Dieser Lerntext soll die Genetik möglichst verständlich und ausschließlich mit den Fachbegriffen und den Inhalten der Schulbücher für die Jahrgangsstufe 9 an Gesamtschulen in NRW erklären. Ich mache es nur an manchen Stellen etwas ausführlicher, damit man auch die Zusammenhänge verstehen kann. Besonders wichtige Aussagen werden im Text wiederholt, um sie im Gedächtnis zu verankern.
Regeln für die Arbeit mit Aufgaben und Material
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Für eine Sorte Biomoleküle brauchen wir Baupläne.
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Aufgaben zur Erarbeitung des Lernstoffes bzw. zur Lernkontrolle | |
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a1 | Nenne die Biomoleküle, die wir nicht ohne Bauplan herstellen können! |
a2 | Nenne den Sammelnamen der Grundbausteine unserer Proteine und wieviele unterschiedliche es davon gibt! |
a3 | Nenne die Information, die das Gen genannte Rezept für ein Protein enthält! |
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Zellen bestehen aus Wasser, Mineralstoffen und Biomolekülen. Mineralstoffe und manche Biomoleküle müssen mit der Nahrung aufgenommen werden (z.B.: Vitamine sowie essentielle Aminosäuren und Fettsäuren). Wasser entsteht in Zellen auch als eine Art Abfallstoff. Aber die meisten Biomoleküle müssen von unseren Zellen gezielt hergestellt werden. Die bekanntesten Biomoleküle sind Vitamine, Fette und andere Lipide, Zucker und größere Kohlenhydrate sowie Eiweiße. Viele Eiweiße sind Werkzeuge, die Vitamine, Lipide oder Kohlenhydrate herstellen können. Nur die Eiweiße selber können nicht so einfach hergestellt werden.
Eiweiße (Proteine) sind lange Ketten aus 21 unterschiedlichen Aminosäuren (Die 20 schon länger von der Codonsonne bekannten und Selenocystein, das nicht wie die anderen durch eines der Codons/Tripletts codiert wird, sondern durch ein Stoppcodon in einer bestimmten Umgebung). So wie wir mit nur 30 Buchstaben unzählige Wörter bilden können, so können auch unzählige Eiweiße aus nur 21 verschiedenen Aminosäuren gebildet werden. Entscheidend ist in beiden Fällen die Reihenfolge (Sequenz) der Buchstaben bzw. Aminosäuren. Die richtigen Reihenfolgen der Buchstaben unserer Wörter lernen wir mühsam in der Schule. Unsere Zellen haben für jedes ihrer Eiweiße ein Rezept (Gen), in dem die richtige Reihenfolge der Aminosäuren aufgeschrieben ist. Alle diese Rezepte für Eiweiße haben wir von unseren Eltern geerbt. Und viele Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen oder zwischen Menschen und Schimpansen beruhen darauf, dass ein Teil ihrer Proteine an manchen Positionen ihrer Aminosäureketten (bzw. Aminosäuresequenzen) andere Aminosäuren eingebaut haben. Andere Unterschiede beruhen darauf, dass mehr oder weniger von einem Protein produziert wird.
Interessierte finden mehr Informationen im Lerntext Biomoleküle.
Die Genetik erklärt, wie Gene die Formen und Funktionen der Proteine beeinflussen und auf diesem Wege die Eigenschaften eines Lebewesens.
Proteine machen den Unterschied.
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Aufgaben zur Erarbeitung des Lernstoffes bzw. zur Lernkontrolle | |
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a4 | Erkläre, warum Lebewesen nicht ohne Proteine auskommen! |
a5 | Beschreibe den Zusammenhang zwischen den Proteinen und den Eigenschaften eines Lebewesens! |
a6 | Erkläre Schritt für Schritt, wie der Bauplan (das Genom) die Eigenschaften eines Lebewesens beeinflusst! |
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Was Menschen voneinander und von anderen Spezies unterscheidet, sind die Eiweiße. In der Fachsprache nennen wir sie Proteine, damit man sie nicht mit dem Eiweiß im Ei eines Huhns verwechselt. Ohne Proteine könnte sich in einem Lebewesen nichts bewegen. Es könnte nichts wahrnehmen und auf nichts reagieren. Proteine ermöglichen und steuern fast alle chemischen Reaktionen in einem Lebewesen. Und ohne Proteine würde jede Zelle sofort zerfallen. Proteine sind die wichtigsten Bausteine und die eigentlichen Akteure in jedem Lebewesen.
