele Fremdprionen das Geschehen dominieren, während die ersten Prionen mit wirtsspezifischen Enden noch wachsen, sich aber nicht schon teilen.
Zyklen Prionentypen
Rind Maus Mensch
0 1030 0 0
1 1027 2 1
2 1024 4 2
3 1021 6 3
4 1018 8 4
5 1015 10 5
6 1012 12 6
7 1009 14 7
8 1006 16 8
9 1003 18 9
10 1000 20 10

In dieser Phase der Überwindung der Speziesbarriere vermehren sich menschliche und Mausprionen in einem praktisch konstant bleibenden Verhältnis, weil sie fast nur durch die Adaptation bestehender Rinderprionen entstehen. Selbstverständlich gilt dies nicht, wenn die Infektion durch nur ein oder sehr wenige Prionen erfolgt.

Sobald aber auf der katalytischen Spitze eines Prions ein körpereigenes Prionprotein sitzt, wird das Prion nach der Prionhypothese sehr viel schneller verlängert. Irgendwann wird dann das Prion zu groß und zerfällt in zwei Prionen. Da es auf diese Weise zu einer zunehmenden Beschleunigung der Umwandlungsreaktion kommt, handelt es sich um eine exponentielle Vermehrung der Prionen. Die folgende kleine Simulation macht deutlich, warum der am schnellsten wachsende Priontyp alle anderen überwächst.

Tabelle 3: Ein kleiner Vorsprung aus der Phase der Überwindung der Speziesbarriere nimmt aufgrund der exponentiellen Vermehrung dramatisch, nämlich ebenfalls exponentiell zu.
Zyklen Prionentypen
Maus Mensch
0 20 10
1 40 20
2 80 40
3 160 80
4 320 160
5 640 320
6 1280 640
7 2560 1280
8 5120 2560

Diese ersten einfachen Simulationen des Experimentes von Collinge et al. zeigen, daß es für das Verhältnis der infolge der Infektion mit BSE gebildeten proteaseresistenten Prionproteine von Maus und Mensch unerheblich ist, wieviele Rinderprionproteine injiziert wurden und wie groß der Unterschied zwischen den Wahrscheinlichkeiten von homologen und heterologen Umwandlungen ist. Die Simulation hätte im Grunde das gleiche Ergebnis geliefert, wenn der Einfluß der injizierten Rinderprionproteine und deren unterschiedliche Auswirkung auf normale Prionproteine von Maus und Mensch allein durch unterschiedliche wirksame Ausgangsmengen proteaseresistenter Prionproteine vor dem ersten Simulationszyklus in die Startbedingungen eingegangen wäre. Allerdings müssen die Wahrscheinlichkeiten der homologen Umwandlungen normaler Prionproteine von Maus und Mensch genau gleich sein. Da sich aber fast jeder Unterschied in den Aminosäuresequenzen der Prionproteine von Maus und Mensch auch auf deren Stabilität auswirkt, ist eine exakte Gleichheit der Umwandlungstendenzen dieser Prionproteine praktisch ausgeschlossen.

Eine weitere kleine Simulation zeigt, wie stark sich schon ein verhältnismäßig kleiner Unterschied bei den Häufigkeiten auswirkt, mit denen sich die normalen durch die proteaseresistenten Prionproteine der jeweils gleichen Art bei einem Zusammentreffen umwandeln lassen. Zugunsten größtmöglicher Klarheit soll diesmal Umwandlungswahrscheinlichkeit des normalen Maus-Prionproteins als genau doppelt so groß wie die seines menschlichen Konkurrenten angenommen werden. In der Tabelle wird dies einfach dadurch realisiert, daß sich die Zahl der proteaseresistenten menschlichen Prionproteine nur in jedem zweiten Zyklus verdoppelt.

Tabelle 4: Simulation der Auswirkung unterschiedlicher Resistenzen gegen die Umwandlung
Zyklen Maus Mensch Verhältnis
0 1 1 1:1
1 2    
2 4 2 2:1
3 8    
4 16 4 4:1
5 32    
6 64 8 8:1
7 128    
8 256 16 16:1
9 512    
10 1024 32 32:1
11 2048    
12 4096 64 64:1
13 8192    
14 16384 128 128:1
15 32768    
16 65536 256 256:1
17 131072    
18 262144 512 512:1

Dargestellt werden die Anzahlen der nach jedem Vermehrungszyklus vorhandenen proteaseresistenten Prionproteine sowie das sich sehr schnell ändernde Verhältnis zwischen den proteaseresistenten Prionproteinen von Mensch und Maus. Zu beachten ist dabei, daß die Vermehrung proteaseresistenter Prionproteine nicht einfach mit der Vermehrung der Prionen gleichgesetzt werden darf.