Die Eigenschaften eines Lebewesens hängen überwiegend davon ab, wann, in welchen Mengen und in welchen Zellen es welche Proteine produziert und welche Formen diese Proteine haben. Denn die Form eines Proteins bestimmt seine Funktion und die Funktionen seiner Proteine bestimmen die Eigenschaften eines Lebewesens.
Wird in einem Protein auch nur eine von Hunderten Aminosäuren gegen eine etwas andere ausgetauscht, dann führt das normalerweise dazu, dass das Protein eine zumindest etwas andere Form annimmt. Und jede Veränderung der Form verändert auch die Eigenschaften eines Proteins. Meistens kann es dann etwas besser oder schlechter. Manchmal erlangt ein Protein dadurch sogar eine neue Fähigkeit. Und mit den Eigenschaften ihrer Proteine ändern sich auch die Eigenschaften der Lebewesen. Darum ist es extrem wichtig, dass die exakten Reihenfolgen (Sequenzen) aller Aminosäuren in sämtlichen Proteinen eines Lebewesens genau festgelegt sind. Und genau das leistet der Bauplan (das Genom) eines Lebewesens.
Aufbau eines Proteins
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Proteine sind lange, unverzweigte Ketten aus Aminosäuren, von denen es in unseren Zellen 21 unterschiedliche gibt.
die 20 normal codierten Aminosäuren menschlicher Proteine |
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anonym, public domain |
Die Begriffe Primärstruktur, Sekundärstruktur, Alpha-Helix, Betafaltblatt, Tertiärstruktur und Quartärstruktur gehen über Euer Schulbuch hinaus. Sie erleichtern aber hier das Verständnis der Protein-Faltung.
Aus Aminosäureketten entstehen Proteine:
Das schrittweise Entstehen der räumlichen Form eines Proteins |
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Mariana Ruiz Villarreal, Beschriftung von mir, public domain |
So ergibt sich aus der Aminosäuresequenz die räumliche Form eines Proteins. Die Form bestimmt die Eigenschaften und damit auch die Funktionen eines Proteins. Und die Funktionen unserer Proteine bestimmen unsere Eigenschaften. |
rotierendes Protein (Clostridium perfringens Alpha Toxin) |
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Ramin Herati, public domain |
Das Problem dabei ist, dass es nahezu unendlich viele mögliche Reihenfolgen (Sequenzen) gibt, wenn Hunderte Aminosäuren ein Protein bilden und für jede Position der Aminosäure-Sequenz 21 unterschiedliche Aminosäuren zur Auswahl stehen. Damit eine Zelle von den praktisch unendlich vielen möglichen immer genau die richtige Aminosäurekette produziert, braucht sie für jedes seiner Proteine einen Bauplan. Solch einen Bauplan nennt man Gen. Es gibt im Prinzip für jedes Protein ein Gen, welches die Aminosäuresequenz des Proteins bestimmt. Und die Summe aller Gene nennt man das Genom eines Lebewesens.
rotierendes Protein (AMPA-Rezeptor) |
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anonym, CC BY-SA 3.0 |
Entscheidend für die Eigenschaften jedes Lebewesens und jede seiner Zellen ist also, wann, für wie lange und wie stark seine Gene aktiviert werden und welche Aminosäuresequenzen sie codieren.
Zellen brauchen Baupläne.
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Aufgabe zur Erarbeitung des Lernstoffes bzw. zur Lernkontrolle | |
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a7 | Erkläre die Abkürzung mRNA! |
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Das Genom eines Lebewesens enthält für jedes seiner Proteine ein Rezept (Gen), in dem die Aminosäuresequenz des Proteins aufgeschrieben ist. Ähnlich wie Rezepte für Kuchen und Kekse stehen auch die Rezepte für Eiweiße hintereinander in Kochbüchern. Allerdings nennt man in Zellen die Rezepte Gene und die Kochbücher Chromosomen.
Wenn Zellen bestimmte Eiweiße brauchen, machen sie Kopien von den Genen (Rezepten). Diese Rezept-Kopien kommen wie Botschaften oder Boten zu winzigen Maschinen, die man Ribosomen nennt. Und weil diese Boten aus dem Material RNA bestehen, nennt man sie Boten-RNAs. Auf Englisch heißt Bote Messenger. Abgekürzt nennen wir deshalb die Rezept-Kopien mRNAs. Mit Hilfe solcher mRNAs stellen Ribosomen alle Eiweiße her, welche die Zelle braucht.
Ribosomen-Untereinheiten | |
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Diese animierten GIF zeigen links die große und rechts die kleine Ribosomen-Untereinheit. | |
Protein Data Bank Educational Resources |
In Vielzellern haben sehr unterschiedliche Zelltypen den selben Bauplan.
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Aufgaben zur Erarbeitung des Lernstoffes bzw. zur Lernkontrolle | |
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a8 | Nenne mit einem Satz, was die mehr als 200 menschlichen Zelltypen gemeinsam haben! |
a9 | Erkläre, warum unsere Zellen trotzdem so unterschiedlich sind! |
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Menschen bestehen aus ungefähr 30 Billionen (30.000.000.000.000) menschlichen Zellen. Wir könnten allerdings nicht überleben, wenn nicht in und auf uns noch etwas mehr Bakterien und unzählige Viren existieren würden.
Es gibt in uns mehr als 200 unterschiedliche menschliche Zellarten. Besonders bekannt sind rote und weiße Blutzellen, kugelige Eizellen, lange Muskelzellen, verzweigte Nervenzellen und nahezu unsterbliche Stammzellen.
Trotzdem haben alle diese sehr unterschiedlichen Zelltypen eines Menschen praktisch den selben Bauplan.
Die folgenden Bilder zeigen verschiedene Blutzellen (Blutkörperchen) mit ungefähr richtigen Größenverhältnissen. |
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Blutplättchen heißen Thrombozyten, rote Blutkörperchen heißen Erythrozyten. Alle anderen hier gezeigten Blutzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten). |
Jedes Eiweiß erfüllt eine bestimmte Aufgabe in der Zelle. Viele Eiweiße sind Bausteine, aus denen Zellen bestehen. Andere Eiweiße stellen Kohlenhydrate oder Lipide her, aus denen Zellen bestehen. Deshalb hängen die Eigenschaften einer Zelle davon ab, aus welchen Eiweißen sie besteht.
Von den Kochbüchern (Chromosomen) hängt ab, welche Eiweiße eine Zelle herstellen kann. Aber die Zellen entscheiden, welche Rezepte (Gene) aus den Kochbüchern (Chromosomen) sie benutzen. So können unsere Zellen entscheiden, ob sie Nervenzellen oder Muskelzellen sein wollen. Aber normalerweise hören sie auf ihre Nachbarn und werden die Zellen, die gebraucht werden.
Nukleotid-Sequenzen codieren Aminosäure-Sequenzen
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Aufgaben zur Erarbeitung des Lernstoffes bzw. zur Lernkontrolle | |
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b1 | Beschreibe mit einem Satz, worin die in der DNA gespeicherte Information steckt! |
b2 | Erkläre, wie die DNA mit nur 4 unterschiedlichen Nukleotiden 20 unterschiedliche Aminosäuren codieren kann! |
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Schauen wir uns genauer an, wie ein Gen eine Aminosäuresequenz codiert. Gespeichert ist die Information eines Gens in einem Material namens DNA. Aber DNA ist nur der Datenträger, vergleichbar mit einer CD, einem Speicherchip, einer Festplatte oder dem Papier und der Druckerfarbe eines Buches.