Wenn die Umwandlung von normalen Maus-Prionproteinen durch proteaseresistente Maus-Prionproteine nur etwas schneller als die der normalen menschlichen Prionproteine durch deren proteaseresistente Variante abläuft, dann entwickelt sich sehr schnell ein mit jedem Verdopplungszyklus zunehmendes Ungleichgewicht zwischen den proteaseresistenten Prionproteinen von Mensch und Maus. Wie die Tabelle 4 zeigt, entwickelt sich aus einer lediglich doppelt so großen Umwandlungswahrscheinlichkeit bereits nach 18 Verdopplungszyklen des Maus-Prionproteins ein Verhältnis von proteaseresistenten Maus-Prionproteinen zu proteaseresistenten menschlichen Prionproteinen, welches größer als 500:1 ist. Damit läge der Anteil der proteaseresistenten menschlichen Prionproteine bereits unterhalb der für das Experiment von Collinge et al. beschriebenen Nachweisgrenze.

Weniger eindrucksvoll, aber dennoch letztlich mit dem gleichen Endergebnis, öffnet sich exponentiell die Schere zwischen den Mengen proteaseresistenter Prionproteine von Mensch und Maus, wenn sich die Vermehrungsfaktoren nur sehr wenig unterscheiden. Die Tabelle 5 zeigt dies.

Tabelle 5: Simulation der Auswirkung unterschiedlicher Resistenzen gegen die Umwandlung
Zyklus Maus (Faktor 2,2) Mensch (Faktor 2,0) Relation
0 10 20 0,50
1 22 40 0,55
2 48 80 0,61
3 106 160 0,67
4 234 320 0,73
5 515 640 0,81
6 1.134 1.280 0,89
7 2.494 2.560 0,97
8 5.488 5.120 1,07
9 12.073 10.240 1,18
10 26.560 20.480 1,30
11 58.432 40.960 1,43
12 128.550 81.920 1,57
13 282.810 163.840 1,73
14 622.182 327.680 1,90
15 1.368.801 655.360 2,09
16 3.011.361 1.310.720 2,30
17 6.624.995 2.621.440 2,53
18 14.574.990 5.242.880 2,78
19 32.064.977 10.485.760 3,06
20 70.542.950 20.971.520 3,36
21 155.194.490 41.943.040 3,70
22 341.427.877 83.886.080 4,07
23 751.141.330 167.772.160 4,48
24 1.652.510.926 335.544.320 4,92
25 3.635.524.038 671.088.640 5,42
26 7.998.152.884 1.342.177.280 5,96
27 17.595.936.345 2.684.354.560 6,55
28 38.711.059.958 5.368.709.120 7,21
29 85.164.331.909 10.737.418.240 7,93
30 187.361.530.199 21.474.836.480 8,72
31 412.195.366.438 42.949.672.960 9,60
32 906.829.806.163 85.899.345.920 10,56

Die Tabelle zeigt, daß bereits eine minimal größere Umwandlungsgeschwindigkeit bei der homologen Umwandlung den Effekt einer höheren Speziesbarriere (niedrigere Geschwindigkeit der heterologen Umwandlung) mehr als ausgleicht. Wären wegen einer niedrigeren Speziesbarriere anfänglich doppelt soviele menschliche Prionen entstanden, dann hätte bei einer etwas problemloseren Umwandlung normaler Maus-Prionproteine durch Mausprionen dennoch bereits nach 8 Zyklen die Zahl der Mausprionen die Zahl der menschlichen Prionen übertroffen. Nach 32 Zyklen wäre nicht einmal mehr jedes zehnte Prion ein menschliches gewesen. In einer Maus mit eigenen und menschlichen normalen Prionproteinen würde man also im Falle einer etwas höheren Wachstumsrate der Mausprionen am Ende selbst dann praktisch keine menschlichen Prionen finden, wenn die Speziesbarriere zwischen Rind und Mensch niedriger als jene zwischen Rind und Maus wäre. Deshalb sagt das Experiment von Collinge et al. letzten Endes gar nichts über die Speziesbarriere zwischen Rind und Mensch aus, weil es zwischen den Effekten der heterologen und den Wirkungen der homologen Unwandlungen nicht unterscheiden kann.

Solange das Verhältnis der Umwandlungsgeschwindigkeiten der menschlichen bzw. Maus-Prionproteine in den transgenen Mäusen nicht bekannt ist, erlauben die Beobachtungen von Collinge et al. also keinerlei Aussage über das Verhältnis der Speziesbarrieren zwischen Rind und Maus bzw. Rind und Mensch.

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