animiertes Schema der DNA-Doppelhelix |
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Richard Wheeler, CC BY-SA 3.0 |
Die Animation erschwert zwar die genaue Betrachtung, vermittelt dafür aber ein intuitives Gefühl für die Struktur der DNA-Doppelhelix. Dabei hilft die Farbcodierung. Kohlenstoff-Atome sind grün dargestellt, Stickstoff blau, Sauerstoff rot, Phosphor orange und Wasserstoff grau. Dadurch wirken im DNA-Rückrat Desoxyribose grünorange und Phosphat rotorange, während dazwischen die Nukleobasen blaugrün gesprenkelt aussehen. |
Damit ein Gen die Eigenschaften eines Proteins festlegen kann, muss es die Aminosäuresequenz des Proteins bestimmen. Dazu muss das Gen Informationen enthalten. Das funktioniert wie bei unseren Wörtern. Die Reihenfolge der Buchstaben bestimmt den Sinn eines Wortes. Auch Gene enthalten soetwas wie Buchstaben. Es sind die Grundbausteine der Nukleinsäuren DNA und RNA und man nennt sie Nukleotide. Es gibt in den Nukleinsäuren DNA und RNA jeweils 4 unterschiedliche Nukleotide. Man nennt sie einfach A, C, G und T. Die Nukleotidsequenz genannte Reihenfolge der Nukleotide enthält die Information(en) eines Gens. Nukleotidsequenzen der DNA bestimmen (codieren) die Aminosäuresequenzen der Proteine. Dabei bilden immer 3 Nukleotide eine Art Wort, das für eine bestimmte Aminosäure steht. Und an den Ribosomen wird die Nukleotidsequenz des Gens übersetzt in die Aminosäuresequenz des Proteins. Das folgende Schema soll das Prinzip veranschaulichen. Immer 3 benachbarte Nukleotide in der oberen Zeile werden übersetzt in eine Aminosäure in der unteren Reihe.
Gene codieren Proteine |
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das menschliche Genom
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Der Umfang des menschlichen Genoms (Bauplans) wird aktuell auf ungefähr 23.000 Gene geschätzt. Von den allermeisten dieser Gene haben wir eine Kopie von der Mutter und eine fast identische vom Vater geerbt. In unseren normalen, noch lebenden Körperzellen kommt also unser Bauplan (Genom) in zweifacher Ausführung vor. Man nennt das einen diploiden Chromosomensatz. Die Gesamtzahl der Nukleotide im diploiden Genom beträgt ungefähr 6,2 Milliarden. Insgesamt ergeben sie eine Länge von mehr als 2 Metern pro Zelle. Weil diese Länge extrem unhandlich wäre, ist unser Genom aufgeteilt auf 46 Untereinheiten, die man Chromosomen nennt. Diese Chromosomen sind unterschiedlich lang und wenn man sie kurz vor einer Zellteilung (in der mitotischen Metaphase) anfärbt, erkennt man unterschiedliche Streifenmuster. Fotografiert man die angefärbten Chromosomen, dann kann man sie aus dem Foto ausschneiden, nebeneinander legen und vergleichen. Man nennt das ein Karyogramm.
Karyogramm eines Mannes |
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National Human Genome Research Institute, public domain |
Dabei zeigt sich, das die Chromosomen in weiblichen Zellen 23 und in männlichen Zellen 22 Chromosomenpaare gleich aussehender Chromosomen bilden. Man nennt sie auch homologe (sich entsprechende) Chromosomen oder homologe Chromosomenpaare. Dabei kommt immer ein Chromosom eines Chromosomenpaares vom Vater und das andere von der Mutter. Das 23., bei Männern ungleiche Chromosomenpaar bestimmt normalerweise das Geschlecht eines Menschen. Darum heißen seine Chromosomen auch Geschlechtschromosomen. Bei Frauen besteht dieses Chromosomenpaar aus zwei großen X-Chromosomen. Bei Männern sind es ein großes X-Chromosom und ein viel kleineres Y-Chromosom.
die Geschlechtschromosomen X&Y des Menschen |
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Geo-Science-International, CC BY-SA 4.0 |
Man sieht im elektronenmikroskopischen Bild zwei menschliche Geschlechtschromosomen in ihrer Transportform. |
Lernkasten Baupläne für Proteine
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Geschwister unterscheiden sich, ähneln aber ihren Eltern und Großeltern
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In Familien findet man häufig über Generationen hinweg auffällige Ähnlichkeiten hinsichtlich des Aussehens, bestimmter Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen, aber auch bei Charakter, Verhalten, Fähigkeiten oder Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten. Das liegt daran, dass Eltern eine zufällig ausgewählte Hälfte ihrer Gene an ihre Kinder vererben. Deshalb nannte man sie früher auch Erbanlagen.
Die zufällige Auswahl der Gene geschieht bei einem Prozess namens Meiose. Sie sorgt für die genetische Variabilität bzw. genetische Vielfalt unter den Geschwistern und ist sehr wichtig für die Fähigkeit einer Spezies, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen.
Die mütterliche Hälfte der Gene steckt in einer Eizelle. Die väterliche Hälfte kommt in einem Spermium, das in die Eizelle eindringt. Danach vereinigen sich die beiden Hälften zu einem neuen, vollständigen Bauplan für einen neuen Menschen.
Ein Spermium dringt in eine Eizelle ein. ![]() |
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anonym, Public domain |
Eizelle und Spermium heißen Geschlechtszellen, weil sie für die geschlechtliche (sexuelle) Fortpflanzung benötigt werden. Normale menschliche Geschlechtszellen enthalten jeweils 23 Chromosomen. Man nennt das den haploiden Chromosomensatz. Bei der Befruchtung vereinigen sich die Geschlechtszellen zu einer befruchteten Eizelle (Zygote). Diese enthält dann 23 mütterliche und 23 väterliche, also insgesamt 46 Chromosomen. Man spricht nun von einem doppelten oder diploiden Chromosomensatz. Man nennt auch den neuen Zellkern sowie die ganze Zygote diploid. Enthält der Zellkern der Zygote zwei X-Chromosomen, dann ist sie rein genetisch betrachtet weiblich. Enthält aber der Zellkern der Zygote ein X- und ein Y-Chromosom, dann kann sich der Embryo männlich entwickeln, falls alles gut geht.
die Meiose
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Meiose oder Reduktionsteilung nennt man eine besondere Form der Zellteilung, bei der in zwei Teilungsschritten aus einer diploiden Zelle vier haploide Geschlechtszellen entstehen. Man kann die Meiose grob in die beiden Abschnitte Meiose I und Meiose II unterteilen.
Um die Meiose verstehen zu können, sollte man 2 Dinge wissen:
Die Verteilung der ursprünglich mütterlichen und väterlichen Chromosomen erfolgt zufällig und zusätzlich kommt es noch zum Austausch von Chromosomenteilen, sodaß jede Geschlechtszelle eine einzigartige Mischung der elterlichen Gene enthält.
Schema der Stadien der Meiose mit Crossing over ![]() |
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Die Meiose kommt nur bei Lebewesen vor, deren noch lebende Zellen einen Zellkern haben. Diese Lebewesen heißen Eukaryoten. Eukaryoten setzten die Meiose nur für die Herstellung von Geschlechtszellen ein. Der Zweck der Meiose ist die Halbierung des in normalen Körperzellen doppelten (diploiden) Chromosomensatzes. Denn Geschlechtszellen dürfen von jedem Chromosom nur ein Exemplar enthalten, damit sich die Zahl der Chromosomen in den Körperzellen nicht bei jeder sexuellen Fortpflanzung verdoppelt. Die Meiose beginnt mit Chromosomenpaaren aus jeweils zwei Chromosomen, die normalerweise Varianten der gleichen Gene in der selben Reihenfolge enthalten. Sich so entsprechende Chromosomen nennt man homologe Chromosomen. Dabei stammt jeweils ein Chromosom von der Mutter und das andere vom Vater. Und weil schon vor der Meiose jedes Chromosom kopiert oder genauer verdoppelt wurde, besteht jedes Chromosom aus zwei Kopien, die man Chromatiden nennt. Deshalb nennt man die Chromosomen vor der Meiose 2-Chromatiden-Chromosomen. |
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anonym, CC BY-SA 4.0 |
Das Schema oben beginnt mit drei Paaren homologer Chromosomen mit je zwei Chromatiden. Dabei stammen die blauen Chromosomen vom einen und die roten vom anderen Elternteil. Gelb gezeichnet sind die für den Transport der Chromosomen benötigten Teile des Zytoskeletts. Das Schema unterteilt die Meiose in zwei Zellteilungen (1. Reduktionsteilung, 2. Äquationsteilung genannte normale Mitosen) mit insgesamt acht Phasen:
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Prophase nennen Zellbiologen die Phase im Zellzyklus, in der die Chromosomen zu dicken, aber kurzen und damit transportfähigen Einheiten kondensieren (sich zusammenballen). In dieser Phase sieht man, dass jedes Chromosom aus zwei Chromatiden besteht. Das sind zwei nahezu identische Kopien des selben Chromosoms, die noch am Centromer aneinander gebunden sind und deshalb beide als Bestandteile eines 2-Chromatiden-Chromosoms bezeichnet werden.
Metaphase nennen Zellbiologen die Phase im Zellzyklus, in der die kondensierten (zur kompakten Transportform verdichteten) Chromosomen vom Spindelapparat alle in eine Ebene in der Mitte der Zelle bugsiert werden, die man Äquatorialebene nennt.
Anaphase nennen Zellbiologen die Phase im Zellzyklus, in welcher der Spindelapparat die Schwesterchromatiden der 2-Chromatiden-Chromosomen auseinander bis an die gegenüber liegenden Pole der Zelle ziehen. Weit von einander entfernt liegt nun in beiden Hälften einer Zelle von jedem Chromosom jeweils ein Chromatid. Deshalb bezeichnet man die Chromosomen von nun an bis zur nächsten Verdopplung (S-Phase) als 1-Chromatid-Chromosomen.
Telophase nennen Zellbiologen die Phase im Zellzyklus, in der sich der Spindelapparat auflöst, sich an den beiden Zellpolen um die 1-Chromatid-Chromosomen herum neue Kernhüllen bilden und wo in diesen die Chromosomen wieder dekondensieren. Das bedeutet, dass sie wieder ganz lang und dünn werden, sodass man keine einzelnen Chromosomen mehr erkennen kann. Man sieht nur noch eine einzige Masse, die aufgrund ihrer Färbkarkeit Chromatin nennt.
Die Meiose II entspricht der normalen Mitose mit 1-Chromatid-Chromosomen.
Die Animation funktioniert unter MS-Windows mit den Browsern Firefox, Opera und Google Chrome, während der Internet Explorer von Microsoft die SMIL-Anweisungen immer noch nicht versteht. Auf dem iPad muss die Seite vor jeder Wiederholung neu aufgebaut werden.
Grundlagen der klassischen Genetik
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Ursächlich für unterschiedliches Aussehen verschiedener Spezies sind etwas unterschiedliche Varianten ihrer Proteine. Und die Ursache für die Unterschiede zwischen verschiedenen Varianten eines Proteins sind Unterschiede zwischen ihren Bauplänen, also den Genen. Genauer gesagt sind es Varianten (Allele) des selben Gens.
Menschen erben also ihre Gene von ihren Eltern. Normalerweise haben Frauen von allen und Männer von fast allen ihren Genen zwei Kopien - eine vom Vater und eine von der Mutter. Unsere Eigenschaften sind deshalb eine Mischung der Eigenschaften der jeweiligen Mütter und Väter. Dabei können die Einflüsse der mütterlichen und väterlichen Genvarianten (Allele) gleich oder unterschiedlich groß sein. Kommt von einem Elternteil eine intakte Genvariante und vom anderen Elternteil ein funktionsloses Allel, dann setzt sich das intakte durch. Man nennt es dominant. Defekte Allele, die keine funktionsfähigen Proteine codieren, heißen rezessiv.
die mendelschen Regeln 1 und 2
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Schema eines dominant-rezessiven Erbgangs |
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Magnus Manske, public domain |
Das Schema veranschaulicht die ersten beiden mendelschen Regeln anhand eines dominant-rezessiven Erbgangs, wobei das Allel für eine rote Blütenfarbe dominant ist. Ein defektes Allel dieses Gens führt zu einer weißen Blütenfarbe. Dieses Merkmal ist jedoch rezessiv, weil das defekte Allel durch das intakte ersetzt werden kann. (1) Elterngeneration mit reinerbigen Anlagen (w/w oder R/R). (2) F1-Generation: Alle Individuen sehen gleich aus, die dominante rote Erbanlage setzt sich gegen die rezessive weiße durch. (3) F2-Generation: Dominante (rot) und rezessive (weiße) Erscheinungsformen zeigen ein Verhältnis von 3:1. |
Sind beide Allele gleich dominant, dann führt das zu folgendem Erbgang.
Schema eines intermediären Erbgangs |
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Magnus Manske, public domain |
Das Schema veranschaulicht die ersten beiden mendelschen Regeln anhand eines intermediären Erbgangs, wobei die Kombination beider Allele eine Mischfarbe egibt. (1) Elterngeneration mit reinerbigen Anlagen (w/w oder R/R). (2) F1-Generation: Die Blütenfarbe aller Individuen ist rosa. (3) F2-Generation: Rote, rosa und weiße Blüten zeigen ein Verhältnis von 1:2:1. |
die 3. Mendelsche Regel
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Das folgende Schema veranschaulicht die dritte mendelsche Regel mit zwei unabhängig voneinander vererbten Merkmalen. Unten in der Tabelle sieht man, wie sich die Merkmale auswirken. Man nennt diese äußerlich erkennbaren Merkmale den Phänotyp. Phänotypisch unterscheidbar sind die Merkmale Farbe (grün oder gelb) und Form (glatt oder wellig) der Bohnen. Die Tabelle zeigt für den Fall zweier hinsichtlich beider Merkamle mischerbiger Eltern die relativen Häufigkeiten der Merkmalskominationen unter den Nachkommen.
Über der Tabelle und mit den Buchstaben auch in ihr zeigt das Schema die genotypische Erklärung, also die nicht direkt sichtbare Ebene der Gene. Man sieht Zellen mit größeren und etwas kleineren Chromosomen. Die größeren Chromosomen enthalten ein Gen, welches die Farbe der Bohne beeinflusst. Die kleineren Chromosomen enthalten ein Gen, welches die Form der Bohne beeinflusst. Von jedem der beiden Gene gibt es zwei Varianten (Allele), wobei jeweils die groß geschriebene dominant ist und sich gegenüber dem klein geschriebenen rezessiven Allel durchsetzt. Das Allel R bewirkt eine grüne Färbung. Das rezessive Allel r bewirkt eine gelbe Färbung, sofern es nicht durch ein Allel R dominiert wird. Analog lässt das dominante Allel Y die Bohne wellig wachsen, während das rezessive Allel y für eine glatte Bohne sorgt, wenn es nicht von Y dominiert wird.
Gemäß der dritten mendelschen Regel werden die beiden Merkmale unabhängig voneinander vererbt, weil sie auf verschiedenen Chromosomen untergebracht sind. Lägen die beiden Gene direkt nebeneinander im selben Chromosom, dann würden sie fast nie unabhängig voneinander verberbt.
Schema zur Unabhängigkeitsregel |
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Ganz oben unter der Überschrift Meiose zeigt das Schema zwei (diploide) Körperzellen der Elterngeneration (F1-Generation). Man sieht in jeder Zelle zwei größere und zwei etwas kleinere Chromosomen, von denen jeweils eines von der Mutter und eines vom Vater stammt. Die größeren Chromosomen enthalten ein Gen (R oder r), welches die Farbe der Bohne beeinflusst. Die kleineren Chromosomen enthalten ein Gen (Y oder y), welches die Form der Bohne beeinflusst. Beide Körperzellen sind hinsichtlich beider Gene mischerbig. Das bedeutet, dass jeweils das vom "Großvater" stammende Chromosom ein anderes Allel das von der "Großmutter" stammende enthält. Weil sich jeweils das dominante Allel durchsetzt, sind die Bohnen der in diesem Experiment als Vater und Mutter eingesetzten Elternpflanzen alle grün und wellig. In der zweiten Zeile sieht man, das alle Chromosomen (durch DNA-Replikation) verdoppelt wurden. Die beiden Kopien (Chromatiden) hängen aber (an den Centromeren) noch zusammen. Es folgt die erste meiotische Zellteilung, in welcher jede (der haploiden) Tochterzelle von jedem Chromosomenpaar nur entweder das großväterliche oder das großmütterliche Chromosom erhält. Das Ergebnis dieser ersten meiotischen Zellteilung sieht man in der dritten Zeile mit vier (haploiden) Tochterzellen. Abgeschlossen wird die Bildung von in diesem Fall weiblichen Geschlechtszellen (Eizellen) durch die zweite meiotische Zellteilung. Dabei werden die beiden Kopien (Schwesterchromatiden) jedes Chromosoms voneinander getrennt und jede der Tochterzellen in der vierten Zeile erhält von jedem Chromosom nur eine Kopie (Chromatid). Insgesamt verfügt dadurch jede Geschlechtszelle (Gamete) von jedem Chromosom und im Prinzip auch von jedem Gen nur noch jeweils eine Kopie. Und weil die Körperzellen hinsichtlich beider Gene mischerbig waren, enthalten nun die Geschlechtszellen unterschiedliche Allelkombinationen. |
Mariana Ruiz Villarreal, gemeinfrei |
Unten zeigt die Tabelle alle möglichen Kombinationen der vier Allele, die durch Befruchtung der Eizellen durch genauso entstandene männliche Geschlechtszellen in der Generation der Nachkommen (F2-Generation) entstehen können. |
Werden bei einem Heterozygoten die Genprodukte beider Allele unabhängig voneinander ausgeprägt, spricht man von Kodominanz bzw. von kodominanter Vererbung. Das bekannteste Beispiel für Kodominanz findet sich beim Blutgruppensystem AB0: Die Allele A und B kommen beim Genotyp AB beide zur Ausprägung, so dass auch der Phänotyp AB lautet. Das Gen zur Ausprägung der Blutgruppen des AB0-Systems liegt auf dem Chromosom 9. Beispiele für intermediäre Erbgänge sind die rosafarbenen Blüten von Primeln, Löwenmäulchen oder ursprünglich mittelamerikanischen Wunderblume, weil das Merkmal Weiß auf zwei von Vater und Mutter geerbten defekten Allelen ohne Genprodukt beruht und ein intaktes Allel allein nicht ausreicht, um genügend roten Farbstoff für rote Blüten zu produzieren. Kreuzt man zwei jeweils homozygot weiße und rote Exemplare dieser Blütenpflanzen miteinander, dann findet man in der nächsten Generation nur rosafarbene Blüten.
Mendelsche Regeln am Beispiel der Wellensittich-Farben
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Es gibt bei den seit mehr als 170 Jahren als Haustiere gezüchteten Wellensittichen zahlreiche Farbvarianten. Um es nicht unnötig kompliziert zu machen, möchte ich mich darauf beschränken, die Vererbung von zwei an der Farbgebung beteiligten Genen mit jeweils 2 Allelen zu erklären.
Das eine Gen ist ein Rezept für die Produktion eines Proteins, welches normalerweise zur Herstellung des dunklen Farbstoffs Eumelanin führt. Zusammen mit der normalen Struktur der Federn bewirkt dieser Farbstoff eine Blaufärbung. Es gibt aber ein mutiertes Allel (b) dieses Gens, das zu einem defekten Protein führt. Dieses nicht funktionsfähige Protein kann keinen Beitrag zur Herstellung des Farbstoffs leisten. Wenn der Vogel auch von seinem anderen Elternteil kein intaktes Allel (B) dieses Gens geerbt hat, dann kann er gar keinen Farbstoff für die Blaufärbung produzieren.
Das andere Gen codiert ein Protein, welches für die Produktion des gelben Farbstoffes Psittacin benötigt wird. Auch von diesem Gen gibt es außer dem funktionsfähigen (G) noch ein funktionsunfähiges mutiertes Allel (g).
Betrachten wir mit diesem Vorwissen die Kreuzung eines reinerbig grünen (BBGG) Wellensittichs mit einem reinerbig weißen (bbgg), dann enthalten alle Geschlechtszellen des einen Elternteils die beiden dominanten Allele B und G, während alle Gameten des anderen Tieres die rezessiven Allele b und g enthalten. Bei den Nachkommen ergeben sich folgende Kombinationsmöglichkeiten:
F1 | bg | bg |
BG | BbGg | BbGg |
BG | BbGg | BbGg |
Alle Nachkommen in der F1-Generation sind genotypisch und phänotypisch gleich. Alle sind grün. Sie sind aber auch alle mischerbig. Deshalb produzieren sie im Hinblick auf diese beiden Gene 4 unterschiedliche Sorten von Geschlechtszellen: BG, Bg, bG und bg.
F2 | BG | Bg | bG | bg |
BG | BBGG | BBGg | BbGG | BbGg |
Bg | BBGg | BBgg | BbGg | Bbgg |
bG | BbGG | BbGg | bbGG | bbGg |
bg | BbGg | Bbgg | bbGg | bbgg |
In der F2-Generation findet man also die Farben Grün, Blau, Gelb und Weiß im Verhältnis: 9:3:3:1.
Kommentare und Kritik von Fachleuten, Lernenden und deren Eltern sind jederzeit willkommen.
Roland Heynkes, CC BY-NC-SA 4.0